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Betreff: Schiedsgericht-Koordination
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- From: "Dr. Thomas Walter" <dr.th.walter@t-online.de>
- To: "'Joachim Bokor'" <j@bokor.de>
- Cc: vorstand@piraten-sachsen.de, schiedsgericht-koordination@lists.piratenpartei.de, lsg-intern@lists.piraten-sachsen.de, schiedsgericht@piratenpartei.de
- Subject: Re: [Schiedsgericht-koordination] BSG_2011-22-29
- Date: Wed, 14 Dec 2011 13:47:29 +0100
- List-archive: <https://service.piratenpartei.de/pipermail/schiedsgericht-koordination>
- List-id: Schiedsgericht-Koordination <schiedsgericht-koordination.lists.piratenpartei.de>
Hallo Jochen,
hallo liebe mitlesenden Piraten,
ich schreibe diesen Brief unabhängig von dem laufenden Verfahren, denn es
geht um das juristische Selbstverständnis, die Ordnung unserer parteilichen
Judikatur und politisch um die Verwirklichung unserer eigenen Ideale, wie
Demokratie, Rechtsstaatsverteidigung und Grundrechtsverwirklichung. Und wenn
sich jemand dazu äußern will, möge er bitte alles lesen und ich bitte um
Entschuldigung, dass das alles so lang ist, aber sonst kann man den gesamten
Zusammenhang nicht verstehen:
Ich hätte mir anlässlich dieses Falles, den ich leider trotz ehrlich
gemeinter versuchter Mediation innerhalb von Sachsen Euch (dem BSG) nicht
vom Tisch schaffen konnte, von Euch etwas mehr Selbstkritik und Einsicht
erhofft. Denn die kurz nach meinem Eintritt in die Partei und Übernahme des
Amtes als Landesschiedsgerichtsvorsitzender von mir artikulierte Kritik an
der SGO bestätigte sich immer öfters in seiner Berechtigung bei jeden neuen
Fall, den ich mit meinen Kollegen vom LSG auf den Tisch bekomme. Nun seid
Ihr als die älteren (bezogen auf die Mitgliedsdauer :-)) Piraten, die zudem
an der Verabschiedung der jetzigen Fassung der SGO beteiligt waren, nun mal
mehr oder weniger verantwortlich für die jetzige Fassung. Aber ich erwarte
von Juristen, dass sie die Souveränität besitzen auch einzugestehen, dass
vielleicht in der Sache, an der man vorher beteiligt war, etwas zu
korrigieren ist und zu überlegen, wie dieses (geschaffene) Problem im Sinne
der Sache richtig gelöst wird. Sowohl de lege lata als auch de lege ferenda!
So bemühe ich mich auch in all meinen eigenen und beruflichen juristischen
Angelegenheiten zu verfahren, zumal ich beruflich auch ein überparteiliches
Denken gelernt habe und scheue mich nicht einen juristischen Fehler
einzugestehen und ggf. zu artikulieren, dass ich derzeit noch nicht etwas
voll überblicken und erst noch einmal überprüfen muss, um anschließend mit
einer fundiert begründeten Meinung dafür oder dagegen zu halten. Und ich
bemühe mich als Vorsitzender des LGS Sachsen, mit den überflüssigerweise
bestehenden Lücken und Fehlern in der SGO durch teleologische Auslegung bzw.
Reduktion und durch Rechtsfortbildung de lege lata zurechtzukommen, aber
damit auch aufzuzeigen, wo der Reformbedarf de lege ferenda besteht. Und
Eurer jüngster Beschluss zeigt schlicht, dass Euch vom BSG dies offenbar
nicht interessiert, andernfalls hättet Ihr diesen so nicht fassen dürfen. Er
ist zudem auch inkonsequent, worauf ich auch noch zurück kommen werde.
Wir hatten zusammen in einem Telefongespräch im Oktober über die SGO
gesprochen, ich hatte Dir nochmals die schriftlich geäußerten Bedenken zur
SGO geschildert, Dich ausdrücklich gefragt, ob Du als Volljurist der Meinung
bist, dass ich hier irgendetwas Deiner Ansicht nach Falsches sage und von
Dir ein klare Bestätigung erhalten, dass ich grundsätzlich richtig mit
meinen Bedenken liege. Und zusammen mit Claudia, die auf dem BPT 2011.1 mit
ihren Reformvorschlägen unterlegen war, haben wir in getrennten Gesprächen
festgestellt, dass hier doch einiger Reformbedarf bestünde. Dies haben auch
andere Piraten immer wieder auch bestätigt.
Auf meine Initiative hin, haben wir am Rande des BPT in Offenbach eine kurze
Zusammenkunft der anwesenden Schiedsrichter erwirkt und ohne die Mitglieder
des BSG, die sich wegen anderer interner Angelegenheit dann von der weiteren
kurzen Besprechung ausklinken mussten, festgestellt, dass von den doch dort
recht zahlreichen Schiedsrichtern niemand Volljurist war und sehr wohl
Interesse besteht, die angeschnittenen Fragen zu erörtern. Umso mehr ist es
aber auch angebracht, wenn Ihr vom BSG mit teilweise volljuristischen
Schiedsrichtern, sich dieser Probleme annehmt, mit diskutiert und wir
zusammen konstruktiv zum nächsten BPT eine dogmatisch saubere Lösung der
dringendsten Probleme hinbekommen.
Zum Verständnis aller hier im Einzelnen die konkreten Aufhänger meiner oben
noch allgemein dargestellten Kritik:
Wir haben den Fall, dass ein Kläger den sächsischen LPT 2011.2 vom 1.Okt.
2011 in Leipzig mit all seinen Entscheidungen anfechtet und beantragt, diese
für unwirksam durch das LSG erklären zu lassen, mit der Begründung, dass der
Landesvorstand die selbst entworfenen Ausschreibungsregelungen für die
Festlegung des Ortes des LPT verletzt habe und prangert gerade die
überproportionale Wahl der Personen, die aus Leipzig stammen an, was er auf
den falsch festgelegten Tagungsort zurückführt. In der sächsischen Satzung
steht nur drin, dass der Vorstand Ort und Zeit festlegt und die
Einladungsmodalitäten zu beachten hat.
Als ich diese Klage im Oktober als jungfräulicher Schiedsrichter auf den
Tisch bekam, habe ich sofort auf der AG-Recht-Intern Liste eine Diskussion
angeschoben und gesagt, man müsse hier eine Rechtsanalogie zu § 41 ZPO
ziehen und hier feststellen, dass das LSG in der Sache gar nicht zu einer
Entscheidung berufen sein kann. Denn niemand darf Richter in eigenen
Angelegenheiten sein. Und bei einem solchen Antrag ist auch das gesamte
sächsische LSG betroffen, denn dessen Wahl und damit die Besetzung des LSG
wäre unwirksam, wenn der Kläger recht hätte.
Daraufhin hat sofort Markus auf der AG-Recht-Intern-Liste widersprochen,
aber diesen Widerspruch revidiert, nachdem andere Stimmen sich gemeldet
hatten und meine Ansicht bestätigten.
Wir hatten dann LSG-Intern am 30.10. 2011 diesen Fall intern beraten und
sind zur allseitigen Auffassung gelangt, dass wir hier schon nach §14
Parteiengesetz gehalten sind, uns jeglicher Entscheidung zu enthalten und
dass mangels eines Gerichtes, wo die Richter nicht in ausreichender Zahl als
von der Entscheidung ausgeschlossen zu gelten haben, gem. § 5 Abs. 8 SGO das
BSG berufen ist. Denn das Gebot eines "gerechten Verfahrens" in dem vorg.
§14 führt dazu, dass dieser elementare Rechtsgrundsatz auch Gültigkeit in
einer Parteischiedsgerichtsordnung haben muss. Und nun -dies einer meiner
rechtspolitischen Kritikpunkte an der SGO- enthält die SGO keinen Ansatz zu
diesem Problem. Die Befangenheitsregelungen erfassen dies auch nicht
hinreichend, denn was ist, wenn niemand sich für befangen erklärt und auch
keine Verfahrenspartei einen Befangenheitsantrag stellt? Dann würden nach
Eurer Rechtsaufassung wir berechtigt sein, dennoch in unseren Rechtsstatus
als gewählte Schiedsrichter unmittelbar betroffene Personen in unserer
eigenen Angelegenheit richten dürfen! Dieser SGO-Mangel wird auch nicht
geheilt durch eine Verweisung auf allgemeingültige Rechtsvorschriften, die
auch andere Parteien in ihren Schiedsordnungen drin stehen haben und dies
aus guten Grunde, denn eine Parteischiedsgerichtsordnung müsste ein zweites
"ZPO oder VwGO -Werk" werden, wenn man wirklich alle Verfahrensvorschriften
allumfassend in einer Parteisatzung regeln wollte. Markus und Gefion haben
diesem Bedürfnis im Oktober auf der AG-Recht-Intern-liste ausdrücklich
widersprochen. Hätten wir aber eine Verweisung auf unantastbare Regelungen
in anderen Gerichtsverfahrensordnungen, die elementare und unbestrittene
rechtsstaatliche Regelungen enthalten, hätten wir das hier geschilderte
Problem nicht. So sind wir gezwungen, de lege lata Rechtsfortbildung zu
betreiben und können uns nur mit § 14 Parteiengesetz weiterhelfen.
Da ich aber auf Grund der Besetzung des BSG und den Diskussionen im Oktober
2011 ahnte, dass diese tiefergehenden Gedanken nicht so richtig wahrgenommen
wurden, haben sich auf meine Initiative hin, alle 3 Richter und die 2
Ersatzrichter (wir beraten grundsätzlich alle gemeinsam und sind uns auch
alle bislang einstimmig einig!) HILFSWEISE für befangen erklärt, damit auch
nach den mageren Regelungen der SGO es keinen Zweifel geben darf, dass das
LSG Sachsen hier nicht berufen sein kann. Und dann hat paradoxerweise noch
der Kläger dies verunglimpft, indem er dem LSG vorwirft, es würde ihm eine
Tatsacheninstanz vorenthalten und sich nur einer Entscheidung enthalten
wollen, weil man nicht im Landesverband "anecken" wollen und dies nachdem
wir in der Abgabeverfügung -unverbindlich- zum Ausdruck gebracht hatten,
dass unsere -des LSG- Meinung nach die Klage unbegründet sei, denn die
statuarischen Rechte des Mitgliedes waren nicht betroffen und diesem ist nur
das Recht gegeben, über einen anderen LPT das politische Handeln des
Vorstandes anzuprangern in Form von neuen Anträgen und evtl. daraufhin
ergehenden Parteitagsbeschlüssen. Zudem wurde vom Kläger (nach eigenen
Angaben juristisch nach angelsächsischem Recht vorgebildet, jedoch auch mit
deutscher juristischer Erfahrung) angeprangert, wo es denn das gäbe, dass
solche Beratungen des LSG geheim stattfinden würden und das Verfahren des
LSG ein Treppenwitz sei und noch nicht einmal so in den Altparteien
vorkommen würde.
Ich habe als Berichterstatter und Vorsitzender eine entsprechende
"Verfügung" erlassen und original nur von mir unterschrieben samt
Originalklage zu Euch nach Berlin gesandt.
Nach den sodann erfolgten o.g. Angriffen des Klägers habe ich sodann
gesondert unser LSG-Vorgehen erläutert und weitere Rechtsausführungen zur
Situation der SGO gemacht.
Vorsorglich hatte ich folgendes in späteren Emails ausgeführt:
"Im Übrigen führt die Bundesschiedsgerichtsordnung nichts näher aus, in
welcher Form die Abgabe an das BSG gem. §5 Abs. 8 zu erfolgen hat. Es
wäre mangels näherer Ausgestaltung und mangels Verweises auf andere
Verfahrensordnungen auch in Hinblick auf das Gebot eines gerechten
Verfahrens gem. §14 Parteiengesetz auch nicht zwingend, hier eine besondere
Form vorzuschreiben. Daher sollte die hier gewählte Verfügung ausreichend
sein. Der Vorsitzende Richter hat ausdrücklich im Namen aller gewählter
Richter und Ersatzrichter die Rechtsaufassungen und deren Befangenheit
erklärt. Auch die Form einer solchen Erklärung schreibt die
Schiedsgerichtsordnung nicht explizit vor. Es kann sich somit allenfalls nur
um eine Frage des Nachweises handeln, ob sich wirklich alle Richter wegen
Befangenheit selbst abgelehnt haben. In der Sache wird dies aber nichts
ändern.
Ferner hatte ich u.a. wegen des Angriffes des Klägers, dass die
LSG-Mitglieder sich hier -ausdrücklich unverbindlich- zur Sache geäußert
haben, folgendes nachträglich ausgeführt:
"Die Plicht, gem. der Schiedsgerichtsordnung den Fall an das BSG
weiterzureichen, würde damit erfüllt. Darin erschöpft sich aber auch die
Handlungspflicht der ausgeschlossenen Richter. In der Sache ist damit der
Kläger keineswegs belastet, denn dass deswegen eine Tatsachen- und
Rechtsinstanz entfällt, beruht nicht auf Willkür der Richter, sondern auf
den eindeutigen Bestimmungen der Bundesschiedsgerichtsordnung. Und es ist
allein Sache des BSG den Fall unabhängig und objektiv zu behandeln und zu
beurteilen.
Im Übrigen entspricht es allen üblichen Prozessgepflogenheiten, dass ein
Gericht über die Behandlung eines eingegangenen Begehrens zunächst intern
berät. Erst eine spätere mündliche Verhandlung führt zu der erforderlichen
und gewünschten Transparenz, aber nur, wenn das Gericht auch weiterhin
zuständig ist. Es ist unergründlich, weshalb der Kläger die Rechtsforderung
erhebt, dass ein Richterkollegium sich nicht intern und unter Ausschluss der
Öffentlichkeit zunächst über die Behandlung des Falles beraten darf. Das
Ergebnis dieser Beratung wurde ja schließlich auch in der Verfügung
kundgegeben. Eine Beteiligung der Verfahrenskontrahenten an diesen
Beratungen sieht unsere Rechtsordnung nicht vor, und könnte nur durch den
Satzungsgeber so normiert werden. Das Gegenteil ergibt sich aber aus § 2
Abs. 3 der Schiedsgerichtsordnung und aus § 2 Abs. 5 Nr. 2 der
Schiedsgerichtsordnung i.V.m. der Geschäftsordnung des LSG
(http://wiki.piratenpartei.de/SN:%C3%84mter/Landesschiedsgericht/Gesch%C3%A4
ftsordnung) .
Wenn die Bundesschiedsgerichtsordnung einen subsidiaren Verweis auf andere
Rechtsvorschriften beinhalten würde, wäre es außer Frage gestanden, dass im
Verfahren vor dem Bundesschiedsgericht sämtliche gewählte Richter und
Ersatzrichter notwendigerweise als unmittelbare Betroffene beizuladen
gewesen wären, denn gerade mit der Entscheidung über den Klageantrag, ist
zugleich auch über deren Rechtsstellung zu richten. So ohne entsprechende
Regelung- stellt sich die Frage, ob nicht das Gebot eines gerechten
Verfahrens nach §14 Parteiengesetz es auch vorschreibt, alle vom LPT
gewählten Personen zwingend an diesem Anfechtungsverfahren zu beteiligen.
Durch einen Richterspruch wird nämlich nicht nur der gewählte Landesvorstand
möglicherweise betroffen, sondern auch alle anderen gewählten Personen, bis
hin zu den Rechnungsprüfern. Allen wurde mit der Wahl Rechte und Pflichten
gem. den Parteistatuten auferlegt, die es aber auch wahrzunehmen und ggf.
zu verteidigen gilt, wenn ein klägerisches Ansinnen unbegründet diesen
Rechtsstatus angreift, oder wenn evtl. ein Gericht zu der Entscheidung
gelangen will, dass das Klagebegehren begründet sei.
Daher war es zwar nicht die Pflicht, aber das gute Recht der Mitglieder des
LSG, eine eigene Meinung zur Sach- und Rechtslage zu artikulieren, wie dies
auch geschehen ist. Dies ist keine Manipulation, sondern die notwendige
Konsequenz aus dem vom Kläger eingeleiteten Verfahren, ohne dass das BSG an
diese Rechtsmeinung gebunden ist. Daher wurde auch ausdrücklich nur eine
unverbindliche Rechtsmeinung des LSG artikuliert. Die Besonderheiten
dieses Falles ließen dieses Vorgehen somit zu, ohne dass dadurch in die
Rechtssphäre des Klägers eingegriffen wurde."
Mit Euren (BSG!) gestrigen "Beschluss" (nur übermittelt per email und mit
PDF-Datei und nur mit Unterschrift des Vorsitzenden) habt Ihr in dem Tenor
zu 1. erklärt, dass Ihr das Verfahren übernehmt und im Tenor Nr. 2
festgestellt, dass meine Verfügung "formwidrig" sei, aber als
"Abgabebeschluss" ausgelegt wird. In der Begründung schweigt Ihr gänzlich
zum Rechtsproblem des gesetzlichen Ausschlusses, beschränkt Euch auf die
Feststellung, dass nur wegen der eigenen Befangenheitserklärung der Richter,
das LSG Sachsen handlungsunfähig ist und fordert zudem (nur in der
Begründung!), dass mindestens drei Richter den Formmangel durch
nachträgliche Einreichung ihrer unterschriebenen Befangenheitserklärung
heilen könnten. Und als Krönchen wird am Ende ausgeführt, dass das BSG die
Sorge des Klägers (fälschlicherweise als Antragsteller bezeichnet), durch
die "nicht gebotene" Darstellung der Rechtsmeinung des LSG, beinflusst zu
werden, nicht teilt.
Und nun meine massive Kritik an diesem Beschluss:
1. Es wäre dringend angebracht gewesen, sich zu dem Problem des
"gesetzlichen" Ausschlusses eines Richters rechtsdogmatisch
auseinanderzusetzen, auch wenn man vielleicht nicht unsere in der Verfügung
geäußerte Ansicht teilen will. Dies gebietet ein sorgfältiges
Auseinandersetzung mit dem zu behandelnden Streitstoff und es ist
rechtsstaatswidrig, zu Kernproblemen eines Rechtsstreites (auch in
Verfahrensfragen) schlicht zu schweigen. Genau dies bemängele ich in der
ordentlichen Gerichtsbarkeit und wozu ich mit meinem PA080 Antrag zum BPT
2011.2 einen Denkanstoß geben wollte. Dies ist ein sehr "piratiges Anliegen
und in eigenen Sachen sollten wir da vorbildlich sein!
2. Wen man unsere (des LSG) Meinung nicht folgen will, dass es keinen
gesetzlich Ausschluss vom Richteramt für uns gibt, so bedeutet Euer
Beschluss, dass es in der Piratenpartei möglich ist, ohne
Befangenheitserklärung in eigenen Angelegenheiten zu richten. Ein reiner
Wahnsinn!!!! Ist Euch dies ernsthaft bewusst? Ihr macht Euch lächerlich,
wenn Ihr dies ernsthaft vertreten wollt. Tut mir leid, wenn ich dies so
stark zum Ausdruck bringe, aber es muss einfach so sein! Immerhin hatte
Markus auf der Recht-Intern-Liste am Ende unserer Diskussion im Oktober doch
akzeptiert, dass das BSG doch auch nicht über seine Einsetzung entscheiden
darf, wenn der BPT angefochten wird. Daher erneut mein Grundanliegen: Die
Piraten haben doch den so guten Ansatz, dass man den Grundrechten, der
Demokratie und der Rechtsstaatlichkeit mehr Geltung verschaffen will, was
von den anderen Parteien vernachlässigt oder gar mit den Füssen getreten
wird. Und die Fassung Eures Beschlusses lässt nur den Schluss zu, dass Ihr
dies anders seht.
3.Ihr seid inkonsequent, wenn Ihr in der Begründung noch den Nachweis zur
Befangenheit, den ich Euch hilfsweise angeboten hattet, fordert. Denn wenn
dies wirklich notwendig wäre, hättet Ihr den Tenor nicht so fassen dürfen.
Ihr habt den Fall jetzt und das war's. Was soll diese Förmelei dann noch,
wenn die SGO doch ohnehin nichts dazu fordert, aussagt und Ihr eine
Verweisung auf andere Rechtsgrundsätze nicht wollt und §14 Parteiengesetz
solche Förmeleien auch nicht fordert? Und zudem ist mit meiner originalen
Unterschrift als Vorsitzender, der Feststellungen des LSG wiedergibt,
ausreichend. Eurer eigener Beschluss ist ja zudem auch nur durch den
Vorsitzenden unterschrieben. Was soll das also? Und rechtsdogmatisch kann es
nicht sein, dass ein Gericht, das handlungsunfähig ist noch einen
"förmlichen Beschluss" fassen muss, der evtl. noch von allen unterschrieben
werden muss. Das steht alles nicht in der SGO und der Wortlaut spricht sogar
für einen Automatismus, sodass das Gericht sogar von Amts wegen, diesen Fall
an sich ziehen müsste. Dies gebietet die Fürsorgepflicht eines Gerichtes im
Umgang mit rechtssuchenden Laien! Daher reicht die von uns gewählte Form für
ein rechtsstaatliches Verfahren mehr als genug aus! Aber darüber müsste man
gar nicht erst reden, wenn Ihr nur verstehen würdet, dass es letztlich nicht
um die Frage der Befangenheit geht, sondern um einen elementaren
Rechtsstaatsgrundsatz, dass wir als LSG nicht als kraft Gesetzes
ausgeschlossene Richter entscheiden dürfen und da ist jede formlose Info an
Euch ausreichend! In diesem Zusammenhang weise ich auf die Info von Privacy
hin: In einem ähnlichen Fall wurde durch einfache email-Nachricht vom LSG an
das BSG der Fall "weitergeschoben" und niemand hat sich daran gestört. Warum
jetzt plötzlich?
4. Und schließlich: Warum ignoriert Ihr gänzlich das Problem der notwendigen
Beiladung aller vom LPT gewählter Personen? Claudia hatte das Rechtsinstitut
zu Recht in ihrem Reformvorschlag drin gehabt und ich denke §14
Parteiengesetz schreibt dies zwingend vor, denn es geht nicht an, gewählte
Personen ohne rechtliches Gehör an einem solchen Verfahren auszuschließen
und diesen nicht die Möglichkeit zu geben, zu einer drohenden
Unwirksamkeitserklärung in Bezug auf ihre Wahl Stellung zu nehmen. Das wäre
elementar RECHTSSTAATSWIDRIG und es wäre ebenfalls ein Punkt für die
Unglaubwürdigkeit piratiger Anliegen durch mangende Umsetzung in eigener
Sache. Und eine Verweisung auf andere Rechtsvorschriften, hätte auch hier
die Lösung gebracht, ohne das selbst konkreter normieren zu müssen. Privacy
teilte mir auf Grund ihrer früheren Erfahrungen mit, dass das BSG dieses
Anliegen immer ignoriert hat. Umso unangebrachter ist es, wenn Ihr im
Schlusssatz durch die Worte "nicht gebotene Darstellung der Meinung des
Ausgangsgericht" zum Ausdruck bringt, dass das LSG nicht gehalten sein darf,
hier eine "unverbindliche Rechtsmeinung" mit auf dem Weg zu geben. Daher
bleibe ich dabei: Es ist unser gutes Recht sich hier zu artikulieren, wir
sind nicht die berufenen Richter in dieser Sache und wir lassen uns nicht
verbieten, hier eine Meinung zu artikulieren, denn Ihr entscheidet über
unseren Rechtsstatus.
Und zu guter Letzt: Die Mangelhaftigkeit der Schiedsgerichtsordnung zeigt
sich auch in diesem Fall, wenn man § 7 SGO hier mit der mangelhaften Fassung
mit den Ausnahmetatbeständen des Abs. 5 betrachtet. Ich zitiere aus einer
anderen von mir erlassenen Verfügung in anderer Rechtsache:
"Eines Schlichtungsverfahrens nach § 7 der Bundesschiedsgerichtsordnung
bedarf es bei teleologischer Auslegung (Reduktion) der Satzungsregelungen
nicht, denn es ist bei Beschlussanfechtungen von der Natur der Sache her
nicht möglich, eine allgemeinverbindliche außergerichtliche Vereinbarung
zwischen dem Vorstand und dem Mitglied in der Sache zu treffen, denn dadurch
würde wieder in die statuarischen Rechte aller nicht beteiligten Mitglieder
der Piratenpartei in Dresden automatisch eingegriffen werden."
Das haben wir nicht in dieser Sache ausdrücklich thematisiert, weil es
eigentlich eine Selbstverständlichkeit ist, die sogar Markus auf
AG-Recht-Intern-Liste bestätigt hatte. Aber es zeigt die handwerklichen
Fehler die im letzten Mai auf dem BPT gemacht wurden, als § 7 eingeführt
wurde. Letztlich erweist sich diese Vorschrift als bedeutungslose Hülse,
wenn man die ohnehin beschränkten Klagemöglichkeiten des einzelnen Piraten
beleuchtet.
All diese Probleme und noch vieles mehr wäre konstruktiv in einer großen
Runde von Schiedsrichtern und interessierten Juristen zu besprechen. Warum
ist dies so schwierig?
Ich mache dies alles hier bewusst parteiintern öffentlich, denn es geht nur
an Vorstände, juristische Mitarbeiter und Schiedsrichter. Es werden keine
fremde Daten weitergeleitet, keine schützenswürdige Belange Dritter
beeinträchtigt, sondern nur abstrakte Rechtsprobleme und Politikgrundsätze
angesprochen. Dies nur vorbeugend für etwaige Kritiker, die meinen sollten,
hier würden unzulässig Internas aus den Schiedsgerichten preisgegeben.
Unsere Verfügung zum Fall LSG-SN-2/11 wird ohnehin im Wiki veröffentlicht
und das BSG sollte auch in seinen Rechten nicht belastet sein. Diese Email
dient nur dem Wohle der Partei. Daher bitte eine etwaige Kritik fundiert
begründen.
LG
Thomas Walter
-----Ursprüngliche Nachricht-----
Von: Joachim Bokor [mailto:j@bokor.de]
Gesendet: Dienstag, 13. Dezember 2011 21:59
An: Lord Peter London; vorstand@piratenpartei-sachsen.de
Cc: dr.th.walter@t-online.de; Interne Liste des Schiedsgerichts
Betreff: BSG_2011-22-29
Liebe Verfahrensbeteiligte,
im Anhang erhaltet Ihr den heutigen Beschluss mit der Bitte, dessen Eingang
zu bestätigen.
Einen schönen Abend noch,
für das Bundesschiedsgericht
Joachim Bokor
Vorsitzender Richter
- Re: [Schiedsgericht-koordination] BSG_2011-22-29, Dr. Thomas Walter, 14.12.2011
- [Schiedsgericht-koordination] Weihnachtsgrüße, MainBrain, 14.12.2011
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