ag-geldordnung-und-finanzpolitik AT lists.piratenpartei.de
Betreff: Kommunikationsmedium der bundesweiten AG Geldordnung und Finanzpolitik
Listenarchiv
- From: andreas.schouten AT leben-in-hanau.de
- To: ag-geldordnung-und-finanzpolitik AT lists.piratenpartei.de
- Cc:
- Subject: Re: [AG-GOuFP] [MKK] - Finanzmärkte und die Wirtsch =?ISO-8859-1?Q?aft?=
- Date: Mon, 6 Feb 2012 09:45:42 +0100 (CET)
- Importance: Normal
- List-archive: <https://service.piratenpartei.de/pipermail/ag-geldordnung-und-finanzpolitik>
- List-id: Kommunikationsmedium der bundesweiten AG Geldordnung und Finanzpolitik <ag-geldordnung-und-finanzpolitik.lists.piratenpartei.de>
Ahoi!
ich denke ich habe nun verstanden, wo der Denkfehler oder unser
Missverständnis liegt.
Wenn ich über Kredit rede denke ich an einen in Anspruch genommenen
Kredit.
Nicolai beschreibt nur die Bereitstellung eines Kredits.
Die Betrachtungen zu Nadjas neuer Bank sind soweit nicht falsch. Sie
greifen nur zu kurz.
Denn Nadia bekommt ein massives Problem in dem Moment, indem der
Kreditnehmer auf seinen Kredit zugreifen, indem er z.B. eine Überweisung
auf ein Konto einer anderen Bank tätigt.
Rein formal betrachtet, brauch Nadja erst jetzt das fehlende
Fremdkapital. Um aber als vorausschauende Geschäftsfrau nicht gleich am
ersten Tag zahlungsunfähig zu werden, wird sie sich erst das fehlende
Fremdkapital besorgen oder eine Refinanzierung über andere Banken zuvor
sicher stellen. Weniger formal betrachtet verleiht sie nur Einlagen und
ihr eigenes Kapital.
Daher bleibt es richtig, dass eine Bank über mehr Eigen- und
Fremdkapital verfügen muss als sie an Krediten begeben kann.
Das Giralgeld für den bereit gestellten Kredit kommt in der Tat aus dem
Nichts. Nur dafür kann man sich eben noch nichts kaufen. Daher ist die
'Geld aus dem Nichts' Formulierung zumindest grob irreführend.
Im übrigen muss ich Jürgen recht geben. Der Sachverhalt ist bei der
Bundesbank gut erklärt.
http://www.bundesbank.de/download/bildung/geld_sec2/geld2_gesamt.pdf
Im Zweifel bitte nochmals nachlesen, insbesondere Kapitel 3.5 und hier
auf Seite 72 ab. "Allerdings ist dies nur der erste Schritt..."
Und auch Kapitel 4.2.1 sei empfohlen.
Gruß
Andreas
-----Original Message-----
From: Nicolai Haehnle [mailto:nhaehnle AT gmail.com]
Sent: Sunday, February 05, 2012 1:24 PM
To: Andreas Schouten
Cc: ag-geldordnung-und-finanzpolitik AT lists.piratenpartei.de
Subject: Re: [AG-GOuFP] [MKK] - Finanzmärkte und die Wirtschaft
Hallo zusammen,
erst einmal vorneweg ein Hinweis auf diese Seite hier:
http://econviz.org/macroeconomic-balance-sheet-visualizer/
Ist zwar auf englisch, eignet sich aber prima, um die verschiedenen
Vorgänge, über die hier diskutiert wird, nach zu vollziehen.
Zum Beispiel kann man unter den ganzen Bilanzen bei "Choose Operation"
die "Bank Loan" auswählen und dann auf "Run Op" klicken. Dann wird per
Animation gezeigt, wie sich die Bilanzen von Banken und Haushalten
verändern.
2012/2/5 Andreas Schouten <andreas.schouten AT leben-in-hanau.de>:
> Nadija hat eine Einlage von 100 bei der Bank. Die Mindestreserve
beträgt 1%
> der Einlage. (Nicht der der Giralgeldmenge
> http://de.wikipedia.org/wiki/Mindestreserve.)
>
> Also kann die Bank mir (max.) 99 leihen. Sie tue das im Fallbeispiel
für 10
> Jahre.
Nö. Ein besseres Beispiel ist:
Nadja gründet eine Bank mit Eigenkapital von 1.000.000. Mit diesem
Eigenkapital kauft sie zunächst Bundesanleihen. In ihrer Bilanz sind
also 1.000.000 in Bundesanleihen als Aktiva, und 1.000.000 in
Eigenkapital als Passiva.
Nun kommt Otto und möchte sich 10.000.000 leihen. Nadja überprüft
seine Kreditwürdigkeit und Sicherheit, und räumt ihm daraufhin ein
Guthaben von 10.000.000 ein. Ihre Bilanz hat jetzt Aktiva 1.000.000
Bundesanleihen + 10.000.000 Forderung an Otto; Passiva sind
10.000.000 Guthaben von Otto und 1.000.000 Eigenkapital.
Damit wird tatsächlich die Mindestreserveregel verletzt. Die EZB hat
den Mindestreservesatz auf 1% gesenkt. Eine Möglichkeit für Nadjas
Bank ist nun, Bundesanleihen im Wert von 100.000 an eine andere Bank
zu verkaufen. Ihre Aktiva sind nun 10.000.000 Forderung an Otto,
900.000 Bundesanleihen, und 100.000 Reserven. (Natürlich gibt es
auch noch andere Möglichkeiten, an Reserven zu kommen.)
Die tatsächliche Grenze für Kreditvergabe dieser Art sind aber nicht
die Mindestreserven, sondern die Eigenkapitalquoten. Korrigiert mich,
wenn ich das falsch berechne - hier komme ich auch immer wieder
durcheinander: die Eigenkapitalquote beträgt Eigenkapital / Summe der
Aktiva, also 1.000.000 / 11.000.000 = ca. 9%, wohingegen die
Risk-Weighted-Equity ratio 1.000.000 / 10.000.000 = 10% beträgt
(Staatsanleihen und Reserven gelten als risikolos, deswegen taucht
hier nur der Kredit an Otto im Nenner auf).
Solange diese Quoten nicht die entsprechenden Grenzen unterschreiten,
kann Nadja fröhlich weiter Kredite vergeben. Erst wenn die Quoten an
die Grenze stoßen, muss sie mehr Eigenkapital aufbauen, um mehr
Kredite vergeben zu können.
Ganz wichtig ist dabei, dass Spareinlagen eben *kein* Eigenkapital
sind. Das ist auch sinnvoll so: Eigenkapital ist der Puffer, den die
Bank bei Fehlentscheidungen verlieren darf. Spareinlagen sollen aber
bei Fehlentscheidungen der Bank nicht verloren gehen können, und
deshalb zählen sie auch nicht zum Eigenkapital dazu.
Typische Möglichkeiten, um Eigenkapital zu erhöhen, wäre Aktien
auszugeben oder Gewinne der Bank einzubehalten. Bankanleihen können
auch als niederwertigeres Kapital gelten (Tier II laut
Basel-Regulierungen, wenn ich mich nicht irre - wie gesagt, bitte
korrigieren, wenn ich in solchen Details falsch liege).
> Die Bank leiht mir also Geld ohne über eine Einlage zu verfügen. Wenn
sie
> dann die Einlage von Nadja entgegen nimmt, wird sie in der Folge nie
ein
> Problem haben ihr ihre Einlage wieder auszuzahlen.
> Und deshalb bedarf es auch keines Interbankenmarktes.
>
> Bei Deiner Vorstellung der Kreditvergabe durch Geschäftsbanken mag die
> Bilanzierung richtig bleiben. Der Haken liegt jedoch im
Buchungsvorgang.
>
> Wie ich Dich verstanden habe, kann ich einen beliebigen Kredit
aufnehmen
> solange der Bank meine Sicherheit genügt.
> Wenn sie mir den Kredit auszahlt, bucht sie ein Guthaben auf mein
Konto. Im
> Gegenzug würde sie ein bankinternes Konto belasten. Da sie jedoch
keinerlei
> Einlagen hat würde die Bank ein internes Konto führen, welches nun
einen
> negativen Betrag aufweist.
Nein, das ist falsch - bei der Kreditvergabe wird kein internes Konto
belastet. Die Bilanz der Bank wird durch Kreditvergabe nicht umgebaut,
sondern verlängert. Siehe den Balance Sheet Visualizer, hier noch mal
der Link: http://econviz.org/macroeconomic-balance-sheet-visualizer/
Schöne Grüße,
Nicolai
--
Lerne, wie die Welt wirklich ist,
aber vergiss niemals, wie sie sein sollte.
- Re: [AG-GOuFP] [MKK] - Finanzmärkte und die Wirtsch =?ISO-8859-1?Q?aft?=, andreas . schouten, 06.02.2012
- Re: [AG-GOuFP] [MKK] - Finanzmärkte und die Wirtsch aft, axel . grimm, 06.02.2012
Archiv bereitgestellt durch MHonArc 2.6.19.