ostwestfalen-lippe AT lists.piratenpartei.de
Betreff: Regionale Liste für OWL (im Nordosten von NRW)
Listenarchiv
- From: "Andreas Rohrmann" <andreas AT rohrmann.com>
- To: Ostwestfalen-Lippe AT lists.piratenpartei.de
- Cc: Detmold AT lists.piratenpartei.de
- Subject: [OWL] Recht auf anonymisierte Internetnutzung
- Date: Thu, 6 Oct 2011 15:28:21 +0200
- Importance: Normal
- List-archive: <https://service.piratenpartei.de/pipermail/ostwestfalen-lippe>
- List-id: Regionale Liste für OWL (im Nordosten von NRW) <ostwestfalen-lippe.lists.piratenpartei.de>
Das sollten wir mal jedem CDU/CSU Bundestagsabgeordneten schicken!
Bzw. wie die Thesen von Martin Luther öffentlich bei den Innenministerien,
Polizei u.ä. Behörden an den Eingangstüren aushängen!
Greetz Andreas70
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OLG Hamm: Recht auf anonymisierte Internetnutzung
OLG Hamm, Beschluss v. 20.08.2003, Az. I-3 U 196/10
Link:
http://www.telemedicus.info/urteile/Allgemeines-Persoenlichkeitsrecht/1302-OLG-Hamm-Az-I-3-U-19610-Recht-auf-anonymisierte-Internetnutzung.html
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1. § 13 Abs. 7 TMG berechtigt nicht einen Dritten, Auskunft von einem
Dienstanbieter über einen Nutzer zu verlangen, da diese Norm
ausschließlich das Anbieter-Nutzer-Verhältnis betrifft.
2. Art. 15 Abs. 2 ECRL begründet keinen Auskunftsanspruch eines Dritten
gegen einen Dienstanbieter über einen Nutzer des Dienstes, da die Norm nur
eine Möglichkeit und keine Verpflichtung für die Mitgliedstaaten vorsieht,
bestimmte Informationspflichten für Dienstanbieter zu bestimmen und ferner
allenfalls einen Auskunftsanspruch gegen Behörden zulässt.
3. Die anonyme Nutzung ist eine für das Internet typische Nutzungsart, die
von der grundgesetzlich geschützten Meinungsfreiheit umfasst ist, da
andernfalls die Verpflichtung, sich namentlich zu einer bestimmten Meinung
zu bekennen, allgemein die Gefahr begründen würde, dass der Einzelne aus
Furcht vor Repressalien oder sonstigen negativen Auswirkungen seine
Meinung nicht äußert.
4. Im Zuge der Abwägung des Persönlichkeitsrechts eines Betroffenen mit
dem Recht auf Meinungsäußerung eines Bewertenden im Rahmen eines
Bewertungsportals, kann der Umstand, dass die bewertete Tätigkeit des
Betroffenen für jedermann öffentlich zugänglich ist, zu einer Abwägung
zugrunsten der Meinungsfreiheit führen, da an der Berichterstattung in
einem solchen Fall ein überwiegendes generelles öffentliches Interesse
bestehen kann.
OBERLANDESGERICHT HAMM
Beschluss
Aktenzeichen: I-3 U 196/10
Verkündet am: 03.08.2011
Der Senat weist nach Vorberatung darauf hin, dass beabsichtigt ist, die
Berufung des Klägers gegen das am 11.10.2010 verkündete Urteil des
Einzelrichters der 8. Zivilkammer des Landgerichts Münster gemäß § 522
Abs. 2 ZPO durch einstimmigen Senatsbeschluss bei einem noch
festzusetzenden Berufungsstreitwert in Höhe von insgesamt 40.000,00 Euro
zurückzuweisen.
Es besteht Gelegenheit zur Stellungnahme binnen zwei Wochen nach
Zustellung dieses Beschlusses.
Gründe
1.
Die Berufung des Klägers gegen das klageabweisende Urteil des Landgerichts
Münster hat gemäß § 522 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 ZPO keine Aussicht auf Erfolg.
Der Kläger hat gegen die Beklagten keinen Anspruch auf Entfernung bzw.
Unterlassung der von ihm beanstandeten Äußerung des Nutzers "T X" vom
26.10.2008 (aktualisiert am 16.11.2008) auf der Homepage "(...)" sowie auf
hiermit im Zusammenhang stehenden materiellen und immateriellen
Schadensersatz aus den hierfür in Betracht kommenden Anspruchsgrundlagen
der §§ 823 Abs. 1, 1004 Abs. 1 BGB, § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. §§ 185 ff.
StGB, § 35 Abs. 2 Satz 2 Nr. 1 BDSG, § 4 Abs. 1 BDSG.
Angesichts des Inhalts der anonym unter der Bezeichnung "T X" abgegebenen
Äußerung ist im Rahmen der rechtlichen Bewertung zu unterstellen, dass es
sich bei dem Verfasser der Äußerung auf der Grundlage der von der
Beklagten zu 1) herausgegebenen Nutzungsbedingungen und dem zugehörigen
Verhaltenskodex um einen wohl ehemaligen Patienten des Klägers
handelt, der mit der Behandlung durch den Kläger unzufrieden war. Eine
hiervon abweichende Identität des Verfassers vermag der Kläger nicht
nachzuweisen, da ihm gegenüber dem Beklagten kein entsprechender
Auskunftsanspruch zusteht. Einem solchen Auskunftsanspruch steht die
eindeutige Wertung des Gesetzgebers in § 13 Abs. 6 Satz 1 TMG entgegen,
wonach ein Dienstanbieter wie die Beklagte zu 1) die Nutzung von
Telemedien anonym oder unter pseudonym zu ermöglichen hat, soweit dies
technisch möglich und zumutbar ist. Soweit der Kläger sein
Auskunftsbegehren in erster Instanz auf § 13 Abs. 7 TMG gestützt hat, ist
von ihm übersehen worden, dass diese Norm lediglich dem Nutzer
vorliegend also der sich hinter der Bezeichnung "T X" verbergenden Person
einen Anspruch auf Auskunft über die zu seiner Person oder zu seinem
Pseudonym gespeicherten Daten gewährt. Ein Auskunftsanspruch des Klägers
vermag ferner nicht damit begründet zu werden, dass der deutsche
Gesetzgeber Art. 15 Abs. 2 der E-Commerce-Richtlinie (ECRL) nicht
umgesetzt hat; abgesehen davon, dass die in Art. 15 Abs. 2 ECRL
vorgesehene Ermächtigung des europäischen Richtliniengebers nur eine
Möglichkeit und keine Verpflichtung für die Mitgliedstaaten vorsieht,
bestimmte Informationspflichten für Dienstanbieter zu bestimmen (vgl.
Hartmann, Unterlassungsansprüche im Internet, S. 143), begründet Art. 15
Abs. 2 ECRL allenfalls einen Auskunftsanspruch der zuständigen Behörden.
Mangels Vorliegens einer planwidrigen Lücke kann daher ein
Auskunftsanspruch des Klägers auch nicht im Wege einer analogen Anwendung
des § 809 BGB oder aus § 242 BGB hergeleitet werden.
Die für das Internet typische anonyme Nutzung entspricht zudem auch der
grundrechtlichen Interessenlage, da eine Beschränkung der Meinungsfreiheit
auf Äußerungen, die einem bestimmten Individuum zugerechnet werden, mit
Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG nicht vereinbar ist. Die Verpflichtung, sich
namentlich zu einer bestimmten Meinung zu bekennen, würde allgemein die
Gefahr begründen, dass der Einzelne aus Furcht vor Repressalien oder
sonstigen negativen Auswirkungen sich dahingehend entscheidet, seine
Meinung nicht zu äußern. Dieser Gefahr der Selbstzensur soll durch das
Grundrecht auf freie Meinungsäußerung entgegen gewirkt werden (BGH, Urteil
vom 23.06.2009 VI ZR 196/08 -, MMR 2009, 608, 612). Es bedarf keiner
näheren Ausführung des Senats dazu, dass die Gefahr des Eintritts
negativer Auswirkungen insbesondere auch für denjenigen besteht, der sich
als Patient aus dem Behandlungsbereich der Psychotherapie unter Angabe
seiner persönlichen Daten zu erkennen gibt. Vorliegend kommt hinzu, dass
der Kläger die Auffassung vertritt, dass ihm gegenüber dem anonymen
Verfasser der Äußerung ein Schadensersatzanspruch wegen der Verletzung von
Pflichten aus dem Behandlungsvertrag zusteht, so dass die Preisgabe der
Anonymität des Verfassers auch aus diesem Grund zu der in Art. 5 Abs. 1 GG
geschützten Meinungsfreiheit in Widerspruch stünde.
Die im Streitfall vorzunehmende Abwägung zwischen dem demnach bestehenden
Recht auf Kommunikationsfreiheit nach Art. 5 Abs. 1 GG und dem Inhalt des
Rechts auf informationelle Selbstbestimmung des Klägers nach Art. 2 Abs. 1
GG i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG führt im vorliegenden Fall zu dem Ergebnis,
dass dem Recht der Kommunikationsfreiheit der Vorrang zu gewähren ist.
Das Landgericht hat hierbei die beanstandete Bewertung des Klägers
zutreffend als Werturteil angesehen, welches im Rahmen des Rechts des
Klägers auf informationelle Selbstbestimmung lediglich die Sozialsphäre
des Klägers tangiert. Die Bewertungen betreffen die berufliche Tätigkeit
des Klägers, also einen Bereich, in dem sich die persönliche Entfaltung
von vornherein in Kontakt mit der Umwelt vollzieht, mag hierbei auch
zwischen einem Psychotherapeuten und seinem Patienten ein besonderes
Vertrauensverhältnis erforderlich sein, was der Senat durchaus nicht
verkennt. Hierdurch wird aber wie auch sonst bei der beruflichen
Erbringung von Dienstleistungen höherer Art, die in der Regel nur infolge
besonderen persönlichen Vertrauens übertragen werden die zur
Sozialsphäre des Persönlichkeitsrechts zu rechnende berufliche Tätigkeit
noch nicht Teil der Privat- oder gar der Intim und Geheimsphäre. Soweit
die in der Bewertung erfolgte Einschätzung des Klägers auch persönliche
Eigenschaften betreffen, werden sie dem Kläger erkennbar allein aufgrund
seines Auftretens innerhalb seines beruflichen Wirkungskreises beigelegt,
so dass die Bewertung auch insoweit ausschließlich der Sozialsphäre des
Klägers zuzuordnen ist. Äußerungen, die lediglich die Sozialsphäre
berühren, dürfen aber nur im Falle schwerwiegender Auswirkungen auf das
Persönlichkeitsrecht mit negativen Sanktionen verknüpft werden, so etwa
dann, wenn eine Stigmatisierung, soziale Ausgrenzung oder Prangerwirkung
zu besorgen sind.
Die beanstandete Bewertung stellt sich hierbei insgesamt als eine
Meinungsäußerung dar, auch wenn sie einen Tatsachengehalt aufweist, mit
dem sich die Meinungsäußerung vermengt. Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG greift
unabhängig davon ein, ob die Äußerung zugleich einen tatsächlichen Kern
aufweist, denn der Schutzbereich des Grundrechts erstreckt sich auch auf
Äußerungen, in denen sich Tatsachen und Meinungen vermengen und die
insgesamt durch die Elemente der Stellungnahme, des Dafürhaltens oder
Meinens geprägt sind (BVerfG, NJW 2008, 358, 359). Maßgeblich für die
Abgrenzung, ob es sich um ein Werturteil oder um eine Tatsachenbehauptung
handelt, ist das Verständnis eines durchschnittlichen und verständigen
Empfängers der Äußerung. Bei Berufsbewertungsportalen wird dieser davon
ausgehen, dass mangels objektiver Nachprüfbarkeit regelmäßig subjektive
Werturteile der Bewertenden und keine Tatsachenbehauptungen vorliegen, da
die Bewertenden mangels eigener fachlicher Kompetenz nicht den Anspruch
objektiver Richtigkeit für ihre Bewertungen erheben, sondern lediglich
ihre persönliche Sicht der bewerteten Person und ihrer Eigenschaften
darlegen (Schröder, Persönlichkeitsrechtsschutz bei Bewertungsportalen im
Internet, Verwaltungsarchiv 2010, 205, 224). Die demzufolge als bloße
Meinungsäußerung anzusehende Bewertung des Klägers stellt hierbei weder
eine unsachliche Schmähkritik noch eine Formalbeleidigung oder einen
Angriff auf die Menschenwürde des Klägers dar, da hierfür jedweder
Anhaltspunkt fehlt.
Der Umstand, dass vorliegend im Unterschied zu der das
Lehrerbewertungsportal "(...)" betreffenden Entscheidung BGH, MMR 2009,
608 ff. nicht nur registrierte Nutzer die Bewertung des Klägers auf der
Homepage der Beklagten zu 1) einsehen können, führt ebenfalls zu keiner
zugunsten des Klägers vorzunehmenden Abwägung seines Persönlichkeitsrechts
mit dem Recht auf Meinungsäußerung. Das öffentliche Interesse an
bestimmten Informationen variiert je nachdem, welcher Personenkreis
überhaupt mit der Berufsausübung des Bewerteten in Kontakt kommen kann.
Bei Personen, die wie der Kläger ihre beruflichen Dienstleistungen
öffentlich gegenüber jedermann anbieten, wird man im Gegensatz zu Lehrern,
deren berufliche Öffentlichkeit auf die Tätigkeit in bestimmten Klassen
einer bestimmten Schule beschränkt ist, ein generelles öffentliches
Interesse annehmen können, ihre Bewertung durch Dritte zu erfahren, um
eine Markttransparenz zu schaffen, die der Öffentlichkeit bei der Wahl von
potentiellen Vertragspartnern hilft (vgl. Schröder, a.a.O., S. 223).
Auch unter Berücksichtigung der als Abwägungsaspekt zugunsten des Klägers
streitenden Berufsfreiheit aus Art. 12 Abs. 1 GG ergibt sich kein von der
Entscheidung des Landgerichts abweichendes Abwägungsergebnis. Zwar
erscheint es denkbar, dass bei Freiberuflern ein wirtschaftliches Risiko
mit negativen Bewertungen verbunden sein mag, welches bis hin zur
Existenzgefährdung reichen kann. Vorliegend hat der Kläger allerdings
weder hinreichend dargelegt noch gar unter Beweis gestellt, dass ihm
aufgrund der seit dem Jahre 2008 eingetragenen Bewertung ein relevanter
wirtschaftlicher Schaden entstanden ist, zumal der vom Kläger
beanstandeten Negativbewertung mittlerweile fünf positive Bewertungen
gegenüber stehen. Ein zugunsten des Klägers anzunehmendes
Abwägungsergebnis folgt hierbei jedenfalls derzeit noch nicht aus dem
Umstand, dass die Bewertung bereits drei Jahre zurück liegt. Da die
beanstandete Äußerung mit dem genauen Datum verbunden ist, vermag ein
verständiger Empfänger der Aussage in seine Bewertung des Textes mit
einzubeziehen, dass der Beitrag bereits einige Zeit zurück liegt.
Nach alledem ist der Berufung des Klägers im Ergebnis der Erfolg zu versagen.
2.
Auch die übrigen Voraussetzungen des § 522 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 und 3 ZPO
liegen vor. Die Rechtssache hat keine grundsätzliche Bedeutung und eine
Entscheidung des Berufungsgerichts ist auch nicht zur Fortbildung des
Rechts oder zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erforderlich.
Die grundgesetzlich relevanten Vorgaben und Abwägungskriterien zu dem
rechtlichen Problemkreis bei Veröffentlichungen von anonymen Äußerungen in
Berufsbewertungsportalen sind bereits in der zitierten Entscheidung des
BGH zu dem Lehrerbewertungsportal "(...)" (MMR 2009, 608 ff.) aufgeführt
worden. Unter Beachtung der in dieser Entscheidung aufgestellten
Grundsätze handelt es sich vorliegend um eine bloße
Einzelfallentscheidung, da die vorzunehmende Abwägung für jede einzelne
Fallkonstellation gesondert vorgenommen werden muss.
- [OWL] Recht auf anonymisierte Internetnutzung, Andreas Rohrmann, 06.10.2011
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