nrw-kreis-recklinghausen AT lists.piratenpartei.de
Betreff: Mailingliste zur Koordination der Kreis Recklinghausen Piraten
Listenarchiv
- From: Helder Aguiar <heriag78 AT gmail.com>
- To: nrw-kreis-recklinghausen AT lists.piratenpartei.de
- Subject: [Kreis-RE] Fwd: [Ag-migration] Offener Brief
- Date: Fri, 17 Jul 2015 07:05:42 +0200
- List-archive: <https://service.piratenpartei.de/pipermail/nrw-kreis-recklinghausen>
- List-id: Mailingliste zur Koordination der Kreis Recklinghausen Piraten <nrw-kreis-recklinghausen.lists.piratenpartei.de>
---------- Weitergeleitete Nachricht ----------
Von: "michael john sinclair" <mickeyy_sinclair AT yahoo.de>
Datum: 15.07.2015 18:53
Betreff: [Ag-migration] Offener Brief
An: "ag-migration AT lists.piratenpartei.de" <ag-migration AT lists.piratenpartei.de>
Cc:
Von: "michael john sinclair" <mickeyy_sinclair AT yahoo.de>
Datum: 15.07.2015 18:53
Betreff: [Ag-migration] Offener Brief
An: "ag-migration AT lists.piratenpartei.de" <ag-migration AT lists.piratenpartei.de>
Cc:
Hier ist was interessantes, So Fangt Rassismus an in unser Gesellschaft an in die Grundschule.GrüßeMickey SinclairOffener Brief an den Klett-Verlag
Sehr geehrte Geschäftsführung des Klett-Verlags,
die Beauftragte der Bundesregierung für Migration, Flüchtlinge und Integration, Staatsministerin Aydan Özoğuz, fordert in der kürzlich herausgegebenen „Schulbuchstudie Migration und Integration“ die deutsche Bevölkerung mit Erich Kästners Zitat auf: „Misstraut gelegentlich euren Schulbüchern“. Wir nehmen die Staatsministerin beim Wort und bringen mit diesem Schreiben unser Missfallen in Bezug auf die vom Klett-Verlag 2015 neu herausgegebene Serie „Meine Indianerhefte“ zum Ausdruck. Wir, das ist ein Zusammenschluss aus zivilgesellschaftlichen Organisationen, Schulen, Lehrer*innen, Wissenschaftler*innen, Bildungsarbeiter*innen und Einzelpersonen aus dem In- und Ausland.
Die Hefte sind als ein Zusatz zu Unterrichtsmaterialien gedacht und sollen Grundschulkinder mit spielerischen Schreib-, Lese- und Rechenübungen beim Lernen unterstützen. Die einzelnen Übungen sind unterbrochen durch „kindgerechte Indianerseiten zur Motivation“. Durch die Hefte begleitet die Leser*innen Anoki, ein junger Native American mit Federschmuck. Auf einzelnen Seiten finden sich willkürlich Zeichnungen von Tomahawks, Tipis, Totempfählen und Federn, aber auch ein bunter thematischer Mix von deutschen Alltagssituationen bis hin zu Ritterburgen und einsamen Palmeninseln.
Wir kritisieren die neuen Lernhefte, weil sie Native Americans als Maskottchen für Werbezwecke missbrauchen und sie gleichzeitig durch ihre stereotypisierende Darstellung diskriminieren. Die Art und Weise, wie Anoki und seine Verwandten dargestellt werden, haben weder etwas mit historischer noch aktueller Lebensrealität von Native Americans zu tun, welche vielmehr von Rassismus, kolonialer Eroberung, Landraub, Genozid und Widerstand dagegen geprägt ist, sondern entspringen der weißen europäischen Fantasie bzw. spezifisch „deutscher Indianertümelei“ (Hartmut Lutz 2002). Entsprechend werden durchgehend Termini wie Häuptling oder Stamm, sowie Fremdbezeichnungen wie Indianer verwendet, die im Kontext von Kolonialismus entstanden sind und dessen Folgen als
rassistisch bezeichnet werden müssen. Menschen mit Fremdbezeichnungen zu benennen ist eine gewaltvolle koloniale Tradition und hatte den Effekt, die so Bezeichneten zu einer homogenen Masse zu verallgemeinern, sie innerhalb einer angenommenen „Rassenhierarchie“ zu klassifizieren (und an das unterste Ende zu setzen) und so zu kontrollieren. Wir sehen keinerlei Gründe, warum ein führender deutscher Schulbuchverlag im 21. Jahrhundert sich in diese Tradition stellen sollte.
Während es allerhöchste Zeit wäre, die Geschichte der kolonialen Gewalt gegen Native Americans in deutschen Schulen zu thematisieren – zumal deutsche „Auswanderer*innen“ beträchtlich daran beteiligt waren – sowie dessen gegenwärtiges Fortwirken in Nordamerika zu skandalisieren, werden Native Americans durch die Klett-Hefte als „edle Wilde“ exotisiert und somit auf ein einziges rassistisches Klischee reduziert. Klett lädt mit den Heften die Kinder ein, Anoki nachzuahmen, sich zu verkleiden und selbst „Indianer zu spielen“. Indem Klett-Mitarbeitende sich sogar auf der didactaMesse 2015 in Hannover selbst mit Federschmuck auf dem Kopf neben einem Tipi präsentierten, zeigt der Verlag deutlich, dass er die Forderung aktueller Kampagnen von Native Americans – „We are a culture, not a costume!“ - nicht ernst nimmt und lieber über sie spricht, statt ihnen zuzuhören. Dass nun ausgerechnet ein junger Native American Kindern in Deutschland europäisches Wissen (lateinische Buchstaben und sogenannte arabische Zahlen) beibringen soll, kann nur als Ironie der Geschichte gelesen werden. Es verschweigt die Unterdrückung und Zerstörung indigener Wissenssysteme durch die koloniale Eroberung und macht jahrhundertelange Kämpfe für (kulturelle) Selbstbestimmung unsichtbar.
Die Konstruktion von Native Americans als „traditionell“, naturverbunden und „unterentwickelt“ wird durch Bilder und Texte einer weiß-deutschen Bilderbuchrealität kontrastiert. Zitate wie „Wenn ich groß bin, kaufe ich mir ein großes, rotes Auto. Mein Auto wird das schönste und das schnellste auf der ganzen Welt sein. Das Auto wurde vor über hundert Jahren von Carl Benz erfunden. Alle werden mein tolles, rotes Auto bewundern.“ stehen damit im direkten Gegensatz zur vorhergehenden Seite, auf der Anoki mit einem Pferd abgebildet ist. Durch den Abdruck von Texten über Robinson Crusoe oder Safari-Reiseberichten wie „Lieber Anton, viele Grüße aus Afrika. Hier ist es richtig aufregend. Die letzten zwei Tage haben wir eine Safari gemacht.“ wird deutlich, dass Kindern durch die Lernhefte in erster Linie weiße Überlegenheit und stereotypes Denken beigebracht wird. Robinson Crusoe ist das Sinnbild des europäischen Kolonisatoren, der auf angeblich unbewohntes, wildes Land stößt, dieses urbar macht und dabei „den Wilden“ in Figur des Freitags die Zivilisation bringt. Afrika wird als ein einheitlicher Raum dargestellt, in dem vor allem Tiere zu bewundern sind
(und nicht als ein selbstverständlich diverser Kontinent, geprägt von Urbanität genau so wie von Leben auf dem Land), und es wird suggeriert, dass es völlig normal und gerechtfertigt sei, dass weiße deutsche Kinder in die ganze Welt reisen können – während parallel dazu Europa alles Erdenkliche tut, um junge Menschen aus Afrika, Asien und Lateinamerika davon abzuhalten, nach Europa zu kommen.
Die Figur Anokis sowie das gesamte Thema haben in den Heften keinerlei inhaltlich-pädagogische Funktion, sondern dienen lediglich dekorativen und verkaufsfördernden Zwecken. Damit reiht sich Klett in die Reihe von Unternehmen (wie z.B. Tabakkonzerne) ein, die sich dem Repertoire rassistischer Fantasien und Bildsammlungen bedienen und Native Americans (oder auch People of Color und Schwarze Menschen) zu konsumierbaren Produkten machen, um den eigenen Umsatz zu steigern. Während sich Kund*innen von anderen Produkten zumindest selbst zum Kauf entscheiden können, werden vielen Kindern die Hefte von Klett im Klassensatz von ihren Lehrer*innen vorgesetzt. Die Klett-Hefte treiben zudem eine aktuelle Entwicklung voran, dass schulische Lernmaterialien immer stärker kommerzialisiert und durch käuflich zu erwerbenden Übungshefte ergänzt werden und Schulen sich weiter von der Idee der Lehrmittelfreiheit verabschieden, was wir vehement ablehnen.
Wir fordern Sie auf, Ihre Verantwortung als einer der führenden Schulbuchverlage wahrzunehmen und mit Ihren Publikationen zu einer vorurteilsbewussten und möglichst diskriminierungsfreien Bildung an deutschen Schulen beizutragen. Daher bitten wir Sie, die Reihe „Meine Indianerhefte“ vollständig einzustellen und eine Entschuldigung sowie eine Richtigstellung auf Ihrer Webseite zu veröffentlichen. Wir fänden es Ihrer Marktposition angemessen, wenn Sie damit ein klares Zeichen setzen, ihren Bildungsauftrag ernst nehmen und sich vornehmen würden, zum Vorreiter für diskriminierungssensible Schulbücher in Deutschland zu werden. Regelmäßige Weiterbildungen für Mitarbeiter*innen, Illustrator*innen und Autor*innen zur Entwicklung von rassismuskritischen und diversitätsbewussten Schulbuchmaterialien sind auf dem Weg dorthin unabdingbar. Der Weg lohnt sich: Millionen von Kindern in Deutschland würde das aktive Erlernen von Diskriminierung, Dominanz und Unterdrückung durch Schulbücher erspart und den in Deutschland lebenden Native American Kindern und Kindern of Color würde ihr Recht eingeräumt ordentlich beschult zu werden
Mit freundlichen Grüßen, glokal e.V. und alle Erstunterzeichner*innen [Unterzeichnungen an intervention AT glokal.org]
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AG-Migration mailing list
AG-Migration AT lists.piratenpartei.de
https://service.piratenpartei.de/listinfo/ag-migration
- [Kreis-RE] Fwd: [Ag-migration] Offener Brief, Helder Aguiar, 17.07.2015
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