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Betreff: Rlp-aw mailing list
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- From: "Ivo Dubiel" <dubiel AT t-online.de>
- To: rlp-aw AT lists.piratenpartei.de
- Subject: [Rlp-aw] BEO Programmantrag: Volksentscheide kippen Parlamentsbeschlüsse
- Date: Wed, 10 Dec 2014 23:14:05 +0100
- List-archive: <https://service.piratenpartei.de/pipermail/rlp-aw>
- List-id: <rlp-aw.lists.piratenpartei.de>
Hallo & Ahoi Ahrpiraten,
möchte folgenden BEO-Antrag stellen und brauche dafür mindestens 4 Unterstützer mit Mitgliedsnummer, Name oder Pseudonym, Bestätigung, dass der Beitrag 2015 gezahlt wurde UND Verifizierung für den BEO.
Hier mein Antrag:
Nicht das Verfassungsgericht, nicht das Parlament, nicht die Regierung – das Volk ist der Souverän. Daher muss möglich werden, dass erfolgreiche Volksentscheide Parlamentsbeschlüsse kippen können. Volksentscheide, die eine Zwei-Drittel-Mehrheit erreichen, ändern auch das Grundgesetz.
Begründung:
Aufgrund der braunen Vorgeschichte und der Kontrolle durch die Alliierten ist das Grundgesetz demokratisch-kritisch. Über Sachfragen darf nicht das Volk, sondern nur gewählte „Repräsentanten“ entscheiden.
Wenn die politische Machtverteilung – jeder Bürger hat eine Stimmen - und die wirtschaftliche Machtverteilung – das reichste Zehntel besitzt 60 % - auseinanderfällt, ermöglicht diese indirekte Demokratie den Reichsten, politische Entscheidungen wirtschaftlich zu beeinflussen durch illegale und legale Korruption (Parteienfinanzierung, lukrative Verträge und Posten). Mit dieser Demokratie können die Reichen leben und das System vermeidet größere Konflikte.
Dieses System unterhöhlt aber die Demokratie und macht sie zur Farce. Nicht wählen zu gehen, wird zur rationalen Entscheidung. Wichtige Entscheidungen – eine grundlegende Gesundheits- und Steuerreform – werden verwässert oder ganz vertagt.
Demokratisch nicht legitimierte Instanzen wie Verfassungsrichter können selbst Parlamentsbeschlüsse als nicht verfassungsgemäß aufheben, wenn sie die Interessen der Reichen tangieren. So annullierte der US-Supreme Court schon zweimal Gesetze als Eingriff in die Meinungsfreiheit, die die Höhe der Parteienfinanzierung deckeln. Das Bundesverfassungsgericht annullierte die Vermögenssteuer. Es wäre ja dafür, wenn alle Vermögen gleichmäßig, wenn produktives Realkapital so besteuert wird wie unproduktives Vermögen, dass konsumiert wird oder der Spekulation dient. Der Sinn einer Vermögenssteuer ist aber, produktives Kapital zu schonen und unproduktives zu vermindern und in den Wirtschaftskreislauf zurückzuführen.
[Produktives von unproduktivem Kapital zu unterscheiden war die Grundlage der klassischen Theorie von Quesnay, Adam Smith, David Ricardo, J.St. Mill und – verzerrt – von Marx. Und auch Sraffa (1960) betont in dieser makro-ökonomischen Logik die unterschiedliche Bedeutung von basics und non-basics im Wirtschaftskreislauf. Um Wirtschaft und Gesellschaft nicht gegen die Wand zu fahren, muss unproduktives Kapital vermindert und produktives gestärkt werden. Die Bourgeoisie, aber auch aufgeklärter Adel wie Mme Pompadour, die eine Revolution verhindern wollte, zeigte über diese Begriffe die Folgen auf, die eine „Weiter so“-Politik des Adel haben wird. Als die Bourgeoisie den Adel ablöste, wurden solche Begriffe verfemt – sie dienten ja auch der Analyse des Verhaltens der Bourgeoisie. „Sofisticated“ bedeutete vorher„unpraktisch, nutzlos“ und erhielt jetzt die Bedeutung „erste Sahne“, was aufzeigt, dass eine Besteuerung dieser Vermögen wachstumsfördernd gewesen wäre. Die Theorie wurde mikro- ökonomisch, denn dort ist nichts unproduktiv. Ökonomen und Richtern ist ein Verständnis solcher Zusammenhänge durch die herrschende Theorie verstellt.]
Nach dem Krieg hatten Vermögende und Vermögenslose ein gemeinsames Ziel: den Wiederaufbau. Der Kalte Krieg führte zum Projekt der sozialen Marktwirtschaft und auch die CDU wollte die Montanindustrie nationalisieren. Die Vermögensverteilung war nur mäßig ungleich, denn der Krieg hatte Vermögen vernichtet. Mit dem Abschluss des Wiederaufbaus und der Erosion der Macht der UdSSR wurden nach 1970 soziale Rücksichten unwichtig. Eine wachsende Ungleichheit der Einkommen und Vermögen schuf eine Gesellschaft der zwei Welten und gegenläufiger Interessen.
Durch internationale Verträge innerhalb und außerhalb der EU wurde die Freiheit der Parlamente eingeschränkt, denn selbst die waren den Wohlhabenden suspekt. Man füge ein finanzkräftige Lobby zusammen, bearbeite die Abgeordneten der USA mit Versprechen hinsichtlich der lokalen Wirtschaft und den nächsten Wahlen, mache so das Projekt zu einem Anliegen der US-Regierung, die es dann ihren „Partnern“ aufs Auge drückt. Da das Projekt mit anderen (nicht-öffentlichen) Versprechungen und Drohungen zusammen als Paket angeboten wird, findet es Zustimmung, selbst wenn seine Folgen fatal sind. Die Bürger sind dem ausgesetzt, als wären es Naturgewalten.
Volksentscheide über Sachfragen, die Parlamentsbeschlüsse kippen können, geben der Demokratie wieder Bedeutung. Damit sind Parlamente gezwungen, so zu entscheiden, dass spätere Volksentscheide wenig erfolgreich werden. Volksentscheide, auch Verfassungsänderungen, sind auf Landesebene bereits meist möglich. Warum nicht auf Bundesebene ?
Als Theodor Heuss den Mitgliedern des Parlamentarischen Rates am 9.9.1948 "Cave canem!" zurief, meinte er nicht sich selbst und seine Partei, die Hitlers Ermächtigungsgesetzen zustimmte. Er meint das Volk, dessen Präsident er wurde. Das Misstrauen der „Eliten“ gegenüber dem eigenen Volks ist verständlich. Das Volk könnte sie überflüssig machen. Platon und Aristoteles lobten die stabilen politischen Verhältnisse Spartas und kritisierten Athens Volksdemokratie. Sparta ist heute ein Dorf, das keinen intelligenten Satz hinterlassen hat. Athens Erbe prägt Europa bis heute. Es war 250 Jahre kulturell, politisch, militärisch und auch sozial der führende Stadtstaat des Mittelmeers. Nicht trotz, sondern aufgrund einer Volksdemokratie, in der Reiche neben Armen gemeinsam Verantwortung trugen.
- [Rlp-aw] BEO Programmantrag: Volksentscheide kippen Parlamentsbeschlüsse, Ivo Dubiel, 10.12.2014
- Re: [Rlp-aw] BEO Programmantrag: Volksentscheide kippen Parlamentsbeschlüsse, Benedikt Steinhoff, 11.12.2014
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