ag-geldordnung-und-finanzpolitik AT lists.piratenpartei.de
Betreff: Kommunikationsmedium der bundesweiten AG Geldordnung und Finanzpolitik
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- Subject: [AG-GOuFP] Zentralbank und Demokratie
- Date: Sun, 9 Mar 2014 13:11:14 +0000 (GMT)
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- List-id: Kommunikationsmedium der bundesweiten AG Geldordnung und Finanzpolitik <ag-geldordnung-und-finanzpolitik.lists.piratenpartei.de>
Patrick Pekrul schrieb
Zitat: "Die Konsequenzen wären weitreichender; selbst wenn das EU-Parlament mehr
Biss hätte, hätte es im jetzigen "Set up" der EZB genau gar nichts zu
melden.
Es handelt sich bei der EZB um eine supranationale Institution, und es war (oder ist) strittig, ob sie als solche überhaupt einer Gerichtsbarkeit unterliegt - DAS muss man sich mal geben!
Was es braucht, ist eine europäische Verfassung, oder zumindest ein neues Vertragswerk, dass die EZB den demokratischen Institutionen unterordnet.
Das bedeutet aber einen Paradigmenwechsel, und für den müssen sich die Piraten einsetzen; das geht viel tiefer als "Banken in die Schranken" - das ist nur der allererste Schritt auf einer sehr langen Reise."
Es handelt sich bei der EZB um eine supranationale Institution, und es war (oder ist) strittig, ob sie als solche überhaupt einer Gerichtsbarkeit unterliegt - DAS muss man sich mal geben!
Was es braucht, ist eine europäische Verfassung, oder zumindest ein neues Vertragswerk, dass die EZB den demokratischen Institutionen unterordnet.
Das bedeutet aber einen Paradigmenwechsel, und für den müssen sich die Piraten einsetzen; das geht viel tiefer als "Banken in die Schranken" - das ist nur der allererste Schritt auf einer sehr langen Reise."
Ausgangspunkt:
Auch ich sehe in der Frage der demokratischen Einbettung der Zentralbank schon seit längerer Zeit eine entscheidende Frage. Dieser müssen wir uns stellen. Im jetzigen "Set Up" (da übernehme ich gerne Patricks Begriff) herrscht eine Finanzdominanz vor. Die
EZB ist zum Erfüllungsgehilfen des Global Finance Capital geworden.
Zentralbanken als DeFacto Weltregierung:
Nicht alleine, aber in der Zusammenarbeit mit FED, BoE, BoJ, SNB, BoC bildet die EZB eine de facto Macht (Regierung) über das weltweite Währungs(Geld)system aus.
Ganz deutlich wird das in der Zusammenarbeit dieser Institutionen seit Ausbruch der Finanzkrise 2007.Nur aufgrund eines in Jahren aufgebauten Vertrauensverhältnisses (alle 2 Monate trifft man sich in der BIZ/Basel) zwischen den führenden Notenbankern (und gemeinsamen Sicht auf die Probleme) konnte unter Führung des FED gemeinsam gehandelt werden.
Durch die Vernetzung der Kapitalmärkte musste die Krise durch "Swap- Absprachen" gemanagt werden. Diese beruhen jedoch auf dem geg.Vertrauen der Notenbanker, das man seine verliehenen Gelder wieder zurückbekommt.
Das war das eigentlich neue (in den 70iger und schon gar nicht in den 30iger war eine solche Zusammenarbeit undenkbar) in der Krisebekämpfung. Diese Dollar Swap Geschäfte sind nahezu unbeachtet
geblieben, obwohl sie entscheidend zur Aufrechterhaltung des Gesamtsystems beitrugen.
(Nur im AIG Fall konnte das FED eine Veröffentlichung der Hilfsmaßnahmen an die internationalen Großbanken nicht verhindern. Das waren aber keine Swap sondern Rettungsgelder aufgrund von CDS Ausfällen).
Das FED hat in der Krise als Lender of Last Ressort (zumindest in der westlichen OECD Welt)
gehandelt. Dadurch stand Sie in den USA immer innenpolitisch unter Druck. Weil die beiden Funktionen (einmal als Notenbank für die USA und das andere mal als Notenbank der OECD-Welt zu agieren Wiedersprüche hervorruft).
Gleichzeitig hat sie (FED) alle bisher geltenden Grundsätze (Tabu´s) der Geldpolitik über Bord geworfen (Paul Volcker) und in einem bisher einmaligen Ausmass Finanzinstituitonen mit Liquidität versorgt, die gar nicht ihrer geldpolitischen Aufsicht unterstanden.
Investmentbanken, Geldmarktfonds, Auto/konsumkedite, etc.. Oft über indirekte Wege und von der Öffentlichkeit verborgen wurde jeder rausgehauen.Es gab kein Solvenzproblem sondern immer nur ein Liquiditätsproblem. Es galt unter allen Umständen eine deflationäre Abwärtsspirale zu verhindern.
Die Krise wurde mit einer Brandmauer von Geld(Liquiditätsflut) eingedämmt.
Zentralbanken und die Demokratie
In den letzten Jahrzehnten ist die Unabhängigkeit der Notenbanken von demokratischen Regierungen zu einer neuen Ideologie (Dogma) geworden.
Die BoE hat als eine der letzten 1999 ihre volle Unabhängigkeit von der Regierung Blairs erhalten (unter Aufgabe der Bankenaufsicht). In der Geldtheorie hatte sich entgültig die Lehre von einer unabhängigen Geldpolitik, ausgerichtet an einfachen geldpolitischen Regeln durchgesetzt. Fähige Technokraten sollten ungestört von Politikern (die sich wiederwählen lassen müssen) für eine stabile Geldpolitik sorgen.
Das Bsp des FED:
1913-1935 (Aufgabe: Finanzstabilität)
1935-1951 (dem Finanzminister
unterstellt, Folge: Fiskaldominanz)
1951-1978 (formell unabhängig, weiterhin Fiskaldominanz)
1978 (Aufgabe: Preisstabilität und geringe Arbeitslosigkeit)
1979 (monetaristische Wende in der
Geldpolitik, Staat gibt Hoheit über. Geldschöpfung an Finanzmärkte ab. Staasanleihen werden handelbar)
1980-2007 (zunehmende Finanzdominanz, Monetarismus (Geldmengensteuerung) wird, schon von Greespan
aufgegeben. Taylor Regel und Greespan Put.
2008-heute (Zusammenarbeit mit Regierung, TARF, QE 1-4, Finanzstabilität wird. wichtiger, Forwar Guidance, Tapering und erneute Infragestelltung der,
Unabhängigkeit).
EZB:
hat seit ihrer Gründung nur ein Mandat: Sicherung der Preisstabilität. (Kann nur einstimmig im europäischen Rat geändert werden.
Hat zahlreiche Regierungen in Europa unter Druck gesetzt und war teilweise direkt für Rücktritte und Abwahlen von Regierungen verantwortlich.BoJ:
seit Abe´s Wahlsieg (2/3 Mehrheit) der Regierung/Finanzministeriums unterstellt.
BoE:
Hat öffentlich sich für expansive Geldpolitik und restriktive Haushaltspolitik(Austerity) ausgesprochen und damit der Labour Regierung geschadet. Marvin King hat sich de facto vor den Wahlen für die Konservative Partei (Cameron) ausgesprochen. politische Einflussnahme, gedeckt durch das Versprechen bei konjunkturellen Problemen(durch Austerity verursacht) mit expaniver Geldpolitik zu helfen.
Diese Auflistung zeigt deutlich, das Zentralbanken nicht in einem luftleeren politischen Raum agieren. Sondern ein (wenn nicht der) zentrale Spieler in dem institutionellem Gefüge einer Demokratie ist.
Die Zentralbanken haben die Kontrolle über die Geldmenge verloren und
wir sind seit 2008 in eine neue Phase des Geldsystems eingetreten (?)
Durch die globalisierten und deregulierten Kapitalmärkte haben die privaten Finanzinstitutionen eine Finanzdominanz auf das
Währungssystem(Zentralbankensystem) entwickelt. Dadurch wurden die Zentralbanken weithehend entmachtet (in der Boomphase). In der Krise jedoch waren Sie die einzigen Akteure die handlungsfähig waren(Interbankenmarkt war tot).
In der jetzigen Phase stellt sich die Frage, was die vordringliche Aufgabe der Politik in den westlichen Demokratien sein soll um die Folgen der Krise zu bewältigen. Und was eine Zentralbank aus der Sicht eines demokratischen Staates dazu unterstützend tun sollte.
offene Fragen
lg
matthias
Durch die Nullzinsgrenze
- [AG-GOuFP] Zentralbank und Demokratie, matthias garscha, 09.03.2014
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