Wir sind immer noch entsetzt und verurteilen die massenhaften sexuellen Übergriffe in der Silvesternacht in Köln und in anderen deutschen Städten. Sie waren von einer Dimension, die wir bislang
in Deutschland so nicht kannten. Unser Mitgefühl und unsere Solidarität gelten den betroffenen Frauen. Sie müssen die Unterstützung und Betreuung erhalten, die sie brauchen. Wir Grüne wenden uns gegen jede Form von Sexismus und sexualisierter Gewalt. Wir stehen
für das Recht auf sexuelle Selbstbestimmung und auf ein Leben ohne Gewalt. Alle Menschen müssen sich sicher und angstfrei im öffentlichen Raum bewegen können. Sexuelle Übergriffe und Gewalt gegen Frauen müssen geahndet, bestraft und als gesamtgesellschaftliches
Problem gebrandmarkt werden. Die Täter müssen ermittelt und konsequent zur Rechenschaft gezogen werden - unabhängig von ihrer Herkunft und ihrem Status. Massive Übergriffe, wie in der Silvesternacht in Köln und anderen Städten, dürfen sich nicht wiederholen.
Jetzt müssen alle Fakten der Silvesternacht auf den Tisch. Dies hat die rot-grüne Landesregierung Nordrhein-Westfalen für ihren Zuständigkeitsbereich zugesagt. Die Vorgänge müssen zügig und schonungslos aufgeklärt werden. Nur auf Basis umfassender Erkenntnisse,
kann entschieden werden, welche Konsequenzen vor Ort, in den Bundesländern und im Bund daraus abzuleiten sind. Gerade in dieser Situation ist es wichtig, dass Politik Augenmaß bewahrt und nicht getrieben handelt. Aktionistisches Handeln, ganz egal ob sie aus
den Reihen der Großen Koalition, der FDP, der Linken oder von den Hetzern von der AfD kommen, erteilen wir eine klare Absage, denn sie untergraben unser rechtsstaatliches Fundament. Ein demokratischer Rechtsstaat muss handlungsfähig sein, darf aber nicht seine
Prinzipien opfern, wie die Unschuldsvermutung oder faire Verfahren. Als Grüne streiten wir für einen starken und durchsetzungsfähigen Rechtsstaat um Sicherheit zu gewährleisten, und stellen uns gegen Schnellschüsse, die diesen untergraben, egal wie stimmungsgetrieben
Debatten sind. Das Ausweisungsrecht wurde erst zum 1. Januar 2016 umfassend neu geregelt und erheblich verschärft. Im Übrigen ist eine Abschiebung auch dann nicht zulässig, wenn der Person in ihrem Herkunftsland zum Beispiel die Todesstrafe oder Folter droht,
die Abschiebung gegen die EMRK verstieße oder wenn dieser Person im Herkunftsstaat aus sonstigen Gründen eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit droht, wie das in Bürgerkriegsländern der Fall sein kann. Wer falsche Erwartungen weckt enttäuscht
die Menschen und schürt neue Unsicherheit. Eine Beschleunigung der Verfahren, sowohl der Asylverfahren wie der Strafverfahren, ist hingegen dringend erforderlich. Das Beispiel Heidelberg zeig, wie dies rechtsstaatlich möglich ist. Wir müssen weg kommen von
einem Zustand, in dem junge Menschen jahrelang mit prekärem Aufenthaltsstaus und ohne Integrationsmöglichkeit hier leben. Bereits jetzt lässt sich festhalten, die Polizei in Köln und die Bundespolizei haben eine falsche Lageeinschätzung vorgenommen und waren
der Situation in der Silvesternacht nicht gewachsen. Daraus ergeben sich in erster Linie Fragen für die personelle Ausstattung der Landes- und Bundespolizei. Diese muss in ausreichendem Maße sichergestellt sein, und für solche Fälle wie in Köln müssen angemessene
Einsatzkonzepte und –kapazitäten geschaffen werden. Polizistinnen und Polizisten sollten zudem im Umgang mit sexualisierter Gewalt umfassend sensibilisiert und geschult werden. Öffentliche Sicherheit ist zentral für ein friedliches Zusammenleben in unserem
Land. Die bisher von der Polizei identifizierten Tatverdächtigen sind überwiegend nordafrikanischer und arabischer Herkunft. Viele dieser jungen Männer sind in Verhältnissen aufgewachsen, mit der Botschaft der Überlegenheit des Mannes und der Ungleichwertigkeit
von Frauen. Sie haben kaum die Möglichkeit ihren Lebensunterhalt selber zu bestreiten und aus ihren sozialen Zusammenhängen auszubrechen. Rollenvorbilder, die in der Öffentlichkeit gehört werden, fehlen. Viele dieser jungen Männer kämpfen um die wenigen Möglichkeiten
der Anerkennung. Auch diese Zusammenhänge müssen sachlich und sorgfältig berücksichtigt werden, nicht um zu generalisieren oder um Ängste zu schüren, sondern um endlich die notwendigen integrationspolitischen Antworten und Maßnahmen zu ergreifen und patriarchalischen
Strukturen stärker zu entgegnen. Wir unterstützen Initiativen und Verbände von Migrant*innen, die in ihren Gemeinschaften für Selbstbestimmung und Gleichberechtigung von Frauen kämpfen. Klar ist: Die Ereignisse in Köln sind eine Herausforderung für deutsche
Integrationspolitik. Wir nehmen es aber nicht hin, dass Frauenrechte und die sexuelle Gewalt gegenüber den betroffenen Frauen nun für rassistische und fremdenfeindliche Zwecke missbraucht werden. Denn den Hetzern geht es nicht um die Frauen oder um Frauenrechte.
Auch diejenigen, die rassistische Hetze verbreiten oder Straftaten gegen Ausländer*innen oder Flüchtlingshelfer*innen begehen, müssen das Gesetz konsequent zu spüren bekommen. Das Grundgesetz gilt für alle, die hier leben und leben möchten. Dazu zählen die
Anerkennung der Gleichberechtigung sowie die Achtung der Würde und Selbstbestimmung jedes Menschen. Gewalt an Frauen findet in jedem Milieu und in verschiedenen Formen statt - ausgeübt durch Männer mit und ohne Migrationshintergrund. Jede siebte Frau in Deutschland
erlebt sexuelle Nötigung. Leider werden Übergriffe äußerst selten zur Anzeige gebracht. Sie werden dafür umso häufiger verharmlost. Wir brauchen eine neue grundsätzliche Debatte über sexualisierte Gewalt und alltäglichen Sexismus, über die Faktoren, die sie
ermöglichen, und die Wege, wie sie verhindert werden können. Eine Reform des Sexualstrafrechts ist längst überfällig. Ein eindeutiges Nein zu sexuellen Handlungen muss als Grenze zur Strafbarkeit genügen. Es ist beschämend, dass die Bundesregierung erst die
Vorfälle von Köln brauchte, um eine längst fällige Reform des Strafrechts endlich angehen zu wollen. Deutschland ist gemäß der Istanbul-Konvention des Europarates seit dem Jahr 2011 dazu verpflichtet. Einen entsprechenden Gesetzentwurf, der weiter geht als
die jetzigen Vorschläge von Bundesjustizminister Maas, hat die grüne Bundestagsfraktion bereits im vergangenen Jahr vorgelegt. Wir setzen uns ein für
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eine bessere personelle Ausstattung von Polizei und Justiz. Und dabei auch mehr Mitarbeiter*innen mit Migrationshintergrund;
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die regelmäßige Schulung und Sensibilisierung von Beamt*innen für die qualifizierte Betreuung von Betroffenen sexueller Gewalt und Rassismus;
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den massiven Ausbau von Integrationskursen, denn die Nachfrage ist höher als das bisherige staatliche Angebot. Integrationskurse müssen frühestmöglich nach der Antragsstellung beginnen. Es ist falsch damit bis
zur Entscheidung über den Antrag zu warten, gerade auch auf Grund der weiterhin sehr langen Bearbeitungszeiten von Asylanträgen. Mit dieser Hinhaltepolitik verwehrt die Bundesregierung diesen Menschen Integrationschancen, denn in diesen Kursen werden sie über
unser Grundgesetz, unser Rechtssystem, Gleichstellung und allgemeine Umgangsformen aufgeklärt.
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die flächendeckende Finanzierung von Beratungsstellen und Frauenhäusern, die Opfern sexueller Gewalt Hilfe leisten;
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eine Reform des Strafrechts, die nicht-einvernehmliche sexuelle Handlungen ohne Wenn und Aber als Straftat einstuft und unmissverständlich klarmacht: Nein heißt Nein;
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die Umsetzung der EU-Aufnahmerichtlinie mit Blick auf die besonderen Schutzbedürfnisse von Kindern, Frauen und LGBTI, wie auch die Umsetzung von Gewaltschutzkonzepten in Flüchtlingsunterkünften und die Erweiterung
des Geltungsbereiches des Bundeskinderschutzgesetzes auf diese.
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umfassende Aufklärungs-, Bildungs- und Präventionsarbeit zu den Themen Gleichstellung und sexuelle Gewalt an Schulen und Hochschulen und in Integrationskursen.
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