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ag-bauen-verkehr - Re: [Ag-bauen-verkehr] [AG Wirtschaft] [Ag-umwelt] [Energiepolitik] LQFB: Antrag Schulterschluss

ag-bauen-verkehr AT lists.piratenpartei.de

Betreff: Bundes-AG Bauen und Verkehr Diskussionsliste

Listenarchiv

Re: [Ag-bauen-verkehr] [AG Wirtschaft] [Ag-umwelt] [Energiepolitik] LQFB: Antrag Schulterschluss


Chronologisch Thread 
  • From: Johannes Nix <johannes.nix AT gmx.net>
  • To: "AG Wirtschaft \(Achtung viele Mails am Tag!\)" <ag-wirtschaft AT lists.piratenpartei.de>
  • Cc: AG-Bauen-Verkehr AT lists.piratenpartei.de, ag-sozialpiraten AT lists.piratenpartei.de, ag-umwelt AT lists.piratenpartei.de, Mailingliste der AG Energiepolitk <energie_und_infrastruktur AT lists.piratenpartei.de>
  • Subject: Re: [Ag-bauen-verkehr] [AG Wirtschaft] [Ag-umwelt] [Energiepolitik] LQFB: Antrag Schulterschluss
  • Date: Sat, 13 Oct 2012 18:23:31 +0200
  • List-archive: <https://service.piratenpartei.de/pipermail/ag-bauen-verkehr>
  • List-id: Bundes-AG-Bauen-und-Verkehr <ag-bauen-verkehr.lists.piratenpartei.de>

Hallo René,

Am Wed, 10 Oct 2012 11:29:19 +0200
schrieb René Heinig <hren AT hrz.tu-chemnitz.de>:

> > In den höheren Dezilen sind also per Definition keine
> > sehr armen Leute.
>
>
> Die Gruppen (Dezile bzw. in der österreichischen Studie Quintile)
> wurden nach verfügbaren Einkommen gebildet. Wenn du nochmal genau
> liest was ich geschrieben habe, wirst du feststellen, dass es daraus
> klar hervorgeht. Denn es ging darum, dass in unteren
> Einkommensdezilen *häufiger* Menschen sind, die gar keine Geräte
> besitzen und deshalb auch weniger bis gar nichts für Energie ausgeben
> und so in der Statistik für die der absoluten Energieausgaben das
> ganze Einkommensdezil nach unten ziehen. Die Angabe der
> Standardabweichung wäre hier also auf jeden Fall eine Pflichtangabe
> gewesen.

Das heißt, Du möchtest also die /zweidimensionale/ Häufigkeitsverteilung
von Einkommen und Energieverbrauch berücksichtigen.

Ich denke, dass es durchaus Personen geben wird, die ausgesprochen wenig
Energiekosten haben und bei denen geringes Einkommen ein Grund
dafür ist. Das Steuerrecht wird den Einzelfällen nie völlig
gerecht und von daher fände ich auch Härtefallregelungen
sinnvoll. Aber eine solche Besteuerung nach mehreren Parametern
gleichzeitig wäre sehr ungewöhnlich und würde sicherlich
keine Vereinfachung darstellen. Ich befürchte auch eher,
man würde damit Schlupflöcher vermehren für Personen,
die das System gut verstehen und für ihre Interessen nutzen.

>
>
> Am meisten spart man durch gar keinen Verbrauch, also zum Beispiel
> ich, der fast nur zum schlafen zu Hause ist.
>

Du musst berücksichtigen, dass eine Energiesteuer nicht nur
die direkten Energiekosten bepreist, sondern alles was
im Lande hergestellt wird. Sie schafft daher einen Markt
für energieefiziente Produkte - und zwar gerade auch
im extremen Billigsegment, wo meist nur nach dem Preis entschieden wird.

>
> Und diese Pauschalisierung ist eben falsch, genau deshalb habe ich
> auch meinen Energieverbrauch dargestellt, und ich bin sicher kein
> Ausnahmefall, und genau deshalb ist eine Bewertung der absoluten
> Energieausgaben einfach nur nach Mittelwert ohne Standardabweichung
> falsch.

Eine Energiesteuer hat keinen Sinn, wenn sie nicht energieeffizientes
Verhalten fördert. Das Leute, die einsparen, davon profitieren,
ist kein Bug, sondern ein Feature.

> Ich könnte mir vorstellen, dass man vor allem Rentner mit
> dieser Herangehensweise sehr benachteiligt, warum das so ist habe ich
> ja versucht im letzten Posting darzustellen, wo ich mal ansatzweise
> versucht habe die viel zu pauschalen Einkommens-Dezile, noch nach
> relevanten Untergruppen bei der Betrachtung von Energieausgaben zu
> differenzieren.

Dass es da großen Verbesserungsbedarf bei der Wärmedämmung von
Mietwohnungen gibt, stimme ich zu. Demgegenüber sind die
Rentner mit geringem Einkommen eher nicht die Leute,
die im Oberklasse-BMW die Autobahn lang rauschen.

>
> Die Anreize werden aber viel besser geschaffen, wenn man die
> Energiesteuer stärker erhöhen kann, weil man höhere
> Umverteilungseffekte im Sozialsystem hat als mit einem
> Sockeleinkommen. Mit einem Sockeleinkommen kann ich die Energiesteuer
> eben nur sehr gering anheben, lege ich die Energiesteuer aber gezielt
> auf die Transferleistungen um, kann ich sie wesentlich stärker
> erhöhen.

Hier liegt vielleicht der Kern unserer Diskussion: Du scheinst
davon auszugehen, dass man von der Energiesteuer nur einen
bestimmten Satz erheben kann, man also nur einen Bestimmten
Einnahmenbetrag hat, und dass bei einer Rückzahlung
per Energiegeld dann der Anteil, der für den Einkommensausgleich
verfügbar ist, geringer ist.

Rechenbeispiel:

Pro Kopf Energieausgaben in der Mittelschicht: 150 Euro
Energiesteuer: 20 %

Verfügbare Einnahmen: 30 Euro

Also kann man entweder 30 Euro für den Einkommenstransfer
nutzen (Fall a), bei einer Rückzahlung von 20 Euro pro Kopf
(Fall b) verbleiben aber nur 10 Euro für den Transfer.
So hättest Du recht.


Ich will aber gerade darauf hinaus, dass man den Steuersatz
so anheben kann, dass _sowohl_ ein Einkommenstransfer
_als auch_ eine merkliche Besteuerung des Energievebrauchs möglich ist.

Also Rechenbeispiel II für die Mittelklasse:

Energieausgaben in der Mittelschicht: 150 Euro
Energiesteuer: 60 %

Verfügbare Einnahmen: 90 Euro
Transfer: 30 Euro
Rückzahlung per Energiegeld : 60 Euro.

Du siehst, dass der Einkommenstransfer derselbe ist,
der Anreiz Energie einzusparen aber viel höher ist,
weil eine Einsparung, die im obigen Fall a oder b
z.B. 10 Euro weniger Besteuerung erbringt,
nun 30 Euro sparen würde.

>
> Ich bezweifle generell, dass ein Transfer von uns statt finden würde.
> Ich fahre mit dem Fahrrad zur Arbeit und verbrauche wie gesagt um die
> 1.000kWh/Jahr und heize, da ich eh kaum zu Hause bin, auch nur sehr
> wenig. Ich würde stark davon ausgehen, dass ich zu denen gehören
> würde, die trotz hohem Einkommen noch ordentlich was durch das
> Sockeleinkommen obendrauf bekommen. Und genau das ist mein Problem,
> ich brauche das Geld nicht, und diversen anderen Menschen wird es
> ähnlich gehen

Wenn ihr schon viel Energie spart, kann das sein. Dann wird
aber ein Anreiz für andere geschaffen, auch zu sparen,
sonst zahlen sie nämlich an euch.

> , und genau deshalb muss eine umfassende Reform
> passieren, wo auch die Einkommenssteuer angehoben wird, oder eben
> (wie im bisherigen System) zielgerichtet verteilt wird. Ansonsten
> kann unterm Strich niemals eine so große Umverteilung entstehen, dass
> eine sichere Existenz und gesellschaftliche Teilhabe möglich wird,


Doch, ich glaube man braucht eine weitergehende Reform,
die gesellschaftliche Teilhabe sicher stellt und
das zunehmende Auseinanderdriften der Gesellschaft stoppt.

Das kann die Energiesteuer nicht leisten, weil die
Energiekosten nicht so stark einsteigen wie die
Einkommen. Sie hat aber dafür die attraktive Eigenschaft,
dass man die Besteuerung nicht einfach umgehen kann,
indem man seinen Wohnsitz in der Schweiz anmeldet.
Schließlich ist die Steuer ja nicht nur in Heizöl und
Benzin enthalten, sondern in allen Produkten, bei denen nicht
nachhaltige Energieträger bei der Herstellung aufgewandt werden.

>
> > Die Alternative dazu ist, spezielle technische Entwicklungen
> > wie Elektroautos, von denen man nicht weiß ob daraus jemals
> > etwas wird, zu fördern, sowie beispielsweise Elektrogeräte
> > mit einem Wust an Regelungen zu administrieren.
>
>
> Das wird ja sowieso gemacht und finde ich auch richtig. Die Angaben
> des Energieverbrauchs, genauso wie die Regelungen zum Verbrauch im
> Standby und auch die Regelungen zu Energie-ineffizienten
> Beleuchtungssystemen finde ich absolut richtig, auch wenn man sich da
> bei manchen Leuten unbeliebt macht.

Da Anstöße zu geben finde ich richtig, ich habe aber
große Probleme, bestimmte Techniken komplett mit Milliardenbeträgen
zu subventionieren. Wieso soll man Geld ausgeben für die
Elektromobilität oder Brennstoffzellen, wenn eine Förderung
des ÖPNV sowieso die bessere Lösung wäre?

Eine Energiesteuer fördert viel besser technische Entwicklungen
in der Breite. Aber ich denke, da sind wir weitgehend einig.

>
> > Zumindest *ein* wesentlicher Sinn einer Energiesteuer ist es,
> > energiesparendes Verhalten ökonomisch zu machen.
>
>
> Und das kann man doch am besten, wenn man ein System schafft bei dem
> die Energiesteuern möglichst hoch angesetzt werden können, oder?
>


Genau, und das ermöglicht das Energiegeld doch. Man kann
die Besteuerung hoch ansetzen, ohne dass sie für
mittlere Einkommen zu einer inakzeptabel großen
Belastung werden.


>
> Ein BGE, wie es bei uns diskutiert wird, ist an folgende 4 Kriterien
> gebunden:
> "die Existenz sichern und gesellschaftliche Teilhabe ermöglichen,
> einen individuellen Rechtsanspruch darstellen sowie ohne
> Bedürftigkeitsprüfung und ohne Zwang zu Arbeit oder anderen
> Gegenleistungen garantiert werden"
> http://wiki.piratenpartei.de/Bundestagswahl_2013/Wahlprogramm#Bedingungsloses_Grundeinkommen_und_Mindestlohn
>
> Sprich um dies umzusetzen, muss auch ein entsprechend "gewichtetes"
> Steuersystem implementiert werden, welches einen möglichst *hohen*
> Umverteilungseffekt realisiert. Bei einem Sockeleinkommen ist das
> anders, da spielt die *Höhe* des Umverteilungseffektes keine Rolle,
> da kann der Effekt sogar kleiner sein als jetzt im derzeitigen
> System.

Da stimme ich zu, ein Sockeleinkommen alleine stellt keine
gesellschaftliche Teilhabe sicher. Es kann daher nur
ein Zwischenschritt sein. Aber auch dieser hätte sehr positive
Effekte, wie man an den Untersuchungen zu den Wirkungen
der Ökosteuer sieht.

> > Wenn man die Steuer aber entsprechend hoch macht, führt
> > das wiederum zu wirtschaftlichen Belastungen. Nicht nur für
> > Geringverdiener, sondern für alle. Das Energiegeld kann diese
> > kompensieren _und_ zusätzlich einen Anteil zum sozialen Ausgleich
> > beitragen.
>
>
> nein, mit einem Sockeleinkommen wäre der Umverteilungseffekt viel zu
> gering, um die Energiesteuern deutlich zu erhöhen


Da stimme ich nicht zu. Der Anreizeffekt ergibt sich doch aus
den zusätzlichen Energiekosten pro Kilowattstunde / Liter Heizöl /
Liter Benzin. Da das Sockeleinkommen bedingungslos wäre,
wäre die Rückzahlung irrelevant für die Entscheidung, ob
man Einsparungen vornimmt.

>
>
>
> > Eine progressive Einkommenssteuer ersetzen kann die Kombi
> > Energiesteuer plus Energiegeld dagegen wahrscheinlich nicht,
> > weil, wie wir gesehen haben, die Progression schwächer ist
> > als bei einer Einkommenssteuer.
>
>
> yippie i yeah, wie sind uns in diesem wesentlichen Punkt im Grunde
> auch einig, jetzt musst du nur noch den konsequenten Schluss daraus
> ziehen ;)
>
>

findest Du denn den folgenden Abschnitt (den Vorschlag von Moritz
für den "Schulterschluss-Antrag" verschiedener AGs) zustimmungsfähig:

-------------------------------------------------------------------------
Besteuerung endlicher Energieträger als Motor eines strukturellen
Wandels

Um die Ziele einer höheren Energie- und Ressourceneffizienz sowie
einen genügsamen Umgang mit Ressourcen zu erreichen, möchten wir
wirtschaftliche Anreize für ressourcenschonendes und
umweltfreundliches Verhalten setzen. Dazu soll die wirtschaftliche
Nutzung von endlichen Ressourcen so bepreist werden, dass eine
Ausbeutung auf Kosten der Allgemeinheit minimiert wird. Als weiterer
Ansatz gilt es, fragwürdige Subventionierung von Energieträgern im
Verkehrs- und Energiesektor abzubauen, die den notwenigen
Strukturwandel verhindern und damit verschärfen. Voraussetzung für
die Zuweisung aller Kosten und Nutzen wirtschaftlicher Aktivitäten
nach dem Verursacherprinzip ist ein verständliches und transparentes
Steuersystem. Aus diesen Gründen tritt die Piratenpartei für eine
Reform des Energiesteuergesetzes ein. Die Umschichtungen sollen
insbesondere Personen mit geringem Einkommen entlasten und nachhaltige
Energienutzung technikneutral fördern.
--------------------------------------------------------------------------

Diese Formulierung läßt den Aspekt "Sockeleinkommen" offen.


> > Ein Sockeleinkommen ist noch keine Totalreform, geht für mich aber
> > in die gleiche Richtung wie ein BGE.
>
>
> Und das ist eine falsche Annahme, ein Sockeleinkommen kann in eine
> vollkommen andere Richtung gehen, wie ein BGE, wenn dadurch der
> Umverteilungseffekt reduziert wird.

Puh, ich glaube, diesen Punkt muss man wirklich weiter diskutieren.

Aber ich verstehe, dass dir der Schritt eigentlich zu klein ist,
weil er an der Diskrepanz der Einkommensverteilung nur in engen
Grenzen etwas ändern kann.



Viele Grüße,

Johannes




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