Zum Inhalt springen.
Sympa Menü

ag-drogen - [AG-Drogen] Schweizer Bundesgericht pfeift Zürcher Strafverfolger zurück

ag-drogen AT lists.piratenpartei.de

Betreff: Mailingliste der AG Drogen- und Suchtpolitik

Listenarchiv

[AG-Drogen] Schweizer Bundesgericht pfeift Zürcher Strafverfolger zurück


Chronologisch Thread 
  • From: Maximilian Plenert <kontakt AT max-plenert.de>
  • To: Fachforum Drogen der GRÜNEN JUGEND <liste-ff-drogen AT gruene-jugend.de>, BND Diskussionsliste <bnd-debatte AT bndrogenpolitik.de>, linke-drogenpolitik AT yahoogroups.de, Liste: AG_Drogen <ag-drogen AT lists.piratenpartei.de>
  • Subject: [AG-Drogen] Schweizer Bundesgericht pfeift Zürcher Strafverfolger zurück
  • Date: Wed, 14 Apr 2010 08:59:03 +0200
  • List-archive: <https://service.piratenpartei.de/pipermail/ag-drogen>
  • List-id: "Liste: AG_Drogen" <ag-drogen.lists.piratenpartei.de>

-----BEGIN PGP SIGNED MESSAGE-----
Hash: SHA1


12.04.2010

http://blogs.taz.de/drogerie/2010/04/12/schweizer_bundesgericht_pfeift_zuercher_strafverfolger_zurueck/
Schweizer Bundesgericht pfeift Zürcher Strafverfolger zurück
von Hans Cousto

Das Schweizer Bundesgericht musste wieder einmal den Zürcher Strafverfolgern
erklären, was eine verdeckte Ermittlung ist. Dieses Mal ging es um zwei
Drogengeschäfte. In einem Fall hatte der Zürcher Polizeibeamte ?SK 151? sich
gegenüber einem Drogenhändler als Henry ausgegeben und in englischer Sprache
gesagt, er wolle ?Business? mit ihm machen. Zudem habe der Scheinkäufer der
Polizei wahrheitswidrig angegeben, er befinde sich in Basel und habe die
Telfonnummer von einem Mann namens Vladan erhalten. Weiter habe der
Scheinkäufer
Vorschläge für bestimmte Treffpunkte abgelehnt und auf anderen beharrt und den
Scheinkäufer für eine Terminabsprache erneut angerufen. Als der
Drogenlieferant
dem scheinbaren Kunden 180 Gramm Kokain für 14.000 Franken (9.300 Euro)
verkaufen wollte, realisierte er, dass er auf einen Polizeibeamten (verdeckten
Ermittler) hereingefallen war.

Der Drogenhändler wurde angeklagt und vom Beziksgericht Zürich freigesprochen.
Die Staatsanwaltschaft legte Beschwerde gegen das Urteil ein und es kam zu
einer
erneuten Verhandlung, diesmal vor der 1. Strafkammer des Obergerichts des
Kantons Zürich. Auch hier wurde der Drogenhändler freigesprochen. Die
Staatsanwaltschaft legte auch gegen dieses Urteil Beschwerde ein und das
Bundesgericht musste über den Fall urteilen. Auch das Bundesgericht sprach den
Drogenhändler mit Urteil vom 8. März 2010 frei (6B_837/2009). Grund: Bei der
dafür zuständigen Anklagekammer des Obergerichts war keine richterliche
Genehmigung für eine verdeckte Ermittlung eingeholt worden. Deshalb durften
die
Beweise gegen den Drogenlieferanten nicht verwertet werden.

In einem anderen Fall hatte der Zürcher Fahnder ?SK 168? in einem Musikladen
nach ?etwas zum Rauchen? gefragt. Am 27. Februar 2007 erschien ein Kunde (der
Fahnder ?SK 168?) im Musikladen, in dem der Angeschuldigte, ein Verkäufer im
besagten Musikladen, anwesend war. Der Kunde erklärte diesem, er wolle etwas
zum
Rauchen kaufen. Der Angeschuldigte verwies den Kunden an den Geschäftsführer,
der sich ebenfalls im Laden befand. Der Geschäftsführer verkaufte dem Kunden
wunschgemäß Marihuana zum Preis von 100 Franken (65 Euro). Beim Kunden
handelte
es sich, was der Verkäufer nicht wusste, um den Fahnder ?SK 168? der
Betäubungsmittel-Gruppe der Stadtpolizei Zürich, der zu Ermittlungszwecken den
Scheinkauf tätigte, da der Verdacht bestand, dass im betreffenden Musikladen
ein
Betäubungsmittelhandel betrieben wurde.

Ein Einzelrichter in Strafsachen am Bezirksgericht Zürich verurteilte den
angeschuldigten Verkäufer am 5. November 2008 wegen Verstoßes gegen das
Betäubungsmittelgesetz. Dieser ging in Revision und wurde auch in zweiter
Instanz von der II. Strafkammer des Obergerichts des Kantons Zürich am 26.
Juni
2009 verurteilt. Die Beschwerde des Verkäufers gegen das Urteil des
Obergerichts
beim Bundesgericht war erfolgreich. Das Bundesgericht in Lausanne sprach den
Angeschuldigten am 8. März 2010 in dieser Angelegenheit frei (6B_743/2009).
Grund: Bei der dafür zuständigen Anklagekammer des Obergerichts war keine
richterliche Genehmigung für eine verdeckte Ermittlung eingeholt worden.
Deshalb
durften die Beweise gegen den Verkäufer nicht verwertet werden.

Der Polizeibeamte ?SK 168? betrat den Musikladen, in welchem nach der
Verdachtslage mit Betäubungsmitteln gehandelt wurde, und er erklärte dem
anwesenden Verkäufer, dass er etwas zum Rauchen kaufen wolle, worauf dieser,
der
verstand, dass es um Betäubungsmittel ging, den nicht als solchen erkennbaren
Polizeiangehörigen an den Geschäftsführer verwies. Dieses Vorgehen des
Polizeibeamten ist ein Anknüpfen von Kontakten im Sinne eines aktiven,
zielgerichteten Verhaltens, dessen Zweck darin bestand, eine konkrete
Widerhandlung gegen das Betäubungsmittelgesetz, welche die Zielperson,
veranlasst durch das Verhalten von ?SK 168?, erst noch begehen sollte,
festzustellen und zu beweisen. Das ist eine verdeckte Ermittlung im Sinne des
Bundesgesetzes über die verdeckte Ermittlung (BVE; SR 312.8). Hierbei betont
das
Bundesgericht, dass es fraglich sei, ob ein Betäubungsmittelscheinkauf der
vorliegenden Art überhaupt bestimmt und geeignet ist, zur Aufklärung einer
bereits begangenen Straftat beizutragen. Vielmehr scheint es in erster Linie
darum zu gehen, die Zielperson eines konkreten Delikts zu überführen, welches
die Zielperson noch gar nicht verübt hat, sondern, veranlasst durch das
Verhalten des nicht als solchen erkennbaren Polizeiangehörigen, erst noch
begehen wird.

In beiden Fällen erinnerte das Bundesgericht die Zürcher Strafverfolger an ein
Urteil des Bundesgerichts (BGE 134 IV 266) aus dem Jahre 2008, das ebenfalls
einen Zürcher Fall betroffen hatte. Damals hatte sich ein Polizeibeamter in
einem Kinder-Chatroom im Internet als ?manuela_13? ausgegeben. Ein 26-Jähriger
biss an, verabredete sich mit ?manuela_13? im Zürcher Hauptbahnhof, wurde dort
verhaftet, vor Gericht gestellt und freigesprochen. Auch hier hatte die
Genehmigung für die verdeckte Ermittlung gefehlt. Damals hielt das
Bundesgericht
unmissverständlich fest, dass ?jedes Anknüpfen von Kontakten mit einer
verdächtigen Person zu Ermittlungszwecken durch einen nicht als solchen
erkennbaren Polizeiangehörigen ungeachtet des Täuschungsaufwandes und der
Eingriffsintensität als verdeckte Ermittlung zu qualifizieren ist?.

Verdeckte Ermittlungen unterliegen in der Schweiz einer richterlichen
Genehmigung in jedem Einzelfall. Art. 7 (Richterliche Genehmigung)
Bundesgesetz
über die verdeckte Ermittlung (BVE).
-----BEGIN PGP SIGNATURE-----
Version: GnuPG v1.4.9 (GNU/Linux)
Comment: Using GnuPG with Mozilla - http://enigmail.mozdev.org/

iEYEARECAAYFAkvFZ7cACgkQ8wIvRbpDIpIQIQCg7NbQBumRYwcF+Q3DF/QIt/p0
lrIAoJmbjLchJhyuyWp571aCfju5xIc/
=/kat
-----END PGP SIGNATURE-----



  • [AG-Drogen] Schweizer Bundesgericht pfeift Zürcher Strafverfolger zurück, Maximilian Plenert, 14.04.2010

Archiv bereitgestellt durch MHonArc 2.6.19.

Seitenanfang