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Betreff: Kommunikationsmedium der bundesweiten AG Geldordnung und Finanzpolitik
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- Subject: [AG-GOuFP] Gerechtes Geld? Teil 2
- Date: Sat, 3 Oct 2015 12:28:13 +0200
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Gerechtes Geld?
3.2.) Ungerechte Doppelwertigkeit des Geldes
Wer fleißig arbeitet und Lohn dafür bekommt, kann für seinen Lohn alles
erwerben,
was die Volkswirtschaft gegen Geld zu bieten hat. Er kann teilhaben an den
Leistungen der Volkswirtschaft und zwar in dem Umfang, wie er selbst durch
seine
Arbeit zu diesen Leistungen beigetragen hat: In dem Maße, wie er
a.) zum einen seine sozio-ökonomische Obliegenheit erfüllt, etwas
Nützliches
für die Volkswirtschaft zu leisten, bekommt er
b.) zum anderen in Form seines Lohnes eine sozio-ökonomische, monetäre
Anwartschaft, die ihn berechtigt, seinerseits wiederum aus der
Volkswirtschaft
etwas für ihn Nützliches abzurufen.(8)
Gebe ich mein tägliches Geld für Brot, Milch und Wohnung, fürs Auto und für
den
Urlaub aus, so hat das Geld für mich genau den Wert, der auf den
Geldscheinen
angegeben ist: 500 € sind genau 500 €. Der Wert meines täglichen Geldes
ist
gleich seinem Nennwert.
Habe ich jedoch Geld übrig, das ich gerade nicht für Brot, Milch, Wohnung,
Auto
und Urlaub ausgebe, dann kann ich es anlegen. Angelegtes Geld hat für mich
nicht
nur seinen Nennwert. Vielmehr bekomme ich nach Ablauf der Anlagefrist den
Nennwert zurück plus Zinsen. Genau genommen habe ich den Nennwert meines
angelegten Geldes gar nicht aus der Hand gegeben: Ich habe ihn nur in
einen
(weniger liquiden) Rückzahlungsanspruch gleichen Nennwertes umgetauscht,
der
wie vorher mein Bargeld auf der Aktivseite meiner Konten erscheint. Am Ende
jedoch bekomme ich zu dem Nennwert, den ich behalten hatte, die Zinsen
hinzu.
So ist das Geld, das ich übrig habe, mehr wert, als das Geld, das ich
ausgebe.
Geld hat also zweierlei Wert: Gebe ich es aus, dann hat es nur seinen
Tauschwert
(Nennwert). Behalte ich aber seinen Tauschwert (Nennwert), dann hat das
Geld
für mich einen zusätzlichen Wert (Liquiditätswert). Dafür wird am Markt
regelrecht
ein Preis gezahlt: der Zins. Dieser Zins ist offenbar der Preis für die
wirtschaftlichen
Vorteile, welche das Geld neben seinem Tauschwert auch noch, und zwar
gerade
dann bietet, wenn man es nicht ausgibt, sondern anders nutzt
(Liquiditätsvorteil
des Geldes in der Kasse).
Auch wer Geld leiht, vergrößert sein Vermögen nicht um den Tauschwert
(Nennwert)
des Geldes, denn er belastet sich mit der Rückzahlungsschuld, die auf
seinem Konto
sofort passiv zu Buche steht. Was er vom Geldgeber bekommt und wofür er
die
Zinsen zahlt, das ist nur der wirtschaftliche Vorteil, den das Geld in der
Kasse
(Liquidität) bietet. (Den Liquiditätsvorteil freilich kann der Entleiher
nur sehr kurz
nutzen, wenn wenn er den Tauschwert des entliehenen Geldes alsbald für
den
Zweck ausgibt, zu dem er den Kredit aufgenommen hat. So zahlt der
Kreditnehmer
kurioserweise während der gesamten Laufzeit seines Darlehens einen Preis
für
Liquidität, die er überhaupt nur für wenige Augenblicke in Anspruch nimmt:
Über
diese Paradoxie hat man in der Geldtheorie noch nicht nachgedacht, obwohl
seit
Keynes beim Zins von “Liquiditätsprämie” die Rede ist.)
Wer den Nennwert seines Geldes zur Befriedigung seiner Bedürfnisse
ausgeben
muss, der kann den zusätzlichen Liquiditätswert des Geldes nicht nutzen.
Also ist
Geld typischerweise für denjenigen, der es übrig hat, mehr wert als für
denjenigen,
der es benötigt. Das ist ungerecht; denn aus der Sicht der Betroffenen ist
das Geld
gerade für denjenigen, der es zum Leben braucht, wertvoller als für den
anderen,
der es übrig hat (abnehmbarer Grenznutzen).
(8) Zu dieser auch rechtstechnischen und nicht nur ökonomisch
gemeinten
Deutung des Geldes: Suhr, D., Geld ohne Mehrwert, 4. Kapitel
(Fritz Knapp Verlag, Frankfurt/Main, 1983).
3.3.) Subventionierung der Reichen durch Produzenten und Konsumenten
Die Geldordnung spielt also denjenigen Wirtschaftssubjekten, die ohnehin
schon
Geld übrig haben, ein Geld von solcher Art und Güte in die Hände, dass sie
aus
den Liquiditätsvorteilen, die das Geld bietet, buchstäblich “Kapital
schlagen”
können. Es sind typischerweise die weniger wohlhabenden Produzenten
und
Konsumenten, die sich Liquidität von anderen für Konsum- oder
Investitionszwecke
besorgen müssen und in die Rolle von Zinszahlern geraten. So ist die
Wirtschaft
kraft der Eigenschaften unseres Geldes programmiert,dass die
Wohlhabenden
durch die Produzenten und Verbraucher beständig subventioniert oder
alimentiert
werden. Das ist um so absurder, als in diesem monetären Spiel diejenigen,
die
etwas leisten wollen oder Bedürfnisse haben, ausgerechnet die anderen
subventionieren,die ohnehin schon mehr Geld als Bedarf haben.
a.) Stellt aber nicht der Verleiher dem Entleiher wirtschaftlich
nützliche
Liquidität zur Verfügung, die ihren Preis in Form von Zins wert ist?
Richtig!
Der Zins, insoweit er Prämie für die Überlassung von Liquidität ist, stellt
eine durchaus gerechtfertigte und angemessene Gegenleistung für die
zeitweilige Liquiditätsübertragung dar. Aber: Die Liquiditätsvorteile als
solche, die der Verleiher dem Entleiher zur Verfügung stellt, sind eine
Art
Geschenk der Geldwirtschaft an den Geldbesitze – eine kostenlose
Zugabe
der Geldordnung zum Nennwert des Geldes.
Diese monetäre Zugabe, die die Geldordnung dem Geldbesitzer in die
Hand
spielt, kann er entweder selbst nutzen; dann spricht man von
“Transaktionskasse”, “Spekulationskasse” und “Vorsichtskasse”. Oder
er
verwendet sie, indem er sein Geld gegen Zins verleiht (Liquidierung
des
Liquiditätsvorteils). Spätestens hier beim Zins zeigt sich, dass die
Zugabe,
die die Geldordnung dem Geldbesitzer in die Hand spielt, nicht aus dem
monetären Nichts kommt, sondern zu Lasten der Wirtschaft im Übrigen,
insbesondere zu Lasten der Kreditnehmer geht.
Auch wenn sich das Geld in der Kasse befindet und nur
“bereitgehalten”
wird, trägt die Volkswirtschaft Nachteile(9): Das Geld in der Kasse
repräsentiert eine Leistung, die in die Volkswirtschaft eingegeben
wurde,
und wenn es in der Kasse zurückgehalten wird, dann bleibt die
Volkswirtschaft auf einem Teil dessen sitzen, was andere in sie an
Leistung eingegeben haben. Wenn also jemand “Kasse hält”, dann hat
das
volkswirtschaftliche Folgen:
- Einerseits bürdet er der Volkswirtschaft das Risiko der
Ungewissheit
über den Abruf der Leistung auf.
- Andererseits trägt die Volkswirtschaft Bereithaltekosten; denn
alle,
die Leistung in sie einschießen, gehen davon aus, dass man diese
Leistungen einander auch abnimmt und kein “Spielverderber” die
anderen
im Stich lässt, also keiner seinen Doppeltausch nach der ersten Runde
abbricht, indem er plötzlich Geld zurückhält und eine Nachfragelücke
reißt.
So stellen Zinsen zwar sehr wohl eine exakte Gegenleistung dar – auch
ein Einkommen, das nach den Spielregeln der Geldwirtschaft durchaus
legal erworben wird – ,aber rechtsethisch ist dieses Einkommen nicht
legitimierbar, sondern nur kritisierbar, nämlich insofern, als die
Vorteile,
die mit Zins honoriert werden, als solche nicht nur unverdient sind,
sondern sogar zu Lasten der Volkswirtschaft im Übrigen gehen.
b.) Stellt aber der Verleiher nicht dem Entleiher mit der Liquidität
ein
produktives Wirtschaftsgut zur Verfügung, mit dem dieser Profite
erwirtschaften kann, so dass es auch recht und billig ist, wenn der
Verleiher in Form von Zinsen an dem Profit teilnimmt? Ist nicht Geld
Kapital oder wenigstens verwandelbar in Realkapital, so dass es
seinen
Zins verdient wie Realkapital seine Rendite?
Der prominenteste Politökonom, der auf die scheinbare Plausibilität
dieses Einwandes im großen Stile hereingefallen ist und der diesem
entscheidenden Irrtum die Fehlkonstruktion seines grandiosen
Revolutionsrezeptes verdankt, ist Karl Marx. Wer wie Marx von der
Produktivität der Realkapitalien auf die Erhebbarkeit von Zins beim
Geld schließt, befindet sich also durchaus in bemerkenswerter
Gesellschaft. Nur hat er die Entwicklung der Ökonomie seit Marx,
insbesondere die Forschungen von Irving Fischer und John Maynard
Keynes verschlafen. Es muss hier genügen, wenn ich - ohne auf
portfolio-theoretische Nuancierungen einzugehen – an die Erkenntnis
erinnere, dass nicht etwa das Geld einen Zins abwirft, weil
Realkapital
rentierlich ist, sondern dass vielmehr Realkapital nur gebildet wird,
wenn und soweit es die Konkurrenz mit dem Zins des Geldes besteht.
c.) Ermöglicht aber nicht der Verleiher dem Entleiher, dass dieser
sich
schon heute auf Kredit Konsum- und Investitionsgüter besorgen kann,
die er erst übermorgen bezahlen muss? Rechtfertigt diese Vorverlegung
von Nachfrage nicht den Zins als Entgelt für den Verzicht des Verleihers,
der seine Nachfrage so lange zurückstellt?
Auch dieser Versuch, den Zins zu rechtfertigen, ist längst widerlegt und
ironisch zerpflückt worden. Zunächst kann man mit gleichem Recht
fragen: Ermöglicht nicht der Entleiher dem Verleiher, dass dieser das
Geld, das er heute übrig hat, nicht schon heute ausgeben muss,
sondern
später, im Alter, wenn er Bedarf aber kein Einkommen mehr hat? Und
rechtfertigt die Aufbewahrung von Kaufkraft über so lange zeit hinweg
nicht einen Zins, den der Verleiher dem Entleiher zu entrichten
hätte?
Gleicht nicht wenigstens der Nutzen, den der Entleiher aus der
Vorverlegung seiner Nachfrage zieht den Nutzen aus, den der Verleiher
aus dem Aufschub hat?
Warum soll sich das Geld mit seinem Zinsstandard einmischen, wenn
zwei miteinander verhandeln, von denen der eine Nachfrage vorverlegen
und der andere Nachfrage aufschieben will? Immerhin würde, wer heute
Leistungen in die Volkswirtschaft eingibt und dafür Geld erhält, ohne
es
auszugeben, eine Nachfragelücke in die volkswirtschaftliche
Zirkulation
reißen, so dass es im Interesse der Volkswirtschaft ist, wenn ein
anderer
heute für ihn in die Lücke einspringt und später dafür eine Lücke
wieder
freigibt, wenn der andere seine Nachfrage gelten machen will. Auch
steht
sich der Verleiher, dem seine ersparte Kaufkraft kostenlos aufgehoben
wird, immer noch besser als in einer Naturalwirtschaft, in der es für
ihn
sehr kostspielig und z. T. unmöglich wäre, heute schon Fleisch, Milch
und
Korn anzuhäufen und einzulagern, um im Alter davon zu zehren. Wir sind
in dieser Hinsicht sehr verwöhnt durch die Möglichkeiten, die mit der
Einführung eines Geldes und den damit verbundenen
Verrechnungsmöglichkeiten auftauchen. Wir sind so sehr verwöhnt, dass
wir glauben, beim “Speichern” von Kaufkraft in Geldschulden einen
Anspruch darauf zu haben, mehr zurückzuerhalten, als wir gespart
haben
- statt dass wir froh darüber sind, weder Lagerkosten zahlen noch
Abschreibungen wegen Alterung und Verrottung abbuchen zu müssen.
(9) Ordnungspolitische Kritik schon bei Suhr, D., oben Anm. 3. S
114.
Fortsetzung folgt
LG Winnie
- [AG-GOuFP] Gerechtes Geld? Teil 2, Winrich Prenk, 03.10.2015
- Re: [AG-GOuFP] Gerechtes Geld? Teil 2, Arne Pfeilsticker, 04.10.2015
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