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Betreff: Mailingliste der AG Drogen- und Suchtpolitik
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- Subject: [AG-Drogen] Rassismus in der Drogenpolitik
- Date: Sun, 09 May 2010 11:06:27 +0200
- List-archive: <https://service.piratenpartei.de/pipermail/ag-drogen>
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Mein erster Artikel bei Freitag.de - Rassismus in der Drogenpolitik
09.05.2010 | 10:21
Rassismus in der Drogenpolitik
http://www.freitag.de/community/blogs/maximilian-plenert/rassismus-in-der-drogenpolitik
rassismus, drogenpolitik, marijuana, juden, antisemitismus, drogendealerm,
brechmitteleinsatz
Die Geschichte und Gegenwart der Drogenpolitik ist geprägt von Rassismus. Seit
dem Beginn der modernen Drogenpolitik vor etwas mehr als 100 Jahren wurde der
Drogenkonsum der ?Anderen? immer wieder dämonisiert. Im Namen des moralischen
und gesundheitlichen Schutzes der weißen Mehrheitsgesellschaft vor dem
verderblichen Einfluss dieser Drogen werden bis heute diskriminierende und
menschenverachtende Repressionsmaßnahmen gerechtfertigt.
Das erste in der Moderne erlassene Gesetz gegen den Opiumkonsum wurde am 15.
November 1875 vom Verwaltungsrat von San Francisco beschlossen. . Es war
eines
von mehreren rassistischen Gesetzen, welche die Kultur und Lebensbedingungen
der
ansässigen Chinesen einschränkte. Die chinesischen Einwanderer waren zur Zeit
des Baus der transkontinentalen Eisenbahnstrecke als duldsame und billige
Arbeitskräfte geschätzt, ihr Opiumkonsum wurde nicht nur geduldet, sie sind
teilweise sogar direkt mit Opium bezahlt worden. Nach dem Bau der
Eisenbahnstrecke siedelten sich zehntausende Chinesen im Großraum San
Francisco
an und wurden dort schnell Opfer rassistischer Anfeindungen. So wurden aus den
genügsamen Arbeitskräften Lohndrücker und eine Gefahr für die amerikanische
Wirtschaft. Die Sitte des Opiumrauchens wurde Teil des rassistischen Bildes
von
der gelben Gefahr, die für alle Arten von Verbrechen und sonstigem
unerwünschtem
Verhalten verantwortlich gemacht wurde. Die politischen Reaktionen auf die
?Chinesenfrage? waren im Bereich Drogenpolitik höchst selektive Gesetze,
welche
das chinesische Opiumrauchen stigmatisierte und kriminalisierte, den oralen
Opiumkonsum der Weißen jedoch kaum tangierten.
Welchen weitreichenden Einfluss der Rassismus auf die frühe Drogenpolitik hat,
wird durch die zweite internationale Opium-Konferenz 1925 in Genf deutlich.
Auf
dieser Konferenz wurden die ersten weltweiten Kontrollmaßnahmen, unter anderem
für Cannabis, eingeführt, welche die Grundlage für das 1961 beschlossene und
bis
heute gültige Einheitsabkommen über die Betäubungsmittel bilden. Die
Initiative
Cannabis neben Heroin und Kokain in das internationale Abkommen aufzunehmen
ging
von den Vertretern Südafrikas, Ägyptens und der Türkei aus. Die weiße
Minderheitenregierung Südafrikas wollte mit Cannabis die Droge der schwarzen
Bevölkerungsmehrheit und dem damit verbundenen Dagga-Kult, illegalisieren.
Soziale oder gesundheitliche Probleme im Zusammenhang mit mit Cannabis waren
damals kaum bekannt, einzig Portugal vermeldete, in seiner Kolonie Angola
seien
Fälle von ?schwarzer Aufsässigkeit nach Hanfgenuss? vorgekommen. Dennoch wurde
der Antrag durchgewinkt, wohl als Zeichen guten Willens gegenüber den
Antragsstellern und weitgehendem ökonomischem sowie politischem Desinteresse.
Die Kampagnen gegen Cannabis und Kokain in den USA in den 20er und 30ern waren
ebenfalls Teil einer rassistischen Hetze, in diesem Fall gegen Mexikaner und
Afroamerikaner. Die Mexikaner nahmen laut der Boulevardpresse den aufrichten
weißen Amerikanern die Arbeitsplätze weg, waren für allerlei Kriminalität
verantwortlich und die farbigen Jazz-Musiker rauchten nicht etwa das gut
bekannte Hanf, es war das fremde Marijuana, das sie auf abwegige Ideen
brachte,
so zum Beispiel dass sie ?ebenso gute Menschen seien wie die Weißen?. Der
Ausspruch ?Reefer makes darkies think they're as good as white men." wird
Harry
J. Anslinger, dem damaligen Vorsitzender des Federal Bureau of Narcotics (FBN)
und einer der schärfsten Befürworter einer Cannabis-Prohibition,
zugeschrieben.
In Deutschland wurde wenig später gegen den tabakhandelnden Juden gehetzt,
woraus nach 1945 das Konstrukt des ausländischen Drogendealers als Sinnbild
des
Bösen entwuchs.
Ebenso wenig wie sich das Personal von RKA im Wandel zum BKA oder anderen
Ministerien änderte, wandelte sich die Drogenpolitik und so erfolgte die
Geburt
der deutschen Drogenpolitik aus dem Geist der Rassenhygiene.
Dieser Rassismus besteht bis heute weiter, sowohl in Deutschland als auch den
USA. Paranoide Konstrukte, wie das des dämonischen Drogendealers, der
Schulhöfe
bevölkert und mit Heroin versetztes Haschisch an wehrlose Jugendliche
verschenkt, um sie zu willenlosen Süchtigen zu machen, und ansonsten auch eine
allgegenwärtigen Gefahr für den anständige Bürger darstellt, wurden bis heute
nicht durch die nüchterne Realität dekonstruiert, sondern immer weiter von
Konservativen aller Couleur befeuert.
Der tödliche ? und politisch bis weit in die Mitte der Gesellschaft gewollte ?
rassistische Grundtenor unserer Drogenpolitik lässt Deutschland auch nicht
einmal vor dem Brechmitteleinsatz zurückschrecken. Dessen Anwendung ? fast
alle
Betroffenen waren dunkelhäutig ? ist, wie die allgemein Verfolgungspraxis bei
angeblichen Drogendealern, von Rassismus geprägt. Er wurde trotz mehrerer
Todesfälle lange Zeit rechtsstaatlich geduldet und die Drogenpolitik griff
dabei
auf ein Mittel zurück, das vom Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte als
Folter bezeichnet wird und, liest man die Protokolle der damit zusammenhängen
Todesfälle, den Humanismus eines unprofessionell durchgeführten "water
boarding"
besitzt.
Besonders beschämend war die Einführung des Brechmitteleinsatzes in Hamburg
durch die rot-grüne Koalition im Juli 2001. Dieser erfolglose Versuch im
Wahlkampf der Law-and-Order Politik von CDU und dem erstmalig antretenden
?Richter Gnadenlos? Roland Schill etwas entgegenzusetzen war nicht nur für die
GAL ein menschenrechtlicher und drogenpolitischer Sündenfall. Die Hamburger
SPD
war unter dem Ersten Bürgermeister Hennig Voscherau einer der Vorreiter einer
humanen Drogenpolitik gewesen. Voscherau brachte bereit 1990 den Vorschlag
Heroin zur Behandlung von Abhängigen einzusetzen ? 3 Jahre nachdem Methadon
überhaupt wieder eingesetzt wurde und 20 Jahre bevor die Abgabe von Heroin an
Abhängige als Behandlungsmöglichkeit ermöglicht wurde. Diese ?fatale
Fehlentscheidung?, wie die GAL-Innenpolitikerin Antje Möller die Entscheidung
im
Nachhinein bezeichnete, macht deutlich wie weit selbst progressive Kräfte in
der
allgemeine Drogenhysterie bereit sind zu gehen.
In den USA gelten bis heute Drogengesetze, die den Umgang mit primär von
Afroamerikanern konsumiertem Crack ? welches schlicht eine rauchbare Form von
Kokain darstellt ? um den Faktor 100 härter bestrafen als die gleiche Menge
Kokain, der Droge des weißen Mittelstandes
Auch für die Droge Cannabis gilt: Die Weißen kiffen, aber die Schwarzen werden
verhaftet. Darüber im nächsten Artikel dieser Reihe...
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- [AG-Drogen] Rassismus in der Drogenpolitik, Maximilian Plenert, 09.05.2010
- Re: [AG-Drogen] Rassismus in der Drogenpolitik, Georg von Boroviczeny, 09.05.2010
- Re: [AG-Drogen] Rassismus in der Drogenpolitik, Maximilian Plenert, 09.05.2010
- Re: [AG-Drogen] Rassismus in der Drogenpolitik, Georg von Boroviczeny, 09.05.2010
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