ag-bauen-verkehr AT lists.piratenpartei.de
Betreff: Bundes-AG Bauen und Verkehr Diskussionsliste
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- From: sagredo <sagredo AT news.piratenpartei.de>
- To: ag-bauen-verkehr AT lists.piratenpartei.de
- Subject: [Ag-bauen-verkehr] Die Attraktivität des ÖNV durch Innovation steigern..
- Date: Sat, 28 Apr 2012 11:14:49 +0000
- List-archive: <https://service.piratenpartei.de/pipermail/ag-bauen-verkehr>
- List-id: Bundes-AG-Bauen-und-Verkehr <ag-bauen-verkehr.lists.piratenpartei.de>
- Organization: Newsserver der Piratenpartei Deutschland - Infos siehe: http://wiki.piratenpartei.de/Syncom/Newsserver
Hi,
/(tl;dr: Mir fehlt in D an einer standardisierten Fahrplanschnittstelle, um es der VAG Freiburg (die mich hat abblitzen lassen) zu zeigen, habe ich eine Livekarjte ihrer Busse, Züge und Stadtbahnen erstellt: http://tracker.patrickbrosi.de/)/
ich bin davon überzeugt, dass durch Verbesserungen in der Technik der Fahrgastinformationssysteme der ÖNV in Deutschland entscheidend attraktiver gemacht werden könnte. Mit attraktiver meine ich: In der /spontanen/ Nutzbarkeit konkurrenzfähig mit dem Individualverkehr.
Ich wundere mich, dass selbst von den größten ÖNV-Verfechtern die Informationshoheit, die die Verkehrsunternehmen in Deutschland für sich beanspruchen, so selten angeprangert wird. Es existiert keine Schnittstelle, um Dritten (auch Unternehmern!) einen schnellen und einfachen Zugang zur Fahrplandaten möglich zu machen. Die vollständige und totale Übersicht liegt in den Händen einer kleinen Gruppe von Verkehrsunternehmen, die ihr Elfenbeinturmwissen in kleinen Häppchen über dutzende verschiedene Fahrplanauskunftssysteme an den Fahrgast weitergeben, in einer Weise, die sie für richtig halten.
Man stelle sich einmal vor, auch beim motorisierten Individualverkehr wäre dieses Metawissen über die *Zugänglichkeit* des Systems in der Hand von denen, die das Verkehrsnetz (in diesem Fall also die Straßen) gebaut haben, in Deutschland also Gemeinden, Kreise, Länder, der Staat. Dinge wie Straßenkarten wären undenkbar, da es rechtlich nicht möglich wäre, das Straßennetz in einer eigenen Form wiederzugeben und aus dieser Form evt. auch Profit zu schlagen. Navigationssysteme von externen Anbietern wären vollkommen undenkbar. Man wäre in der Planung seines Reiseverlaufs abhängig von den Daten, die die Straßenbauer dem Benutzer in einer Form, die sie für sinnvoll erachten, anbieten. Im Falle des Individualverkehrs also: Straßenschilder. Kein Mensch könnte sich heute vorstellen, auch nur eine Autofahrt von einigen 100 Kilometern ausschließlich mit Verkehrsschildern zu planen. Ich behaupte aber, dass, geht man einen Schritt zurück, im öffentlichen Verkehr genau diese Situation vorherrschend ist.
Natürlich sind die Liniennetzpläne in Deutschland öffentlich zugänglich. Jede bessere Stadtkarte hat die Bus-, Straßenbahn- und U-/S-Bahn-Linien eingezeichnet. Die Zugänglichkeit dies ÖNV-Liniennetzes wird jedoch (ganz im Gegensatz zum Straßennetz!) *nicht* ausschließlich durch das Liniennetz definiert. Im öffentlichen Nahverkehr kommt die /zweite/ Ebene der /zeitlichen/ Zugänglichkeit hinzu. Ich kann mit meinem Auto zu jeder Zeit auf die Autobahn auffahren, bei der Zugänglichkeit spielt die Zeit überhaupt keine Rolle. Im ÖNV ist sie jedoch essentiell, und das übergeordnete Metawissen um diese Zugänglichkeitsebene liegt in den Händen von einigen wenigen.
Ich spreche von Metawissen, weil es im Falle von Fahrplandaten eben *nicht* ausreicht, Fahrplanauskunfssysteme für den Endverbraucher bereitzustellen oder Fahrplanauszüge und Kursbücher zur drucken. Durch die hinzugefügte Ebene der zeitlichen Zugänglichkeit wächst die Komplexität des Wissens um die Gesamtzugänglichkeit des ÖNV-Systems eben nicht linear, sondern durch die hinzugefügte Dimension mindestens quadratisch, und ein einfacher Übersichtsblick, wie man ihn zum Beispiel über eine zweidimensionale Straßenkarte schweifen lassen kann, wird unmöglich.
Mich treibt dieses Thema seit Jahren um. Man stelle sich die Möglichkeiten vor, die eine standardisierte Schnittstelle zu allen möglichen Daten des öffentlichen Nahverkehrs bieten würde! Eine Schranke würde fallen, die binnen Wochen zu einer Flut von nützlichen Anwendungen führen würde, die helfen würden, den öffentlichen Nahverkehr *in seinem bestehenden Ausbaustand* sehr viel effizienter zu nutzen.
Ich habe in einigen Wochen Arbeit eine eigene Programmierschnittstelle entwickelt (http://patrickbrosi.de/#q=simpleefa), die diese Daten zumindest ansatzweise und einfach öffentlich zugänglich machen sollte (zur Zeit leider deaktiviert, da der Traffic zu massiv geworden ist). Ich bin mit dieser Schnittstelle zum Beispiel zur Freiburger Verkehrs-AG gegangen und habe gefragt, wieso solch ein Service in Deutschland noch von keinem Verkehrsunternehmen angeboten wird. Man hat mir in einem sehr langen Telefonat erklärt, dass man der Idee grundsätzlich nicht abgeneigt ist und die Daten natürlich schon alle in der Leitstelle verfügbar sind - nur würde die Öffnung des Systems Einmalkosten von einigen 10.000€ verursachen. Die VAG Freiburg baut gerade ihr Netz fast 30 Mio. Euro aus.
Ist das finanzielle hier wirklich die Ursache? Vielleicht. Vielleicht haben die Verkehrsunternehmen aber auch eine fast feudale Furcht davor, ihre Wissenshoheit abzugeben und dem Volk die Daten zugänglich zu machen.
Ich habe binnen weniger Tage mit meiner Schnittstelle zum Beispiel eine Live-Karte des öffentlichen Nahverkehrs in Freiburg erstellt, die *jeden* Bus und jede Stadtbahn live an der aktuellen Position anzeigt. Auch die Abfahrtsmonitore werden angezeigt. Es wäre ein leichtes, diese Karte auch um eine Reiseplanung zu erweitern. (zu finden unter http://tracker.patrickbrosi.de/)
Die Technik, solche mehrdimensionalen Karten zu erstellen ist da, und der Zugmonitor der Süddeutschen Zeitung geht ja für das Fernverkehrsnetz sogar schon in Rchtung Live-Anzeige. Aber wieso gibt es keine standardisierte Schnittstelle, die so eine Karte für ganz Deutschland ermöglichen würde? Wieso steigen die Verkehrsunternehmen nicht von ihrem hohen Ross und veröffentlichen die Verspätungen ihrer Busse und Bahnen? Kein Mensch fährt täglich mit dem Fernverkehr, die meisten Bürger fahren vielleicht ein oder zwei Mal pro Jahr mit einem ICE. Maximal. Die Diskussion um die Verspätungen der Fernverkehrszüge ist meiner Meinung nach eine Diskussion der Eliten. Dass die Menschen in den Städten und Dörfen mit teilweise vollkommen unterlegenen Fahrplanauskünften leben müssen, prangert niemand an. (das fängt teilweise schon an unlesbaren Aushangfahrplänen auf dem Land an, die man mindestens eine Minute betrachten muss, bevor man überhaupt in die Nähe einer Ausfkungt kommt).
Eine standardisierte Schnittstelle würde hier nicht nur helfen, dass Drittanbieter bessere und effizientere Auskunfssysteme bauen würden, sondern auch dass zum Beispiel Gemeinden oder Städte eigene Auskunfssystem erstellen könnten. Ich rede von eigenen Abfahrtsmonitoren auf simplen Flachbildschirmen, die zum Beispiel in Schulen oder Rathäusern, in Cafés oder Einkaufszentren aufheängt werden können zu minimalen Anschaffungskosten. All das wäre selbst für Privatpersonen oder kleinere Unternehmen (Kino, Schwimmbad) zu einem lächerlich geringen Preis realisierbar, wenn es eine standardiersierte API geben würde.
Meinungen?
liebe grüße
patrick
- [Ag-bauen-verkehr] Die Attraktivität des ÖNV durch Innovation steigern.., sagredo, 28.04.2012
- Re: [Ag-bauen-verkehr] Die Attraktivität des ÖNV durch Innovation steigern.., P . P . Baum, 28.04.2012
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