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Betreff: Mailingliste der Piraten aus Solingen
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[NRW-Solingen] Fwd: Re: [Piraten NRW] Hürden vor Live-Streaming von Ratssitztungen
Chronologisch Thread
- From: Jan Ulrich Hasecke <juh AT piratenpartei-nrw.de>
- To: Mailingliste des Piraten aus Solingen <nrw-solingen AT lists.piratenpartei.de>
- Subject: [NRW-Solingen] Fwd: Re: [Piraten NRW] Hürden vor Live-Streaming von Ratssitztungen
- Date: Fri, 14 Sep 2012 11:26:03 +0200
- List-archive: <https://service.piratenpartei.de/pipermail/nrw-solingen>
- List-id: Mailingliste des Piraten aus Solingen <nrw-solingen.lists.piratenpartei.de>
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- -------- Original-Nachricht --------
Betreff: Re: [Piraten NRW] Hürden vor Live-Streaming von Ratssitztungen
Datum: Fri, 14 Sep 2012 10:50:02 +0200
Von: Till Neuhaus <till.neuhaus.piratenml AT gmail.com>
Antwort an: Landesverband Nordrhein-Westfalen
<nordrhein-westfalen AT lists.piratenpartei.de>
An: NRW ML <Nordrhein-Westfalen AT lists.piratenpartei.de>
Kopie (CC): Pascal Powroznik <pascal AT piratenpartei-muenster.de>
Glückauf!
Ich hatte vor einigen Wochen hier ja schon mal zum Thema Rats-TV
geschrieben. Ich hatte seinerzeit auch den
Landesdatenschutzbeauftragten angeschrieben, da er in der Antwort auf
die kleine Anfrage [1] an unseren Innenminister genannt wurde. Gestern
erhielt ich dann auch eine Antwort (siehe weitergeleitete Mail unten).
[1]
http://www.landtag.nrw.de/portal/WWW/dokumentenarchiv/Dokument/MMD16-243.pdf?von=1&bis=0
- ---------- Weitergeleitete Nachricht ----------
Von: LDI NRW <Poststelle AT ldi.nrw.de>
Datum: 13. September 2012 15:10
Betreff: Ihre E-Mail-Anfrage vom 19.08.2012
An: "till.neuhaus.piratenml AT gmail.com" <till.neuhaus.piratenml AT gmail.com>
Datum: 13.09.2012
Bezug: Ihre E-Mail vom 19.08.2012
Kommunalpolitik live im Netz - Mehr Transparenz in Kreistag und Rat?
Ihre E-Mail vom 19.08.2012
Sehr geehrter Herr Neuhaus,
für ihre o. a. E-Mail danke ich Ihnen. Sie beziehen sich darin auf die
Landtagsdrucksache 16/243 zum Thema "Kommunalpolitik live im Netz -
Mehr Transparenz in Kreistag und Rat?". In diesem Zusammenhang bitten
Sie um Mitteilung, wo Sie die in der Antwort auf die dortige Frage 4
erwähnten "Hinweise des Landesbeauftragten für Datenschutz und
Informationsfreiheit des Landes NRW" finden können. Hierzu möchte ich
Ihnen Folgendes mitteilen:
Die "Hinweise des Landesbeauftragten für Datenschutz und
Informationsfreiheit des Landes Nordrhein-Westfalen (LDI NRW)" sind
nicht auf der Homepage des LDI NRW veröffentlicht. Vielmehr handelt es
sich dabei um einen allgemeinen Text, der aufgrund von Einzelanfragen
kommunaler Bediensteter (z. B. Verwaltungsleiter, behördliche
Datenschutzbeauftragte der Kommunen aus NRW etc.) hier entwickelt
wurde und auch dem Ministerium für Inneres und Kommunales des Landes
Nordrhein-Westfalen bekannt gegeben wurde. Inhaltlich lautet der Text
wie folgt:
"Eine Übertragung von Rats- und Ausschusssitzungen in das Internet ist
grundsätzlich möglich. Sie bedarf aber einer Rechtsgrundlage, die der
Rat in seiner Geschäftsordnung festschreiben kann, da es in NRW
derzeit keine gesetzliche Gestattung zur Übertragung von
Gemeinderatssitzungen in das Internet gibt.
Die Rechtmäßigkeit ist sowohl nach Kommunalverfassungsrecht als auch
nach Datenschutzrecht zu beurteilen. Außerdem dürften das Medienrecht
und das Urheberrecht betroffen sein.
Kommunalverfassungsrecht
Die Gemeindeordnung des Landes Nordrhein-Westfalen regelt in
§ 48 Abs. 2 S. 1 GO NW die Öffentlichkeit der Sitzungen der
Vertretungskörperschaften. Dieser historisch gewachsene Grundsatz der
Sitzungsöffentlichkeit ergänzt das in Art. 20 Abs. 1 GG verankerte
Demokratieprinzip, an das die Gemeinden und Kreise gemäß Art. 28 GG
gebunden sind.
Auf das Verfahren in den Ausschüssen, darunter auch die Sitzungen der
Ausschüsse, finden nach § 58 Abs. 2 S. 1 GO NW die für den Rat
geltenden Vorschriften entsprechende Anwendung.
Der Grundsatz der Öffentlichkeit wird in § 7 Abs. 1 der
Geschäftsordnung des Rates konkretisiert. Nach dieser Vorschrift hat
jeder das Recht, als Zuhörerin oder Zuhörer an öffentlichen
Ratssitzungen teilzunehmen, soweit dies die räumlichen Verhältnisse
gestatten.
Erforderlichkeit einer Rechtsgrundlage wegen des Eingriffs in Rechte
Betroffener
Zu der Frage, ob in öffentlicher Sitzung Bildaufzeichnungen getätigt
und diese direkt gesendet werden dürfen, schweigen die genannten
Normen aus dem Kommunalrecht. Insbesondere enthalten sie - anders als
§ 169 des Gerichtsverfassungsgesetzes (GVG) - kein Verbot der
Übertragung aus den von Ihnen genannten Sitzungen. Eine Übertragung
von Sitzungen im Internet würde jedoch nicht allein die
Ratsmitglieder, sondern in gleichem Maße weitere anwesende Bedienstete
der Stadt, sachkundige Bürger in Ausschüssen und Zuschauer betreffen.
Deshalb ist hierfür eine Rechtsgrundlage erforderlich. Den Umgang mit
personenbezogenen Daten regelt § 48 Abs. 3 GO NW. Danach dürfen
personenbezogene Daten offenbart werden, soweit nicht schützenswerte
Interessen einzelner oder Belange des öffentlichen Wohls überwiegen.
Zu prüfen ist für den Regelfall, ob der in § 48 Abs. 2 S. 1 GO NRW
verankerte Grundsatz der Sitzungsöffentlichkeit durch andere
gesetzliche Regelungen eingeschränkt oder erweitert werden kann. Nach
§ 48 Abs. 2 S. 2 GO NW kann die Öffentlichkeit für Angelegenheiten
einer bestimmten Art durch die Geschäftsordnung ausgeschlossen werden.
Soweit die Gemeindeordnung keine abschließenden Regeln für die
Arbeitsweise des Rates und der Ausschüsse aufstellt, kann der Rat im
Rahmen seiner Geschäftsordnungsautonomie einzelne Fragen regeln (vgl.
§ 47 Abs. 2 S. 1 GO NW). Die Feststellung, die Gemeindeordnung
enthalte keine abschließende Regelung, muss sich "aber mit der für
eine Beschränkung der kommunalen Organisationshoheit und
Geschäftsordnungsautonomie zu fordernden Eindeutigkeit" feststellen
lassen (OVG NRW Urteil vom 30.03.2004 - 15 A 2360/02 - NWVBl. 2004, S.
378). Der Rat kann die Materie also - im Rahmen der Gesetze -
gestalten.
Datenschutzrecht
Hier ist daneben auch das Datenschutzgesetz des Landes
Nordrhein-Westfalen (DSG NRW) zu beachten. Denn in den Sitzungen
werden auch personenbezogene Daten i. S. d. § 3 Abs. 1 DSG NRW
behandelt und personenbezogene Daten von Teilnehmern können betroffen
sein. Die Übertragung in das Internet stellt eine Übermittlung nach §
16 Abs. 1 DSG NRW dar, die den Anwendungsbereich des
Datenschutzgesetzes eröffnet.
§ 29 b DSG NRW kann in diesem Fall nicht als einschränkende Vorgabe
gegen die Zulässigkeit von Übertragungen herangezogen werden. Nach
dieser Norm ist die nicht mit einer Speicherung verbundene Beobachtung
öffentlich zugänglicher Bereiche mit optisch-elektronischen
Einrichtungen nur zulässig, soweit dies der Wahrnehmung des Hausrechts
dient und keine Anhaltspunkte dafür bestehen, dass schutzwürdige
Interessen betroffener Personen überwiegen. Dem Hausrecht dienen, d.
h. den ordnungsgemäßen Ablauf der Rats- oder Ausschusssitzungen
gewährleisten, soll aber die Übertragung der Aufzeichnung eben nicht,
sondern eine weitere Informationsmöglichkeit des Bürgers über die
kommunale Tätigkeit gewährleisten.
Will der Rat Bild- und Tonaufzeichnungen aus den Sitzungen sowie deren
Direktübertragung zulassen, wird er die Erwägungen des
Bundesverwaltungsgerichts in seinem Urteil vom 03.08.1990 (BVerwGE 85,
283; DVBl. 1991, 490) zu berücksichtigen haben, wonach durch
Tonaufzeichnungen das Recht des Ratsmitglieds auf freie Rede
beeinträchtigt sein könnte. Es mag eine Wertungsfrage sein, ob dieser
Einschätzung des Bundesverwaltungsgerichts heute noch gefolgt werden
muss. Hierzu hat sich ja bereits der Bayerische Landesbeauftragte für
den Datenschutz dem Bundesverwaltungsgericht angeschlossen. In seinem
21. Tätigkeitsbericht (abrufbar unter www.datenschutz-bayern.de) ist
er diesbezüglich unter Ziffer 2.1.4. und 11.2. zu dem Ergebnis
gekommen, dass es der einzelne Teilnehmer trotz der Öffentlichkeit von
Gemeinderatssitzungen nicht hinnehmen muss, dass seine Beiträge
weltweit speicher- und verarbeitungsfähig im Internet zur Verfügung
gestellt werden. Dieser Auffassung schließe ich mich an.
Vergleichend kann auch die Veröffentlichung von Niederschriften von
öffentlichen Sitzungen (in Ratsinformationssystemen) herangezogen
werden. Die Niederschriften müssen inhaltlich datenschutzgerecht
gestaltet sein d.h. personenbezogene Angaben dürfen nur dann in die
Niederschrift aufgenommen werden, wenn dies im Einzelfall zur
Dokumentierung eines Beschlusses erforderlich ist.
Presserecht
Neben den genannten Erwägungen sind in diesem Fall auch die
Vorschriften des Presserechts zu beachten. Nach Auffassung des
Bundesverwaltungsgerichts wird die Einschränkung der Pressefreiheit
durch das Verbot von Tonbandaufnahmen nicht auf das allgemeine
Persönlichkeitsrecht der Ratsmitglieder, sondern allein auf das
öffentliche Interesse an der ordnungsgemäßen Aufgabenerfüllung
gestützt. Das hat das Bundesverwaltungsgericht in dem oben bereits
genannten Urteil festgestellt. Darin hat es entschieden, dass das
Grundrecht der Pressefreiheit eines Journalisten nicht dadurch
verletzt wird, dass ihm der Ratsvorsitzende in Ausführung eines
entsprechenden Ratsbeschlusses untersagt, die öffentliche Sitzung des
Rates auf Tonband aufzuzeichnen. Das Oberlandesgericht Köln hat in
einer Entscheidung den Betroffenen einen zivilrechtlichen
Abwehranspruch eingeräumt, OLG Köln, Urteil vom 01.03.1978 - DVBl.
1979, 523: "Wer als Zuhörer in einer öffentlichen Sitzung eines
kommunalen Ausschusses nicht genehmigte Tonbandaufnahmen macht,
handelt rechtswidrig. Diejenigen, deren gesprochenes Wort ohne ihr
Wissen und ohne ihr Einverständnis aufgenommen worden ist, können
zivilrechtlich mit Abwehrrechten gegen den betreffenden Zuhörer
vorgehen." Das Verbot von Tonbandaufnahmen hat für den vorliegenden
Fall einer auch visuellen Übertragung die Konsequenz, dass durch die
Art und Weise der Live-Übertragungen gewährleistet sein müsste, dass
keine Speicherung der übermittelten Daten möglich ist. Dies ist jedoch
faktisch unmöglich.
Urheberrecht
Das Kunsturheberrechtsgesetz steht einer Übertragung der Sitzungen
grundsätzlich nicht entgegen. Bei Ratsmitgliedern in ihrer amtlichen
Position handelt es sich um Personen der Zeitgeschichte, für die der
Ausnahmetatbestand des § 23 Abs. 1 Nr. 1 KunstUrhG gilt. Zwar ist
nicht davon auszugehen, dass Ratsmitglieder, die naturgemäß regional
tätig sind, jedermann bekannt sind, zudem sie ihre Posten ehrenamtlich
innehaben, allerdings kommt es für die öffentliche Bekanntheit von
Personen der Zeitgeschichte nicht auf das qualitative Ausmaß der
Öffentlichkeit an.
Zu beachten ist vorliegend auch das Urheberrechtsgesetz. Gemäß § 48
Abs. 1 Nr. 2 UrhG zulässig ist u. a. die öffentliche Wiedergabe von
Reden, die bei kommunalen Organen gehalten worden sind. Unzulässig ist
aber nach Abs. 2 dieser Norm die Sammlung solcher Reden desselben
Urhebers. Diese Einschränkung verdeutlicht, dass eine Speicherung der
übertragenen Daten ausscheiden muss. Das ist wie bereits dargestellt
nicht möglich.
Verhältnismäßigkeit
Hinsichtlich der Art und Weise der Übertragung ist das
Verhältnismäßigkeitsprinzip zu berücksichtigen. Eine Aufnahme der
Sitzung darf nur so weit gehen, wie es zur Informationsübermittlung
erforderlich ist. So könnten im Einzelfall Nahaufnahmen aus jeglicher
Perspektive als nicht erforderlich angesehen werden oder eine Aufnahme
auf das Rednerpult beschränkt werden. Auf diese Weise würde auch
gewährleistet, dass es zu keiner Beeinträchtigung des
Persönlichkeitsrechts der zuschauenden Bürger kommt. Das ist aber je
nach Ausgestaltung einer Einzelfallwürdigung vorbehalten.
Bei einer fest eingebauten Web-Cam im Sitzungssaal ist in jedem Falle
sicherzustellen, dass sie für die nichtöffentlichen Teile der Sitzung
ausgeschaltet würde.
Bezüglich der Ausschusssitzungen ist allerdings eine Besonderheit zu
beachten. Nach § 58 Abs. 3 S. 1 GO NW können neben Ratsmitgliedern
auch sachkundige Bürger, die dem Rat angehören können, zu Mitgliedern
der Ausschüsse bestellt werden. Diese stehen im Rahmen ihrer Tätigkeit
den Ratsmitgliedern gleich, da sie einen öffentlichen Status kraft
Funktion innehaben.
Die Internetübertragung ist aber jedenfalls dann datenschutzrechtlich
nicht zu beanstanden, wenn die Betroffenen gemäß § 4 Abs. 1 a. E. DSG
NRW eingewilligt haben."
Im Hinblick auf die vorstehenden Ausführungen sowie insbesondere den
21. Tätigkeitsbericht des Bayerischen Landesbeauftragten für
Datenschutz, a. a. O., wird hinsichtlich Ihrer Frage 2 hier folgende
Auffassung vertreten:
Alle von der Live-Übertragung der (Rats-)Sitzung(en) betroffenen
Personen können vor Beginn der Übertragung entweder ihre Einwilligung
dazu erteilen oder aber dieser für ihre eigene Person widersprechen.
Im Falle eines Widerspruchs hat der Vorsitzende dafür Sorge zu tragen,
dass etwaige Redebeiträge des/der Betroffenen weder in Bild noch in
Ton übertragen werden (vgl. auch 21. Tätigkeitsbericht des Bayerischen
Landesbeauftragten für Datenschutz, 11.2, dort unter 2,3 2. Abs. ff.).
Darüber hinaus ist der Zuhörer-/Zuschauerbereich von einer Übertragung
im Internet auszunehmen (vgl. auch hierzu 21. Tätigkeitsbericht des
Bayerischen Landesbeauftragten für Datenschutz, s. S. 4 dieses
Schreibens).
Bereits im Rahmen dieser Überlegungen erscheint eine Festlegung
kommunaler Vertretungskörperschaften in ihren Geschäftsordnungen, mit
welcher Mehrheit über die Zulassung von Live-Übertragungen von
Sitzungen abzustimmen ist, unmöglich. Nach hiesiger Auffassung kann
ein kommunaler Mehrheitsbeschluss das Grundrecht des Einzelnen auf
informationelle Selbstbestimmung (als Ausfluss des allgemeinen
Persönlichkeitsrechts aus Artikel 2 des Grundgesetzes) nicht
aushebeln, sodass es im Ergebnis hinsichtlich der Live-Übertragung
nicht darauf ankommen kann, wie viele der Betroffenen einer
Live-Übertragung zugestimmt oder aber widersprochen haben.
Ich hoffe, Ihnen in der Sache mit den vorstehenden Ausführungen
behilflich gewesen zu sein und verbleibe
mit freundlichen Grüßen
Im Auftrag
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- [NRW-Solingen] Fwd: Re: [Piraten NRW] Hürden vor Live-Streaming von Ratssitztungen, Jan Ulrich Hasecke, 14.09.2012
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