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Betreff: Kommunikationsmedium der bundesweiten AG Geldordnung und Finanzpolitik
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- From: Georg Cosmic Nägle <cosmic AT poetryclub.de>
- To: ag-geldordnung-und-finanzpolitik AT lists.piratenpartei.de
- Subject: [AG-GOuFP] ESM Interview fertig !?
- Date: Thu, 22 Mar 2012 14:14:56 +0100
- List-archive: <https://service.piratenpartei.de/pipermail/ag-geldordnung-und-finanzpolitik>
- List-id: Kommunikationsmedium der bundesweiten AG Geldordnung und Finanzpolitik <ag-geldordnung-und-finanzpolitik.lists.piratenpartei.de>
Hallo Leute, ich hab das ESM Interview überarbeitet und bitte um Sichtung.
Wenn es keine größeren Veränderungswünsche gibt, oder wenn Änderungen
eingearbeitet sind, könnte man es ochmal der Pressestelle zur Begutachtung
schicken (Keox)?
Wenn die dann grünes Licht geben, schicken wir es weiter an die Redaktion...!?
Bitte um ein Meinungsbild, kann man das in etwa so rauslassen?
Im Pad hab ich die vorläufige Endversion ganz oben reinkopiert.
Für alle nicht Padianer folgt der aktuelle Text hier:
Interview Daniel Worofka (Koordinator der AG – Geldordnung der Piratenpartei)
1. Der ESM Vertrag wiederspricht der AG-Geldordnung (AGG) zufolge den
Grundsätzen einer demokratischen Staatsordnung. In welcher Hinsicht?
Eine demokratische Staatsordnung setzt grundsaetzlich die Freiheit
egalitaer-partizipativer Willens-Bekundungen / Plebeszite des Souveraens bzw.
der repraesentativen Mandats-Traeger unter Ausschluss der Bevormundung durch
hierarchisch übergestülpte Entscheidungs-Gremien voraus. Eine positivistische
(demokratie-tragende) Willens-Bekundung hinsichtlich der im European
Stability Mechanism zu tragenden Staats-Ausgaben, deren vernunft-basierte
Restriktion im Interesse der konstituierten Regierungen und somit des
souveraenen Volkes zu sehen ist, wird durch die Bestimmungen des ESM Vertrags
unter bestimmten Voraussetzungen nicht ausgeübt bzw. kann sich über eine
wahrscheinlich notwendige (parlamentarisch entstandene), nationale
Regierungs-Entscheidung hinweggesetzt werden - und das im Falle einer
Ratifizierung des ESM durch den Bundestag auch rechtlich legitim.
So sieht der ESM Vertrag eine das Parlament übergehende Entscheidungsfindung
vor, bei 'dringlichen' Entscheidungen. Ein intransparent agierendes
Sonder-Gremium (bestehend aus der 'Frankfurter Runde', einem informellen
'Küchenkabinett' aus neun Spitzen-Entscheidern) wird bei 'vertraulich' zu
bewerkstelligenden Entscheidungen inthronisiert. Damit ist dem ESM-Vollzug
durch Entzug der Entscheidungs-Gewalt des Bundestages / der Legislative und
gleichzeitiger Ermächtigung eines Sonder-Gremiums in der Lage die
Nicht-Beistands-Klausel, die in der fundamentalen Regelung der Europäischen
Wirtschafts- und Währungsunion (EWWU), Art. 125 AEU-Vertrag festgelegt ist,
als ein ineffektives Relikt des Europäischen Vertrags-Werkes zu relativieren.
2. Bundespräsident Joachim Gauck soll seine Unterschrift auf den ESM-Vertrag
verweigern, fordert die AGG. Trauen sie Gauck zu sich bei einer so
schwerwiegenden Entscheidung quer zu stellen und wie könnte man ihn davon
überzeugen?
Einen Versuch ist es wert, zumal der ESM gerade im Hinblick auf "Freiheit und
Verantortung" mit Sicherheit diskussionswürdig ist. Herr Gauck bezeichnet
sich selbst auch gerne als Demokratielehrer. Der ESM könnte zu seinem
Lehrplan gehören, als aktuelles Beispiel zum Thema: "Gefahren für die
Demokratie".
3. Das Bundesverfassungsgericht hat entschieden, dass der Einsatz eines
9er-Gremiums des Haushalsausschusses für Entscheidungen über Auszahlungen an
den ESM EFSF (oder ist mir da was entgangen?) unzulässig ist. Aber nur, wenn
der Einsatz mit Eilbedürftigkeit begründete wird. Wenn Geheimhaltung
erforderlich sei, wird das Gremium weiterhin eingesetzt. Wie bewerten Sie
dies?
Wenn das so ist, würde es in der gängingen Praxis sicherlich dazu führen, daß
ein immunes Gremium entscheidet, ohne Bundestag, oder irgendeine andere
Kontrollinstanz. Höhere Ebenen von Politik und Verwaltung werden scheinen
sich mit dem ESM eine neue Lizenz zum Geldrucken zu beschaffen. Am Kern der
zunehmenden Verschuldungsproblematik ändert sich dabei nichts.
4. In einer Presseerklärung der AG-Geldordnung schreiben sie, der ESM habe in
seiner jetzigen Form das Potential, die Krise in Europa zu verschärfen. Wie
könnte ein solches Szenario ablaufen?
Weder in den zahlenden noch in den empfangenden Ländern wird die Bevölkerung
von diesen Vorgängen profitieren, im Gegenteil. Wir sehen, wie bereits die
Maßnahmen in Griechenland zu tiefen sozialen Spaltungen binnen kürzester Zeit
führen. Alte Ressentiments der Länder können sich bei einer weiteren
Zuspitzung der sozialen Verhältnisse in Europa aufschaukeln. Der ESM schröpft
die Bürger der starken und der armen Länder zu Gunsten der institutionellen
Geldanleger. Ohne wirkliche Aufklärung und Transparenz im bestehenden
Geldsystem, kommen wir auf Dauer nicht weiter. Man darf aber auch die
Handelsbilanzen der Länder untereinander nicht ausser acht lassen. Wenn man
so will hat Deutschland gegenüber den Defizitländern einen Exportüberschuss,
den es über die ausgleichende Wirkung des ESM bezahlt. Bei all dieser
ausgleichenden Gerechtigkeit hat aber der Bürger wieder am Wenigsten davon.
Die Profite haben andere gemacht, die Rechnung zahlt der Bürger. Was Europa
bräuchte, wäre eine ehrliche, offene und schonungslose Debatte über die
Probleme der bestehenden Geldordnung und möglichen Lösungen. Daran arbeiten
wir.
5. Welche Folgen würde dies für die europäischen Bürgerinnen und Bürger haben?
Die positive Folge sind zunächst die Erhaltung der Geldvermögen, die den
Schulden gegenüberstehen. Die Geldvermögen sind der Hauptbestandteil der
allgemein geförderten privaten Altersvorsorgen.
Es muss grundsätzlich die private Altersvorsorge hinterfragt werden. Da
Geldvermögen (Sparen) als Gegenpart Schulden sind, muss man bei einem Aufruf
für mehr Sparen oder gar einer gesetzlichen Verankerung zum Aufbau von
privaten Altersvorsorgen auch das mehr an Schulden akzeptieren.
Der ESM sorgt nur für eine breiter Verteilung der Schulden, die wiederum die
Geldvermögen sind. Damit ist zunächstmal Zeit gewonnen, aber eine Lösung auf
Dauer kann es eben nicht sein, dazu müsste man tiefgreifendere Reformen
anstossen und zu einem Paradigmenwechsel bereit sein.
Die Gefahr besteht, daß auf Grund eine fehlerhaften Systems drastische
Maßnahmen ergriffen werden, um das System so lange wie möglich zu stützen.
Europa könnte so zu einer Tyrannei mutieren, in der eine praktisch
zentralisierte Regierung die europäische Einigung mit harter Hand erzwingen
will. Das kann leicht ins Gegenteil überschlagen und nationalistischen
Tendenzen und radikalen Kräften in Europa Auftrieb verleihen. Gerade die
führende Rolle Deutschlands in der ESM-Konstruktion sollte uns dabei zu
denken geben.
6. Die AGG beschäftigt sich intensiv mit Möglichen Reformen des Geldsystems.
Wo hat unser Geldsystem schwächen und wie können diese Behoben werden?
In unserer AG arbeiten unterschiedliche Leute. Wir sind in einer Analysephase
und haben verschiedene Kernthemen, bzw. maßgebliche Schwächen des Systems
ausgemacht. So vertreten einige die Ansicht, daß langfristiges Sparen
dauerhaftes Verschulden zur Folge hat und deshalb auch eine Diskussion um die
bestehende Regelung der Altervorsorge aufwirft. Andere beschäftigen sich mit
den Auswirkungen des Zinses im Geldsystem, mit Komplementärwhrungsystemen
oder mit der Geldschöpfung und Geldmengensteuerung. Konkreter wird das Thema
Geldschöpfung in öffentliche Hand diskutiert. Im Rahmen einer
Veranstaltungsreihe wird die Vollgeld-Reform im Berliner Abgeordnetenhaus
vorgestellt.
Die größte Schwäche die wir beheben wollen, ist die mangelnde
Diskussionsbereitschaft bei diesem Thema. Das Geld beherrscht uns und wir
nicht das Geld. Deshalb brauchen wir einen breit angelegten öffentlichen und
politischen Dialog.
7. Viele Anregungen für die AGG stammen von dem Soziologen Joseph Huber.
Dieser setzt sich dafür ein, Geldschöpfung durch Banken zu unterbinden. Wie
läuft eine solche Geldschöpfung ab und mit welchen Folgen.
Die Arbeit von Joseph Huber stellt zunächst mal eine sehr vollständige und
klare Ist-Analyse des bestehenden Geldsystems dar. Bevor wir über Lösungen
sprechen, wollen wir erstmal verstehen, wie das System wirklich funktioniert.
Einige unserer AG Mitglieder engagieren sich zudem für eine Vollgeldreform,
die nicht nur von Professor Huber sondern in zunehmenden Maße auch von
international renommierten Ökonomen, wie Prof. Werner und Prof. Binswanger
vertreten wird und auch in anderen Ländern wie England und der Schweiz
zunehmend Befürworter findet. In Deutschland wurde dies als weitere Säule in
der Gewaltenteilung eines modernen Staates thematisiert, Prof. Bernd Senf
erfand dafür den Begriff Monetative. Aus dem thinktank ging nun ein
Förderverein hervor:
Die Kernforderungen der Monetative sind
1. die Wiederherstellung des staatlichen Vorrechts der Geldschöpfung
2. die Beendigung jeglicher Bankengeldschöpfung
3. die schuldenfreie Inumlaufbringung neu geschöpften Geldes durch
öffentliche Ausgaben.
Eine positive Folge wäre der Abbau der Staatsverschuldung, sowie eine
Stablisierung des Geldsystems durch eine vernünftige Geldmengensteuerung.
Die Vollgeldreform ist einer der möglichen Reformschritte und erscheint
vielen in der Arbeitsgruppe als gangbarer Weg, sowohl vor als auch nach dem
Reset durch eine Wahrungsreform.
8. Wie ist Ihre Position zu Staatlicher Geldschöpfung.
Zur Zeit überwiegt diese Meinung: Die staatliche Geldschöpfung ist ein Muss.
Der Staat soll und muss eine Geldmenge zum Wirtschaften zur Verfügung
stellen. Allerdings mus der Staat auch dafür sorgen, das die von ihm
bereitgestellte Geldmenge permanent als Geld erhalten bleibt und nicht
dauerhaft entzogen werden kann.
Eine Liberalisierung des Währungsmonopols kann dabei eine weitere Säule in
der Entwicklung unserer Geldsysteme sein. Diese Möglichkeiten behandeln wir
unter dem Sammelbegriff "Komplementärwährungen".
Díe AG untersucht auch die Geldschöpfung durch das Prinzip des Werdens und
Vergehens, wie es im heutigen System vorliegt. Auf diese Weise könnte sich
die Geldmenge nach Bedarf selbst regulieren.
Wir wünschen uns in jedem Falle für die Geldordnung einen ordnungspolitischen
Rahmen, der sowohl dem Staat als auch seinen Bürgern ein selbstbestimmtes
Handeln gewährleistet.
9. Bei der AGG handelt es sich nur um einen Teil der Piratenpartei. Wie viel
Zuspruch bekommt sie vom Rest der Partei?
Das ist schwer zu sagen. Beim letzten BPT wurden zwei ESM Anträge
eingereicht, wobei einer durchging, der das undemokratische Zustandekommen
des ESM kritisiert. Ein weiterführender detaillierter Antrag wurde jedoch
abgelehnt. Wie die Stimmung in der Partei heute ist, würden wir gerne selbst
wissen. Die Stimmung in unserer AG jedenfalls ist gut, wir arbeiten so
schnell wir eben können und werden versuchen vor allem auch die Basis für
unsere Themen zu sensibilisieren. "Das Geldsystem ist das Problem Nr.1 in der
Welt, alles dreht sich doch um Geld..."
- [AG-GOuFP] ESM Interview fertig !?, Georg Cosmic Nägle, 22.03.2012
- Re: [AG-GOuFP] ESM Interview fertig !?, Rudi, 22.03.2012
- Re: [AG-GOuFP] ESM Interview fertig !?, Rolf Müller, 22.03.2012
- Re: [AG-GOuFP] ESM Interview fertig !?, Rudi, 22.03.2012
- Re: [AG-GOuFP] ESM Interview fertig !?, Stephan Schwarz, 22.03.2012
- Re: [AG-GOuFP] ESM Interview fertig !?, Rudi, 22.03.2012
- Re: [AG-GOuFP] ESM Interview fertig !?, Stephan Schwarz, 22.03.2012
- Re: [AG-GOuFP] ESM Interview fertig !?, Rudi, 22.03.2012
- Re: [AG-GOuFP] ESM Interview fertig !?, Rolf Müller, 22.03.2012
- Re: [AG-GOuFP] ESM Interview fertig !?, Keox aka Daniel Worofka, 22.03.2012
- Re: [AG-GOuFP] ESM Interview fertig !?, CU_Mayer, 22.03.2012
- Re: [AG-GOuFP] ESM Interview fertig !?, Piratos, 23.03.2012
- Re: [AG-GOuFP] ESM Interview fertig !?, Monika Herz, 23.03.2012
- Re: [AG-GOuFP] ESM Interview sollte jetzt fast fertig sein, Keox aka Daniel Worofka, 23.03.2012
- Re: [AG-GOuFP] ESM Interview fertig !?, Monika Herz, 23.03.2012
- Re: [AG-GOuFP] ESM Interview fertig !?, Rudi, 22.03.2012
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