Zum Inhalt springen.
Sympa Menü

ag-geldordnung-und-finanzpolitik - Re: [AG-GOuFP] Nachtrag zu Mittwoch 25.2 - Vollgeldkritik

ag-geldordnung-und-finanzpolitik AT lists.piratenpartei.de

Betreff: Kommunikationsmedium der bundesweiten AG Geldordnung und Finanzpolitik

Listenarchiv

Re: [AG-GOuFP] Nachtrag zu Mittwoch 25.2 - Vollgeldkritik


Chronologisch Thread 
  • From: Rudolf Müller <muellerrudolf AT on22.de>
  • To: Jürgen <jack_r AT arcor.de>, ag-geldordnung-und-finanzpolitik AT lists.piratenpartei.de
  • Subject: Re: [AG-GOuFP] Nachtrag zu Mittwoch 25.2 - Vollgeldkritik
  • Date: Sat, 28 Feb 2015 09:20:50 +0100
  • List-archive: <https://service.piratenpartei.de/pipermail/ag-geldordnung-und-finanzpolitik>
  • List-id: Kommunikationsmedium der bundesweiten AG Geldordnung und Finanzpolitik <ag-geldordnung-und-finanzpolitik.lists.piratenpartei.de>

Hallo Jürgen,

zum Dauerbrenner "Giralgeldschöpfung" hatte ich versucht, einige belastbare Zahlen zu finden. Bei der Österreichischen Nationalbank (OeNB) bin ich dann fündig geworden.
http://www.um-bruch.net/uforum/index.php?topic=250.msg1727#msg1727
Fazit:
Wird ein Neukredit erteilt, so trägt dieser nur mit 6 % zu einer Erhöhung des Kreditbestandes in der VoWi bei. Auch eine Untersuchung bei der BuBa ergab einen ähnlichen Wert (5,7%). Dies betrifft jedoch nur die Geldschöpfung aufgrund einer Krediterteilung. Bei einem Ankauf von Aktiva durch eine Bank entsteht ja ebenfalls Buchgeld, welches in den Zahlen der OeNB nicht enthalten sein kann.

Beste Grüße
Rudi


Am 27.02.2015 um 23:52 schrieb Jürgen:
Moin,

In Folge des Grillabends zur Vollgeldkritik hatten gab es noch eine
Diskussion insbesondere zu These 4 Geldschöpfungsgewinn bzw. Arnes
Kontraposition.
Die Diskussion ging vor allem um Arnes Definition von *Geldschöpfungsgewinn*
vor allem der Passus *Höhe des Nominalwertes abzüglich der Herstellungskosten
*
wurde/wird von mir so pauschal als falsch erachtet. Allerdings hat sich in
der Diskussion ergeben, dass sie m.E. eher auf einer unvollständigen
Betrachtung beruht, da tatsächlich sowohl ein *mittelbarer* als auch ein
*unmittelbarer* Gewinn existiert. Dies ist im folgenden nach ein paar
Definitionen
ausgeführt:

i) Definitionen
Sei FIAT eine Bezeichnung für eine Bank/ein System, das Geldschöpfung durch
Banken erlaubt (->Mindestreserve-System/fractional reserve).

Sei VOLL eine Bezeichnung für eine Bank/ein System, das keine Geldschöpfung
durch Banken erlaubt (->Vollgeld, full reserve)

Sei Brutto-Geldschöpfung die Summe alles z.B. über Kredite erschaffenen Geldes
durch eine Bank bzw. der gesamten Finanzwirtschaft innerhalb eines bestimmten
Zeitraums (z.B. ein Jahr).

Sei Netto-Geldschöpfung die Summe des insbesondere über Kredite geschöpften
Gelds abzüglich des (durch Rückzahlung) wieder zerstörten Geldes durch eine
Bank bzw. der gesamten Finanzwirtschaft innerhalb eines bestimmten
Zeitraums (z.B. ein Jahr).

ii) *mittelbarer Geldschöpfungsgewinn*
In Folge der Geldschöpfung kann eine FIAT-Bank ihre Bilanz um einen Faktor
(=Hebel) ausdehnen also mehr Kredit vergeben als direkt durch Eigenkapital
oder Einlagen gesichert ist. In der *klassischen* Beschreibung des
FIAT-Systems wird der Hebel über die Mindestreserve durch die jeweilige
Zentralbank festgelegt. In der Podiumsdiskussion wurde hingewiesen, das die
Bundesbank und der Artikel 'Money creation in the modern economy' diese
Erklärung als veraltet ansehen. Allerdings sagt der Artikel nur, dass der
Hebel real nicht direkt durch die Zentralbank festgelegt werde. In der
Praxis hingegen werde die Geldschöpfung und damit einhergehende
Bilanzverlängerung
insbesondere durch die Kreditnachfrage, die Risikovorsorge und die
Zinssatzvorgaben der Zentralbank begrenzt. Somit lege die Zentralbank den
Hebel nicht direkt fest (Mindestreserve) sondern habe nur indirekt Einfluss
(Zinssätze). Damit bleibt aber der Effekt der Bilanzverlängerung durch einen
Hebel H und damit ein erhöhtes Gesamtvolumen unverändert gültig.
Somit kann eine FIAT-Bank - entsprechende Kreditnachfrage vorausgesetzt -
bei H=10 das 10fache Kreditvolumen ausgeben wie ein VOLL-Bank und
entsprechend bei gleichem Zinssatz auch einen 10fach höheren Zinsertrag
erwirtschaften. Da dieser erhöhte Ertrag auch nach der Bilanzverkürzung z.B.
durch Rückzahlung der vergebenen Kredite bestehen bleibt, ergibt sich für
die FIAT-Bank ein erheblicher Mehrgewinn im Verleich zur VOLL-Bank.
Diese höheren Erlöse sind an die Möglichkeit der (vorübergehenden)
Bilanzverlängerung also der Geldschöpfung gebunden und stellen somit einen
*mittelbaren Geldschöpfungsgewinn* dar.

ii) *unmittelbarer Geldschöpfungsgewinn*
In der Situation für (i) wird davon ausgegangen, dass jeder
Bilanzverlängerung auch eine Bilanzverkürzung folgt (Kredit-Rückzahlung).
In diesem Fall ist die Netto-Geldschöpfung Null, da alles einst geschöpfte
Geld (->Brutto-Geldschöpfung) wieder vernichtet ist. Allerdings gibt es
praktisch eine kontinuierliche Ausdehnung der Geldmenge, die nach
*klassischer Inflationstheorie* auch notwendig ist, um das Verhältnis
Warenmenge/Dienstleistungsmenge zu Geld und somit die Preise stabil zu halten.
Wenn jetzt aber alles Geld geschöpft wird, bedeutet dies auch, dass die
Bilanzverkürzung nur für einen Teil des geschöpften Gelds stattfindet. Somit
ist real die Netto-Geldschöpfung größer Null. Dies ist der *unmittelbare
Geldschöpfungsgewinn*, der tatsächlich zum Nominalwert abzüglich
Herstellungskosten anfällt(da sind dann aber die Verwaltungskosten mit zu
berücksichtigen). Aber eben nur auf einem Bruchteil des insgesamt
geschöpften Gelds.

iii) zu Kontra 4
Ja, es gibt ein Geldschöpfungsgewinn im FIAT-System, aber Arne erweckt m.E.
den
Eindruck der Brutto-Geldschöpfungsgewinn sei die Basis, da er in seiner
Argumentation die zwar die Schöpfung also Bilanzverlängerung aber nicht die
Verkürzung beschreibt. Durch die Ausdehnung der Geldmenge gibt es allerdings
einen Netto-Geldschöpfungsgewinn, bei dem tatsächlich der Nominalwert als
Gewinn verbleibt (wenigstens teilweise bei den FIAT-Banken). Zu diesem
unmittelbaren Geldschöpfungsgewinn kommt noch der mittelbare
Geldschöpfungsgewinn,
(siehe i), den Arne in seinem Text nicht berücksichtigt.
Ob diese Gewinne legitim sind oder nicht, ist eine andere Sache. Aber die
Existenz genügt, um FIAT-Banken einen massiven Wettbewerbsvorteil gegenüber
VOLL-Banken zu verschaffen. Schliesslich können sie ihren Schöpfungsgewinn
(oder Anteil daran) nutzen, um ihren Anlegern höhere Zinsen zu zahlen und
ihren Kreditnehmern günstigere Konditionen einzuräumen. Somit sind für
Kredit-Nehmer und Geber FIAT-Banken attraktivere Partner, d.h. VOLL-Banken
werden vom Markt verdrängt, es sei denn der freie Kaptialverkehr wird
entsprechend eingeschränkt. Also z.B. ein Anleger wird durch
Kaptialvorschriften gezwungen sein Geld im VOLL-System anzulegen bzw. ein
Kreditnehmer im VOLL-System darf keine Kredite im FIAT-System nehmen. Damit
ergibt sich aber sehr wahrscheinlich ein Wettbewerbsnachteil der gesamten
Wirtschaft im VOLL-System gegenüber der im FIAT-System (höhere Kaptialkosten
+ Beschränkung des Kapitalverkehrs).
Das Problem entfällt natürchlich, wenn weltweit ein VOLL-System eingeführt
werden würde (oder wenigstens in allen Volkswirtschaften von relevanter
Größe).

bye
Jürgen







Archiv bereitgestellt durch MHonArc 2.6.19.

Seitenanfang