Re: [AG Bauen und Verkehr] ständig defekte Fahrstühle bei der Bahn

["Robert Merz" <romerz AT gmx.de>]

Ahoi Ralle,

ahoi David,

ahoi Bau- und Verkehrspiraten,

 

es werden mindestens zwei Aspekte angesprochen.

 

1. der  öffentliche/finanzielle Aspekt.

1.1 Stationen

Schon allein die unterschiedlichen Quoten defekter Anlagen

Kaufhäuser     nahezu null

BVG:               2 von hundert (98 % in Ordnug)

S-Bahn Berlin  5 von hundert (95 % in Ordnung)

zeigt einen gravierenden Kulturunterschied der verschiedenen Betriebe.

 

Einem __Kaufhaus__ bringt eine defekte Rolltreppe/Aufzug gleich massive Umsatzeinbußen. Deshalb setzt es alles daran, die Anlagen so schnell wie möglich vom Wartungsdienst des Herstellers reparieren zu lassen. IdR. werden entsprechende Verträge mit sehr kurzen garantierten Fristen bestehen.

 

Auch bei der __BVG__ sind es "eigene"  Anlagen. Wegen der Vielzahl lohnt sich hier ein eigener Wartungsdienst, dessen Dimensionierung aus Kostengründen aber eher knapp ausfällt. Prämien für Abteilungsleiter können z.B. für eine geringe Stillstandsquote gezahlt werden, so dass ein direkter Anreiz für gute Leistungen besteht.

 

Dagegen gehören __Bahnhöfe der DB__ einer eigenen Aktiengesellschaft im DB-Konzern, der "DB-Station und Service-AG". Sie ist selbst von defekten Anlagen kaum betroffen, da sie sich zu etwa 2/3 durch Haltgebühren der Züge und zu 1/3 über Mieteinnahmen der Geschäfte finanziert. Und diese fließen (höchstwahrscheinlich) auch bei defekten Anlagen genauso weiter.

Spart DB-Station an der Instandhaltung, so kann man dem Mutterkonzern DB-AG die geforderten Gewinne überweisen - und der Vorstand von DB-Station AG und von DB-AG (Konzern) erhält eine höhere Erfolgsprämie.

 

1.2 Züge

Die Verkehrsbetriebe sind oft sehr knapp mit dem teuren Rollmaterial bestückt. Werden Fahrzeuge z.B. "nur wegen einer beschädigten Toilette" aus dem Betrieb genommen, so können sie oft nicht ersetzt werden. Statt Doppeleinheiten verkehrt nur eine Einfacheinheit - mit gravierenden Auswirkungen für viele Fahrgäste - bis zur Räumung wegen Überlastung. Oder die Fahrt würde gleich ganz ausfallen!

 

1.3 Höhe der Bahnsteige

Eine Vereinheitlichung ist aus vielen Gründen nahezu unmöglich. Der Ausweg sind kostengünstigere Lösungen über fest in den Fahrzeugen eingebaute Klapprampen.

 

2. der individuelle/psychologische Aspekt

2.1 Da in Städten immer weniger Natur zur Verfügung steht sucht man sich Herausforderungen in der Zivilisation. Z.B. S-Bahn-Surfen. Oder Steine werfen. In der Natur wirft man diese auf Seen oder Bäume, in der Stadt auf Glasscheiben von Wartehäuschen.

2.2 Graffiti haben eine Dauerwirkung. Der Graffitisprayer freut sich daran, dass sein Wek von möglichst vielen Menschen gesehen wird.

2.3 Gemäß dem "Broken-Window-Effekt" wirken begonnene Zerstörungen "ansteckend", da sie die Hemmschwelle für weitere Maßnahmen senken.

2.4 Massenpsychologie: Macht einer einen Vorschlag auch nur zum Spaß, so kann er ihn ohne Gesichtsverlust nicht zurücknehmen, sobald der nächste diesen Vorschlag bestätigt.  So entsteht eine Eigendynamik innerhalb der Gruppe und aus einem spontan geäußerten Gedanken resultieren massive Beschädigungen - bis zu angezündeten bewohnten Häusern.

 

Lösungsvorschläge:

Zu 1.1Netz/Stationen

Das Streckennetz der DB einschließlich der Stationen muss wieder in eine eigene Anstalt des öffentlichen Rechts überführt werden, die dem Gemeinwohl verpflichtet ist. Die leitenden Personen erhalten Prämien für einen guten Zustand. Geld aus dem staatshaushalt und den benutzungsgebühren bleibt im Netz und wird nicht über "Gewinne" an den Konzern abgeführt, der sie weltweit investiert. Bereits über 10 Milliarden Euro wurden so dem Netz entzogen!

 

Zu 1.2 Züge

Genauso werden den Betriebsgesellschaften Vorgaben zur Qualität des Betriebes gemacht. Es müssen ausreichend Wartungsbetriebe vorgehalten werden, so dass Beschädigungen umgehend repariert werden können. Das geht, z.B. garantiert Siemens beim russischen Schnellverkehr Moskau - St.Petersburg die volle Einsatzbereitschaft sämtlicher(!!!) Züge zu den Hauptverkehrszeiten. Wartungsarbeiten werden so gesteuert, dass sie in den anderen Zeiten (Nachtruhe, Schwachverkehr) ausgeführt werden können. Das Berliner S-Bahn-Chaos entstand, weil von 3 Wartungsanlagen 2 geschlossen wurden. Ist also keine höhere Gewalt, sondern wurde eiskalt aus Gewinnstreben (zeitweilig 1 Mio/Tag!!!) herbeigeführt! Genauso die Katastrophe von Eschede. Die Radreifen wurden aus Kostengründen immer weiter heruntergefahren, bis einer brach. 101 Tote und viele Verletzte. Ganz nebenbei -  auch ein zerstörter Zug im Wert von ca. 50 Mio.

 

Selbstverständlich sollte auch für ausreichend Fahrradabstellplatz gesorgt werden. Allerdings darf man sich nicht zu schade sein, auch mal freundlich zu bitten. Zudem, da die allermeisten Leute dann Verständnis haben und behilflich sind.

Zu 2.1

Auch in Städten müssen ausreichend Abenteuerspielplätze angelegt werden.

Zu 2.2

Graffiti an Bauwerken werden umgehend beseitigt, indem sie sofort mit weißer/betongrauer Farbe übersprüht werden. Es tritt dieser "Publik-Effekt" nicht auf, sondern der Sprayer erlebt die Wirkungslosigkeit seines Werks und somit die Nutzlosigkeit seines Tuns. Dies konsequent durchgeführt kann weitere Aktionen verhindern.

 

Stattdessen werden Flächen für eine geplante Gestaltung frei gegeben. Z.B. haben Schulklassen so schon graue Unterführungen gestaltet, die danach lange in gutem Zustand blieben. Züge werden gesichert abgestellt, z.B. wie die Karlsruher Verkehrsbetreibe. Die bauen sogar eine Abstellhalle!

Zu 2.3

Eine Bahn mit einem beschädigten Sitz wird so schnell wie möglich aus dem Betrieb genommen. So machen es z.B. die Karlsruher Verkehrsbetriebe.  Ansonsten ergeben sich in kürzester Zeit im direkten Umfeld weitere Beschädigungen, die den Reparaturaufwand vervielfachen. Auch die Stuttgarter Stadtbahnen weisen nahezu keine Beschädigungen auf. Es geht also! Dafür müssen ausreichend Ersatzfahrzeuge bereitgehalten werden.

Zu 2.4

Schwierig, aber eine Erziehung zu Gewaltlosigkeit verhindert die schlimmsten Exzesse. Nachweislich findet eine Bereitschaft zu tatsächlicher Gewalt auch durch entsprechende Spiele statt. Kaum verwunderlich, denn Schule macht nichts anderes. Hier werden richtige Verhaltensweisen durch Simulation der Wirklichkeit eingeübt. Natürlich sind beide "Institutionen" nicht immer erfolgreich, jedoch lässt sich eine deutliche Tendenz erkennen.

 

Piratige Grüße

Pi-Robby aus der Gegend von Stuttgart und Karlsruhe.

Gesendet: Sonntag, 27. Juli 2014 um 04:33 Uhr
Von: Ralle002 <Ralle002 AT news.piratenpartei.de>
An: ag-bauen-verkehr AT lists.piratenpartei.de
Betreff: [AG Bauen und Verkehr] ständig defekte Fahrstühle bei der Bahn

Es scheint ein regelrechter Traum zu sein, das Bahnfahren für Behinderte
barrierefrei zu machen. Ich selbst bin Behinderter und profitiere von den
Bemühungen, die Bahnhöfe barrierefrei zu machen.

In den letzten Wochen hatte ich es bei nur gelegentlicher Inanspruchnahme
der Bahn immerhin doch noch ca. 10 mal mit einem defekten Fahrstuhl zu tun.
Bereits 2- 3 mal habe ich mich daher komplett mit Handbike von
hilfsbereiten Reisenden die Bahnhofstreppe hoch- oder runtertragen lassen.
Ca. 2- 3 mal habe ich mir bei einer nicht ganz unkritischen Abfahrt über
einen behelfsmäßigen Weg vom Bahnsteig helfen lassen.

Trotzdem: der Gedanke an diese reparaturanfällige Art der
Barrierefreiheit lässt bei mir ein sehr ungutes Gefühl entstehen.

Was ist eigentlich, wenn ich mal selber im Fahrstuhl bin und der bleibt
dann plötzlich stehen?

Gerade bei wichtigen Verkehrsknotenpunkten in größeren Städten wird ein
Fahrstuhl oft die einzige Möglichkeit sein, eine Barriefreiheit
herzustellen.

Trotzdem scheint vor allem der Vandalismus von der politischen
Entscheidern unterschätzt zu werden.

Wenn Terror zum Alltag wird:
http://www.pm-magazin.de/t/geschichte-v%C3%B6lkerkunde/terrorismus/die-neuen-vandalen-wenn-terror-zum-alltag-wird

Allein schon die unzähligen Diätenerhöhungen der
Bundestagsabgeordneten, das Aussitzen grausam falscher
Gerichtsentscheidungen, Massenarbeitslosigkeit in Europa und natürlich
das Nichtstun der Kanzlerin. Da braucht man sich doch wirklich nicht über
Vandalismus zu wundern.

Berliner Morgenpost - Zahl defekter Fahrstühle in Berlin nicht hinnehmbar
http://www.morgenpost.de/printarchiv/berlin/article130581376/Zahl-defekter-Fahrstuehle-in-Berlin-nicht-hinnehmbar.html

http://mobilista.eu/47/im-dialog-mit-der-deutschen-bahn-anregungen-zur-rollstuhlfreundlichkeit-und-barrierefreiheit/

Hier ist zu lesen:

Defekte Fahrstühle, die bisweilen länger als eine Woche nicht repariert
wurden und so ersatzlos entfielen. Beispielsweise am Hamburger
Hauptbahnhof, wo je Bahnsteig nur ein einziger Fahrstuhl verfügbar ist,
oder auch am hochfrequentierten Berliner HBF, wo ein Fahrstuhl zu den
S-Bahn-Gleisen zur Hauptreisesaison über Wochen hinweg wegen
Wartungsarbeiten deaktiviert war, was zu riesigen Verzögerungen am
verbleibenden Aufzug geführt hat.
Defekte Einstiegsrampen bei RE-Zügen: Mir persönlich noch nie
untergekommen, anderen Reisenden schon. Das ist mit Hilfe des Personals
noch einigermaßen zu bewältigen – wobei auch das Zugpersonal bei
E-Rollis, die schnell über 100 Kilogramm wiegen können, an seine Grenzen
stoßen dürfte. Schlimmer aber: defekte Automatiktüren. Wer mit dem
Rollstuhl auf der rechten Seite einsteigt und feststellt, dass er auf der
linken Seite aussteigen muss, wo die Tür defekt ist, kommt nur noch mit
massivem Organisationsaufwand aus dieser Falle heraus. Besser: solche
Züge nicht einsetzen.
--
AG-Bauen-Verkehr mailing list
AG-Bauen-Verkehr AT lists.piratenpartei.de
https://service.piratenpartei.de/listinfo/ag-bauen-verkehr