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ostwestfalen-lippe - [OWL] WG: Warum ich derzeit ein wirklich großes Problem mit der Piratenpartei habe

ostwestfalen-lippe AT lists.piratenpartei.de

Betreff: Regionale Liste für OWL (im Nordosten von NRW)

Listenarchiv

[OWL] WG: Warum ich derzeit ein wirklich großes Problem mit der Piratenpartei habe


Chronologisch Thread 
  • From: Michael Gugat <gugatti AT hotmail.com>
  • To: Crew Bielefeld <crew-bielefeld AT lists.piratenpartei.de>, OWL Mailingliste <ostwestfalen-lippe AT lists.piratenpartei.de>
  • Subject: [OWL] WG: Warum ich derzeit ein wirklich großes Problem mit der Piratenpartei habe
  • Date: Mon, 3 Oct 2016 19:34:57 +0000
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Warum ich derzeit ein wirklich großes Problem mit der Piratenpartei habe


Eine Bemerkung vorweg: Mein eigenes Wahlergebnis auf der AV hat nur sehr peripher mit den folgenden Äußerungen zu tun, denn es war für mich absolut absehbar. Ich bin absichtlich mit einer bestimmten Thematik in die Kandidatur gegangen und es war mir klar, dass ich nicht gewählt werde. Hätte ich in meiner Kandidatur das Piraten-Bullshit-Bingo durchdekliniert und deklamiert („Es braucht Piraten!“, „Wir sind alternativlos!“, „Die anderen sind alle doof und unwählbar!“, „Nur wir haben die Lösungen und Wahrheiten für die Zukunft!“, „Die Medien schreiben uns runter!“ [beliebig fortsetzbar]), welches die kontemporäre Piratenseele gestreichelt und massiert hätte, dann hätte das möglicherweise anders ausgesehen.

Alle folgenden Äußerungen sind meine persönliche Meinung. Sie erheben nicht den Anspruch auf Wahrheit und ich spreche auch nicht für irgendjemand anderen. Ich kann mich in meinen Einschätzungen irren. Sie entsprechen gleichwohl meinen persönlichen Wahrnehmungen und Empfindungen und eben auch meinen persönlichen sachlichen Bewertungen der Situation.

Die Aufstellungsversammlung in Gelsenkirchen habe ich als insgesamt entsetzlich bezüglich des Zustandes der Piratenpartei empfunden. Warum?

Die Professionalität der Partei

Die Piratenpartei ist jetzt 10 Jahre alt, in NRW wurde der Landesverband vor neun Jahren gegründet. Sie hat seitdem unzählige Versammlungen organisiert. Man sollte meinen, dass eine gewisse Routine in das Tun und Treiben gekommen wäre. Dann wäre immer noch genug Platz und Raum für piratentypisches Brauchtum, wie sinnbefreite GO-Antragsschlachten.

Jetzt aber begann das ganze wieder mit anderthalbstündiger Verspätung, abstruse Wahlordnungen wurden beschlossen und wieder verworfen (und somit der komplette erste Tag), die Kandidierenden konnten sich nicht vorbereiten, weil sie vorher nicht wußten, wie viel Redezeit sie bekommen werden, was für die Komposition einer Rede eminent wichtig ist. Es durften Leute kandidieren, ohne dass sie sich im Vorfeld vorgestellt hätten. Die Wahlen selbst waren voller Pannen und Fehler (ich sage nur: USB-Sticks), so dass diese sicherlich sogar anfechtbar wäre.

Leute sind ohne Befragung auf eine „Wertschätzungsliste“ gekommen, obwohl sie eigentlich als untauglich ausgemustert wurden und diese dürfen jetzt mit Fug und Recht im Namen der Piraten sprechen, weil sie auf einer offiziellen Liste stehen: Bei einigen gruselt und entsetzt es mich, dass ich mit denen in Verbindung gebracht werden könnte.

Dass diese „Wertschätzungsliste“ überhaupt noch gewählt wurde, war absolut nicht absehbar. Bei der Wahl waren kaum noch akkreditierte Piraten anwesend. Mehrmals wurde vorher von Versammlungs- oder Wahlleitung geäußert, dass keine Wahl mehr stattfinden würde. Viele (unter anderem auch sechs Bielefelder Piraten) sind dann nach dem Foto der Kandidaten gefahren. Der Weg ist weit, der nächste Tag ein Arbeitstag.

Hier die chronologische Auflistung bis zur grotesken Wahl der „Wertschätzungsliste“ (Zeiten aus dem YouTube-Video der AV von Sonntag): https://www.youtube.com/watch?v=kKTiRQg7XbE

 

08:43:36 Versammlungsleitung: "Problem, zeitlich, wenn noch ein Wahlgang, wegen Abbau"

08:44:33 Wahlleitung: "Fakt ist: Wir können jetzt nicht noch einmal einen Wahlgang machen". Danach: Verkündung Wahlergebnis.

ca. 09:02 Foto der Listenkandidaten

09:06:30 Versammlungsleitung "Wir haben ein Problem. Wahl kriegen wir nicht mehr gebacken. Zwei Möglichkeiten, Absage der Wahl oder Vertagung". Diskussion am Saalmikro

ca. 09:14 Wahlleitung "Kein gutes Gefühl. Lasst es bleiben"

ca. 09:21 Erfassung, wer überhaupt noch kandidieren würde

ca. 09:27 Wahlleiter "Wir riskieren noch einen Wahlgang"

 

Eine vorbereitete und choreographierte Aufstellungsversammlung/Parteitag ist NICHT per se undemokratisch, wie ich schon oftmals aus Piratenkreisen vernahm. Das wäre schlicht und ergreifend lediglich professionell.


Die Aufstellungsversammlung in Gelsenkirchen war jedoch ein Arschtritt für einen demokratisch denkenden Menschen.


Den vielen Menschen, die bei der organisatorischen Durchführung beteiligt waren (Aufbau, Abbau, Stream, etc.) danke ich und dieses ist ausdrücklich keine persönliche Kritik an euch. Das Problem liegt im Piratensystem, nicht an euch.

 

Die inhaltlichen Äußerungen und das Verhalten der Piraten auf der AV und im Vorfeld

Die Piraten gaben meiner Ansicht nach das Bild einer dogmatischen, sektenartigen Partei ab. Es gibt in meinen Augen eine Text-Bild-Schere zwischen der sehr liberalen, inklusiven und menschenfreundlichen Programmatik und den Äußerungen und Handlungen vieler Piraten.

„Nur die Piraten haben die Wahrheit, alle anderen sind doof.“

„ Die Piraten sind alternativlos.“

Ja, na sicher…

Die Versammlungsteilnehmer an sich waren extrem unkonzentriert, oftmals viel zu laut bei den Reden oder Befragungen. Das ist sehr schlechtes, respektloses Benehmen.

Die Versammlungsteilnehmer waren meiner Ansicht nach schlecht vorbereitet. Konkretes Beispiel: Meine Kandidaturseite auf meinem Blog wurde insgesamt nur 90mal abgerufen. Davon rund 60 mal von den Verlinkungen auf den lokalen Mailinglisten und exakt 12 mal aus dem Kandidatenportal oder dem AV-Wiki. Das heißt: Die Versammlung hat einen feuchten Kehricht interessiert, was ich vorher geschrieben habe oder wofür ich stehe. Das meine ich nicht persönlich beleidigt, sondern das dürfte bei den anderen Kandidaten nicht anders gewesen sein. Fazit: Es ist grundsätzlich wumpe, ob man irgendetwas von sich gibt. Der ständig geäußerte Anspruch an demokratischer Teilhabe wird durch dieses Verhalten parteiintern in der Wirklichkeit ad absurdum geführt.

 

Das Niveau der Kandidaten und die gewählten Listenkandidaten

Prämisse: Es geht um geeignete Personen, die den überaus anspruchsvollen Job einer/eines Landtagsabgeordneten ausüben können. Dazu zählt nicht nur das Verständnis des Systems an sich, Textverständnis, rhetorische Fähigkeiten, sondern eben auch Repräsentanzfähigkeiten gegenüber der eigenen Partei und vor allem sämtlichen fast 18 Millionen Einwohnern in NRW.

Dennis Deutschkämer (Listenplatz 10, Null Erfahrung als Mandatsträger, nicht einmal sachkundiger Bürger) meinte auf der AV, dass die Gründe, weshalb die Regierungskoalition Anträge der Piraten ablehnen würde („zu weit gehend, nicht weit genug gehend, nicht die richtige Zeit“) nur vorgeschoben sind. Das bekräftige Felix Wöstmann (Listenplatz 14, Null Erfahrung als Mandatsträger, nicht einmal sachkundiger Bürger)  mit anderen Worten im Westpol-Interview am 02.10.2016.

Gerade diese Aussagen zeigen mir ein völliges Unverständnis und Unkenntnis der politischen Systematik. Wenn man danach sucht findet man sicherlich ähnliche absurde Aussagen von derzeitigen Landtagsabgeordneten der Piraten. Es gilt das Narrativ „Alle doof außer ich!“.

Stefan Kottas (Listenplatz 30), ist der Auffassung, dass die Bielefelder Piraten „ihre Seele verkauft haben“, als sie in eine Koalition mit Rot-Grün gingen und Verantwortung übernahmen. Really?

Auf Listenplatz 20 ist jemand gewählt worden, von dem ich, der ich mich als ziemlich gut druchinformiert fühle, vorher noch nie gehört habe, der laut eigener Wikiseite 2012 mal an diversen Demos teilnahm und 2016 auch an zwei Demos beteiligt war. Erstaunlich.

Kai Baumann (Listenplatz 12) hat eine rhetorisch meiner Auffassung nach unterirdische Rede gehalten. Weinte er tatsächlich oder brach einfach nur seine Stimme vor Aufregung? Ich mein, er will Landtagsabgeordneter werden und das war ja nun nicht die UNO-Vollversammlung vor der redete, da sollte man sich schon im Griff behalten können, oder bin ich zu streng?

Auf gewisse andere Kandidierende will ich gar nicht im Einzelnen eingehen, weil ich niemanden vorführen möchte, der einfach nur dabei sein möchte, da passte oftmals weder persönlich, rhetorisch, inhaltlich noch intellektuell irgendetwas. Da können wir weitestgehend Einigkeit herstellen, oder?

Auf die ersten Plätze wurden ausschließlich derzeitige Landtagsabgeordnete gewählt. In ihren Reden sind diese weitestgehend darauf eingegangen, was sie alles Tolles gemacht haben, nicht, was sie tun wollen. Schon gar nicht, was sie möglicherweise ändern wollen. Also scheint ja alles suppiduppi im Landtagskosmos für und durch die Piraten gelaufen zu sein. Die Versammlung folgte dieser Einschätzung kurioserweise.

Aus Bielefelder (oder auch OWL-Sicht) irritiert es mich ziemlich, dass anscheinend vergessen wurde, dass kein einziger Landtagsabgeordneter jemals proaktiv auf unserem Stammtisch oder Infoständen auftauchte. Oliver Bayer als unser „Pate“ war insgesamt vielleicht 6-7 mal auf Einladung da. Auch ein paar andere waren auf Einladung zu bestimmten Veranstaltungen bei uns vor Ort. Einige haben wir hier niemals gesehen. Das muss schon ein besonderes Politikverständnis sein, wenn einem die eigene Basis und auch die Wähler anscheinend egal sind. Vorschlag: Auflösung des NRW Landesverbandes und Konzentration auf Rhein-Ruhr.

Im Ernst: Niemand verlangt wöchentliche oder monatliche Besuche bei uns. Ob die Anzahl der Besuche bei uns in viereinhalb Jahren ausreichend waren, wage ich zu bezweifeln, das soll aber jeder selber entscheiden. Mein persönliches Verständnis von Basis- und Bürgernähe ist das nicht.

Interessant auch: Kein einziger (in Worten: Null) Abgeordneter hat mal bei uns in Bielefeld nachgefragt „Sagt mal, wie genau läuft das eigentlich so in einer Koalition?“. Es scheinen ja alle über ausreichend profundes Wissen darüber zu verfügen.

Ein Hinweis: Sämtliche oben genannten Personen sind vielleicht tolle Menschen. Ich kenne nicht alle persönlich. Meine Aussagen, meine Kritik bezieht sich auf Inhalt und/oder Stil. Ich bitte ausdrücklich darum, meine sachlich gemeinte und begründete Kritik nicht als ad hominem aufzufassen, denn so ist sie ausdrücklich nicht gemeint. Wenn ihr euch beleidigt fühlt, dann lest das bitte einfach noch einmal.

Fazit.

Diese Partei ist derzeit nicht mehr meine Partei.

Das offensichtliche Politikverständnis der Gesamtheit der NRW Partei, manifestiert in der letzten Versammlung, und von einzelnen, maßgeblichen Protagonisten (z.B. Vorstand, MdL, Listenkandidaten) weicht von meinem anscheinend stark ab.

Das unprofessionelle Auftreten der Piraten und der mangelnde Wille zur Erkenntnis der derzeitigen Realität inklusive mangelnder Selbstreflexion („Alles läuft super!“, „Es gibt keinen Streit in der Partei, die Medien lügen!“) erschrecken mich.

Ich denke nicht, dass das jetzt gewählte Kandidatenteam die politische Kraft dafür haben wird, wieder für den Landtagseinzug zu sorgen.

Das Bielefelder Team hat sich in der Stadt eine Reputation aufgebaut, die ich durch das Verhalten und das Auftreten der NRW-Partei und durch die Protagonisten, die deren Repräsentanten sind, ernstlich in Gefahr sehe. Wir haben hier noch eine Aufgabe bis 2020 und möchten auch darüber hinaus die Bielefelder Politik mitgestalten. Die NRW Partei ist derzeit eine Last für uns.

Zur Zeit sehe ich persönlich mich außerstande, Wahlkampf für die Piratenpartei NRW zu machen. Derzeit werde ich mein Gesicht nicht für eine Direktkandidatur im Namen der PIRATEN hergeben können.

Die Bielefelder Piraten haben sich in der Woche nach der Aufstellungsversammlung in Gelsenkirchen zweimal getroffen und intensiv das weitere Vorgehen besprochen. Schritt eins: Absage der lokalen Aufstellungsversammlung am 09.10.2016.

Wir haben noch bis Ende Januar Zeit, eine Aufstellungsversammlung  durchzuführen, vielleicht passiert das auch noch. Und wir brauchen diese Zeit, Schnellschüsse sind nicht unser Ding.

Wir Bielefelder Piraten haben Spaß an der Politik. Wir wollen weiter echte Politik machen und werden das auch bis mindestens 2020 tun dürfen. Um das darüber hinaus tun zu können, ist die Frage, ob uns die Marke Piraten nicht eher schadet, als nützt. Das muss man irgendwann ganz rational bewerten.

Solidarität ist für mich ein ungemein wichtiger Wert. Derzeit sehe ich nur offene Ablehnung und Bekämpfung des „Bielefelder Wegs“ und eben keine Solidarität oder auch nur Interesse von NRW. Da fällt es mir sehr schwer, umgekehrt solidarisch zu sein. Nibelungentreue kann man von mir auf keinen Fall erwarten.

Ich bin noch Mitglied der Piraten. Derzeit ist die Piratenpartei jedoch kopfmäßig nicht mehr meine Partei. Schauen wir mal, wie sich das entwickelt.

Sorry.





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