nrw-kv-wesel AT lists.piratenpartei.de
Betreff: Kreisverband Wesel
Listenarchiv
- From: Jochen Lobnig <jochenlobnig AT aol.com>
 - To: Kreis Wesel Mailingliste <NRW-KV-Wesel AT lists.piratenpartei.de>
 - Subject: [NRW-KV-Wesel] Fwd: [AK-Kommunalpolitik] TTIP Musterantrag für Kommunen
 - Date: Fri, 19 Dec 2014 17:16:00 +0100
 - List-archive: <https://service.piratenpartei.de/pipermail/nrw-kv-wesel>
 - List-id: Kreisverband Wesel <nrw-kv-wesel.lists.piratenpartei.de>
 
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     Dank an Teiler Dörden, 
    TTIP-Anträge für die Gemeinderatsarbeit. Hartes Brot Gruß Jochen -------- Original-Nachricht -------- Betreff: [AK-Kommunalpolitik] TTIP Musterantrag für Kommunen Datum: Thu, 18 Dec 2014 16:53:46 +0100 Von: Teiler Döhrden <teilerdoehrden AT googlemail.com> Antwort an: Mailingliste des AK Kommunalpolitik NRW <nrw-ak-kommunalpolitik AT lists.piratenpartei.de> An: nrw-ak-kommunalpolitik AT lists.piratenpartei.de Hallo liebe Kommunalpiraten, Um Euch das zu erleichtern, möchte ich Euch folgenden Text als Muster empfehlen. Er basiert auf den Anträgen, die wir als Piratenfraktion NRW im Landtag gestellt haben. Ihr müsst den Text natürlich noch an den Platzhaltern an Eure lokale Gemeinde anpassen und in die bei Euch übliche Form gießen. Das wird ja von Gemeinde zu Gemeinde etwas anders gehandhabt, habe ich erfahren. Mustertext: 
                            Verheerende
                                  Auswirkungen
                                  von TTIP auf Kommunen, Städte und
                                  Gemeinden in NRW zu befürchten!   
                            
                               
                              I.
                                    Beschluss
                              Der Rat xxx
                                  bringt seine ablehnende Haltung zum
                                  transatlantischen Freihandels- und
                                  Investitionsabkommen TTIP zum Ausdruck
                                  und unterstützt
                                  grundsätzlich das gemeinsame
                                  Positionspapier zu internationalen
                                  Handelsabkommen
                                  des Deutschen Städtetags, des
                                  Deutschen Landkreistages, des
                                  Deutschen Städte-
                                  und Gemeindebundes und des Verbandes
                                  kommunaler Unternehmen e. V. (VKU) vom
                                  Oktober 2014. Der Rat xxx vertritt
                                  darüber hinaus die Ansicht, dass die
                                  Verhandlungen
                                  unter den jetzigen Bedingungen beendet
                                  werden müssen. 
                              TTIP birgt die
                                  Gefahr, die demokratisch legitimierten
                                  Gestaltungsmöglichkeiten von Städten
                                  und Gemeinden in Nordrhein-Westfalen
                                  massiv einzuschränken. Die kommunale
                                  Selbstverwaltung wird grundlegend
                                  angegriffen.
                              Der Rat xxx ist
                                  der Ansicht, dass er unverzüglich und
                                  vollumfänglich über den aktuellen
                                  Stand der TTIP-Verhandlungen
                                  informiert werden
                                  sowie während des gesamten
                                  Verhandlungsverlaufs adäquaten Zugang
                                  zu allen
                                  relevanten Dokumenten erhalten muss.
                               
                              II.
                                    Begründung
                              Seitdem der
                                  EU-Ministerrat im Juni 2013 der
                                  Europäischen Kommission das Mandat für
                                  die Verhandlung über ein
                                  transatlantisches
                                  Freihandels- und Investitionsabkommen
                                  (TTIP) erteilt hat, sind bereits
                                  mehrere
                                  Verhandlungsrunden in Brüssel und
                                  Washington abgehalten worden. Das
                                  geplante
                                  Abkommen soll primär den gegenseitigen
                                  Marktzugang für Güter,
                                  Dienstleistungen,
                                  Investitionsvorhaben sowie die
                                  öffentliche Auftragsvergabe regeln.
                                  Über die zu
                                  erwartenden Effekte für die EU als
                                  Ganzes sowie Deutschland und
                                  Nordrhein-Westfalen
                                  im Speziellen herrscht in der
                                  Wissenschaft Uneinigkeit. Allgemein
                                  angenommen
                                  wird, dass das Abkommen weniger
                                  kleinen und mittelständischen Firmen,
                                  sondern
                                  vor allem global aufgestellten
                                  Konzernen nutzen würde. Von
                                  einschneidenden
                                  Folgen auf die regionale und kommunale
                                  Ebene in Deutschland ist auszugehen. 
                              Die
                                  Verhandlungen finden grundsätzlich
                                  unter
                                  Ausschluss der Öffentlichkeit und
                                  Presse statt. Privilegierten Einfluss
                                  auf die
                                  Verhandlungen haben vor allem
                                  Vertreter von (multinationalen)
                                  Konzernen und
                                  deren Branchen. Aufgrund des
                                  öffentlichen Drucks in Deutschland und
                                  anderswo
                                  ist die Europäische Kommission
                                  mittlerweile dazu übergegangen, einige
                                  Verhandlungsdokumente nachträglich zu
                                  veröffentlichen – so liegt
                                  mittlerweile
                                  auch das Verhandlungsmandat der
                                  Kommission in deutscher Sprache vor.  
                              Durch den
                                  großen Umfang kommunal erbrachter
                                  Leistungen
                                  in der föderalistisch verfassten
                                  Bundesrepublik Deutschland, dazu
                                  zählen unter
                                  anderem Energieversorgung,
                                  Öffentlicher Nahverkehr,
                                  Krankenhäuser,
                                  Kultureinrichtungen sowie die
                                  Wasserver- und -entsorgung, ist die
                                  anzunehmende
                                  Regelungswirkung auf die Kommunen und
                                  Gemeinden in Deutschland und NRW
                                  beträchtlich. Einige kritische Punkte
                                  sollen im Einzelnen genannt werden:
                               
                              1.
                                    Anfechtung
                                    kommunaler Entscheidungen durch
                                    internationale Schiedsgerichte 
                              Einer der
                                  strittigsten Punkte des TTIP sind die
                                  geplanten Regelungen zum sogenannten
                                  Investitionsschutz. Im Rahmen von
                                  Investor-Staat-Schiedsverfahren soll
                                  es Unternehmen möglich sein, gegen
                                  staatliche Regelungen zu klagen, wenn
                                  sie sich von diesen in ihrer
                                  wirtschaftlichen Tätigkeit
                                  benachteiligt sehen. Unternehmen
                                  sollen für den
                                  Einzelfall einberufene Schiedsgerichte
                                  anrufen können. Diese fallen dann für
                                  die Staaten bindende Entscheidungen.
                                  Dabei sollen die Unternehmen analog zu
                                  vergleichbaren internationalen
                                  Freihandels- und Investitionsabkommen
                                  auch
                                  Anspruch auf Kompensation „entgangener
                                  Gewinne“ geltend machen können, etwa
                                  wenn eine kommunale Entscheidung den
                                  Wert einer Investition mindert. 
                              Das bei der
                                  Weltbank angesiedelte „International
                                  Center for Settlement of Investment
                                  Disputes“ ist in diesem Zusammenhang
                                  die am
                                  häufigsten genutzte internationale
                                  Schiedsinstitution und muss als
                                  Referenz für
                                  TTIP herangezogen werden. In der
                                  Vergangenheit ist es bei den weltweit
                                  zunehmenden Schiedsgerichtsverfahren
                                  zu teilweise enorm hohen
                                  Entschädigungsforderungen an Staaten
                                  gekommen. Wenn ein internationales
                                  Schiedsgericht einer Klage gegen eine
                                  Maßnahme eines deutschen Bundeslandes
                                  oder einer Kommune rechtgeben würde,
                                  könnten aufgrund der bundesdeutschen
                                  Regelungen zur Haftungsverteilung bei
                                  der Verletzung völkerrechtlicher
                                  Verträge
                                  Entschädigungsforderungen in
                                  erheblicher Höhe auf Länder und
                                  Kommunen zukommen.
                                  Zudem könnten sich die
                                  beschlussfassenden Gremien der Städte
                                  und Gemeinden
                                  schon zuvor starken politischen Druck
                                  ausgesetzt sehen und zur Vermeidung
                                  etwaiger Klagen Beschlüsse eher im
                                  Sinne privatwirtschaftlicher
                                  Interessen fassen.   
                               
                               
                              2.
                                    Schutz
                                    privatem Gewinnstrebens vor
                                    Allgemeinwohl
                              Die bekannt
                                  gewordenen Informationen zu den
                                  Regelungen
                                  über Investitionen und
                                  Dienstleistungen sind ebenfalls aus
                                  Sicht der deutschen
                                  Kommunen besorgniserregend.
                                  Abkommensentwürfe beinhalten z.B.
                                  Bestimmungen zum
                                  Niederlassungsrecht, die einige
                                  quantitative Beschränkungen des
                                  Marktzugangs
                                  verbieten, nämlich bezüglich der
                                  Anzahl zugelassener Unternehmen, des
                                  Investitionswertes oder der Höhe
                                  ausländischer Kapitalbeteiligungen.
                                  Eine
                                  Vielzahl kommunaler Entscheidungen hat
                                  das Potenzial, gegen diese
                                  Verpflichtungen zum Marktzugang zu
                                  verstoßen, z.B. die Verweigerung von
                                  Betriebsgenehmigungen zum Schutz vor
                                  lokalem Verdrängungswettbewerb. Bei
                                  strenger Auslegung der
                                  Marktzugangsbestimmungen in TTIP
                                  scheint auch die Gefahr
                                  der Privatisierung der Sparkassen
                                  gegeben. Denn in einigen Bundesländern
                                  könnte
                                  die Deckelung der Übertragbarkeit und
                                  des Erwerbs des Stammkapitals von
                                  öffentlich-rechtlichen
                                  Finanzinstituten wie Sparkassen unter
                                  Druck geraten. Dann nämlich, wenn die
                                  TTIP-Regeln so ausgelegt werden, dass
                                  diese Deckelung als unerlaubte
                                  Beschränkung ausländischer
                                  Kapitalbeteiligungen sowie der
                                  Rechtsform von
                                  Investitionen gelten. TTIP könnte also
                                  dafür sorgen, den Verkauf des
                                  Stammkapitals an Privatbanken
                                  durchzudrücken.
                              Höchst kritisch
                                  sind aber auch zwei weitere in
                                  modernen Freihandelsabkommen
                                  enthaltene Schutzstandards: die
                                  „billige und
                                  gerechte Behandlung“ und der „Schutz
                                  vor Enteignung“. Unter ersterem sollen
                                  analog zu zahlreichen internationalen
                                  Handelsabkommen die Tatbestände der
                                  „offensichtlichen Willkür“ sowie des
                                  „Bruchs der legitimen Erwartungen“
                                  fallen.
                                  Insbesondere aufgrund des
                                  Interpretationsspielraums sind beide
                                  Tatbestände grundsätzlich
                                  dazu geeignet, als Rechtsgrundlage für
                                  Investorenklagen gegen kommunale
                                  Entscheidungen zu dienen.
                                  Vergleichbare Fälle in der
                                  Vergangenheit deuten
                                  darauf hin, dass beispielsweise die
                                  jüngst geplante Mietpreisbremse als
                                  „indirekte Enteignung“ gewertet werden
                                  könnte.
                               
                              3.
                                    Kommunale
                                    Daseinsvorsorge unter
                                    Liberalisierungsdruck 
                                    
                              Die
                                  TTIP-Verhandlungen verfolgen laut
                                  offiziell
                                  veröffentlichtem Kommissionsmandat das
                                  grundsätzliche Ziel, den
                                  Dienstleistungshandel „auf dem
                                  höchsten Liberalisierungsniveau“
                                  durchzusetzen,
                                  „wobei im Wesentlichen alle Sektoren
                                  und Erbringungsarten erfasst werden,
                                  und
                                  dabei gleichzeitig neue
                                  Marktzugangsmöglichkeiten zu erzielen
                                  […].“ Zwar sind
                                  Dienstleistungen, „die in Ausübung
                                  hoheitlicher Gewalt erbracht werden“
                                  sowie
                                  die „audiovisuellen Dienste“ explizit
                                  ausgeschlossen, dennoch bleibt der
                                  Großteil der kommunalen
                                  Daseinsversorge Gegenstand der
                                  Verhandlungen.
                              In vielen
                                  Bereichen der kommunalen
                                  Daseinsvorsoge
                                  konkurrieren private und öffentliche
                                  Anbieter – und dort wo Wettbewerb
                                  herrscht, sollen die Bestimmungen des
                                  Abkommens greifen. Zwar ist bekannt,
                                  dass
                                  eine Ausnahmenliste Bereiche der
                                  kommunalen Daseinsvorsorge definiert,
                                  die
                                  nicht betroffen sein sollen, dennoch
                                  ist diese keinesfalls vollständig.
                                  Zahlreiche
                                  Dienstleistungen werden nicht als ein
                                  von der Marktzugangsbestimmung
                                  befreiend
                                  wirkendes „Monopol“ angesehen – so
                                  z.B. Pflegeheime, Volkshochschulen
                                  oder
                                  Musikschulen. Zudem könnten sich
                                  Investoren bei Klagen gegen die
                                  öffentliche Leistungserbringung
                                  immer noch auf den Grundsatz der
                                  Inländerbehandlung berufen. Kurzum:
                                  Die
                                  Leistungserbringung durch öffentliche
                                  Unternehmen sowie das Festlegen von
                                  Auflagen durch die öffentliche Hand
                                  wird aufgrund der zu erwartenden
                                  Lücken im
                                  Regelwerk grundsätzlich angreifbar.  
                              Offen ist zudem
                                  die Frage, ob eine Rekommunalisierung
                                  von Dienstleitungen einen Bruch des
                                  TTIP-Regelwerks darstellen würde. Die
                                  Kommission verneint dies zwar,
                                  erhebliche Zweifel sind aber
                                  angebracht. Über
                                  sogenannte Standstill-Klauseln soll
                                  das gegenwärtige
                                  Liberalisierungsniveau
                                  festgeschrieben werden, über die
                                  Ratchet-Klausel alle zukünftigen
                                  Liberalisierungsschritte von
                                  Dienstleistungen automatisch neues
                                  Verpflichtungsniveau werden. Mittels
                                  dieser Klauseln würde eine
                                  Rekommunalisierung im Grunde
                                  ausgeschlossen werden, womit die
                                  demokratische
                                  Hoheit über die Erbringung und
                                  Regulierung für öffentliche Dienste
                                  abgegeben
                                  wird.
                               
                              4.
                                    Unerlaubte
                                    staatliche Beihilfen?
                              Obwohl das
                                  TTIP-Kapitel zu den Subventionen noch
                                  nicht
                                  bekannt ist, bietet der bereits
                                  zugänglich gemachte CETA-Vertrag
                                  weiteren Aufschluss.
                                  Demnach kann eine Vertragspartei
                                  Konsultationen (wenn auch ohne
                                  Sanktionsmöglichkeit) mit der anderen
                                  Partei einfordern, falls „eine
                                  Subvention
                                  oder ein Teil einer staatliche
                                  Unterstützung für den
                                  Dienstleistungshandel“
                                  ihren Interessen im Wege stehen. Der
                                  Konsultationsmechanismus kann von
                                  Investoren zum Druckaufbau gegenüber
                                  unliebsamen öffentlichen Zuwendungen
                                  verwendet werden. Darüber hinaus ist
                                  es denkbar, dass private Investoren
                                  die
                                  Subventionierung ihrer Konkurrenten,
                                  die 
                                  öffentliche Dienstleistungen
                                  wie beispielsweise die
                                  Wohlfahrtspflege erbringen,
                                  als „indirekte Enteignung“ geltend
                                  machen und klagen.
                              Der Spielraum
                                  der Bundesländer zur Förderung von
                                  Kultur, Bildung und Medien würde durch
                                  das Druckszenario auf jeden Fall
                                  eingeschränkt.
                               
                               
                               
                               
                               
                               
                               
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