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nrw-herford - [Herford] Vergabe von Konzessionen für Strom- und Gasnetze

nrw-herford AT lists.piratenpartei.de

Betreff: Nrw-herford mailing list

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[Herford] Vergabe von Konzessionen für Strom- und Gasnetze


Chronologisch Thread 
  • From: "Friedrich Backs" <fbpirat AT gmx.de>
  • To: NRW-Herford AT lists.piratenpartei.de
  • Subject: [Herford] Vergabe von Konzessionen für Strom- und Gasnetze
  • Date: Wed, 15 Aug 2012 23:26:56 +0200
  • List-archive: <https://service.piratenpartei.de/pipermail/nrw-herford>
  • List-id: <nrw-herford.lists.piratenpartei.de>

-------- Original-Nachricht --------
Datum: Mon, 23 Jul 2012 21:15:16 +0200
Von: stott <pirat AT st-ott.de>
An: minden AT lists.piratenpartei.de
Betreff: [Minden] Vergabe von Konzessionen für Strom- und Gasnetze

In zahlreichen Kommunen im Kreis Minden-Lübbecke laufen in naher Zukunft
die Konzessionen für die Leitungsnetze zur Versorgung mit Strom und Gas
aus. Dem Konzessionsnehmer ist es erlaubt, in den öffentlichen
Bürgersteigen ein Leitungsnetz zu betreiben, um die Einwohner zu
versorgen. Dafür erhalten die Kommunen eine Konzessionsabgabe. Endet der
Konzessionsvertrag und erhält der bisherige Betreiber keine
Verlängerung, muss er das Leitungsnetz dem neuen Konzessionsnehmer zur
Verfügung stellen. Zu welchem Preis die Überlassung zu erfolgen hat, ist
umstritten (Verkehrswert ./. Ertragswert).


In den 1970er und 80er Jahren gab es einen starken Trend alles zu
privatisieren. Es wurde geglaubt, dass die Privatwirtschaft besser und
effektiver wirtschaften kann. Gegenwärtig hat die politische Überzeugung
Oberwasser, dass es besser ist, die Produkte der Daseinsvorsorge wieder
in staatliche bzw. kommunale Hände zu geben. Wären zwischenzeitlich
nicht die Gesetze zur Liberalisierung des Energiemarktes in Kraft
getreten, wäre alles recht einfach: Die Stadtwerke würden die
privatisierten Unternehmen zurückkaufen und damit
rekommunalisieren.Inzwischen ist es aber so, dass Vertrieb und
Versorgung rechtlich getrennt wurden und dass mit der Übertragung der
Konzession an die Stadtwerke die Kommunen zwar das Netz bekämen, aber
die Kunden bei den ehemaligen Betreibern blieben (soweit sie nicht
bereits zu Dritten gewechselt haben). Ferner ist neu, dass jetzt jedem
Erzeuger ein Zugang zum Netz gewährleistet werden muss. Würde z.B. die
Stadt Minden das Stromnetz übernehmen, hätte EON einen Anspruch, seine
Kunden über das Netz zu versorgen.


Gegenwärtig geht es also nur um das Netz, nicht um die Kunden!


Die erste Frage, die sich stellt, ist: Ist es eigentlich politisch
bedeutsam, wer Netzbetreiber ist, oder ist es egal, weil inzwischen ja
jeder einen Anspruch hat, in das Netz einspeisen zu dürfen?


Gelangt man zu der Überzeugung, es sei politisch egal, wer Netzbetreiber
ist, stellen sich nur noch die Fragen:


Lässt sich mit dem Netz Geld verdienen und wenn ja, in wessen Kasse soll
das Geld fließen?

Der Oeynhausener Stadtrat hatte eine Studie in Auftrag gegeben, ob es
wirtschaftlich machbar und sinnvoll ist, das Gas- und Stromnetz kommunal
zu betreiben. Dem bisherigen Konzessionsnehmer EON Westfalen Weser (EWA)
drohte also der Verlust der Konzession für das Stromnetz in Bad
Oeynhausen. Kaum lag das positive Ergebnis der Machbarkeitsstudie vor,
kam der Vorschlag von EON, nicht die Konzessionen herauszulösen, sondern
das ganze Unternehmen EON Westfalen Weser, bzw. die Anteile von EON, die
in privater Hand sind (63 %), zu kaufen. Insgesamt sind 36 Kommunen
zusammen mit 37 Prozent an dem Unternehmen beteiligt. Aus dem Kreis
Minden-Lübbecke halten Bad Oeynhausen 1,2 %, Minden 1,19 % und Hille 1,4 %.


Dieses Angebot wird von den Leuten begrüßt, die Freunde der
Privatisierung sind und der öffentlichen Hand nicht zutrauen, die Netze
wirtschaftlich zu betreiben. Sie warnen vor einem hohen finanziellem
Risiko, die die Übernahme des Netzes bedeuten kann. Dieses Risiko soll
dem Steuerzahler nicht aufgebürdet werden. Große Fans dieser Lösung sind
auch die Städte Herford und Paderborn, da diese größere Anteile
(zusammen 21%) an der EWA halten und bei weiteren Konzessionsverlusten
der EWA hohe Wertberichtigungen tätigen müssten. In manchen Kreisen
heißt es, dass Herford in die Haushaltskonsolidierung müsste, wenn EON
Westfalen Weser weitere Konzessionen verlieren würde. Ebenfalls
begeistert von der Übernahme der EON-Aktien durch die öffentliche Hand
sind die Betriebsräte von EON und die Gewerkschaften, da sie die
Arbeitsplätze und Pensionsforderungen im insolvenzsicheren Hafen der
Öffentlichen Hand sehen wollen.


Zurzeit wird ein Sachverständigengutachten erstellt, welches den
Kaufpreis der EON-Anteile ermitteln soll. Mit dem Ergebnis wird Ende
Juli gerechnet. Merkwürdiger Weise arbeiten hier dieselben Anwälte mit,
die auch die Machbarkeitsstudie für Bad Oeynhausen erstellt haben.
Eigentlich riecht das nach einem Interessenskonflikt. Aber das ist nur
eine Vermutung am Rande.

Um sich eine Meinung zu der Frage zu bilden, welcher Weg für die
Einwohner im Kreis Minden-Lübbecke der beste Weg ist, benötigt man eine
gehörige Portion Sachverstand und Faktenwissen. Unsere erste Forderung
muss deswegen lauten: Veröffentlicht die Sachverständigengutachten!
Bisher werden die Gutachten ausschließlich nicht öffentlich diskutiert.
Es ist deswegen zu erwarten, dass auch das Gutachten zur Bewertung des
Wertes der EWA unter Verschluss bleiben wird. Dieses ist bei dem
wichtigen Thema aber kein akzeptabler Zustand. Meiner Meinung nach
sollten wir nicht nur die politische Forderung nach Veröffentlichung
stellen, sondern einzelne ortsansässige Einwohner sollten auch nach dem
Informationsfreiheitsgesetz Einsicht in die Unterlagen verlangen und zur
Not auch gerichtlich geltend machen. Die Erfolgsaussichten einer Klage
müssten natürlich zuvor gründlich geprüft werden.

Bis die Fakten auf dem Tisch liegen, sollten wir unsere politischen
Prioritäten klären. Als Verbraucher wünsche ich mir
1. Energie aus regenerativen Quellen,
2. zu fairen Preisen
3. für alle Bevölkerungsschichten und
4. Strukturen, die gewährleisten, dass es auf Dauer ökologisch korrekte
Energie zu vertretbaren Preisen für alle gibt.

In meinen Augen ist es nicht Aufgabe einer kommunalen Energiepolitik
(auf Kosten der Verbraucher) die Arbeitsplätze und die
Pensionsforderungen der EON - Mitarbeiter zu sichern!

Ich persönlich halte fürBad Oeynhausen das Beste, EON Westfalen Weser
eine Absage zu erteilen und alles dafür zu tun, dass die Konzessionen
bei den Stadtwerke landen. Bad Oeynhausen hat die personellen,
wirtschaftlichen und rechtlichen Weichen dafür gestellt, dass die
Stadtwerke AÖR am Markt der kommunalen Daseinsvorsorge mit einem breiten
Angebot auftreten kann. Auf diesem Weg sollte der Rat bleiben. Die
Versorgungsnetze sind ein zentraler Baustein in diesem Angebot, der
dafür sorgen wird, dass wir uns vor Ort mit dem Thema Energiewende
beschäftigen müssen. Wir brauchen vor Ort Gewinne, Know-how und
dezentrale öffentliche Kontrolle der Energieversorgung, um langfristig
einen Beitrag leisten zu können, dass nicht wieder zentrale
monopolartige Strukturen entstehen, die in der Vergangenheit zu großen
volkswirtschaftlichen Schäden geführt haben. Die Machbarkeitsstudie hat
gezeigt, dass Bad Oeynhausen, ggf. im Verbund mit Löhne und Vlotho,
sowohl das Gas- als auch das Stromnetz mit Gewinn managen kann. Also
sollten wir dieses tun und uns nicht vor der Verantwortung drücken.

Ob EON tatsächlich seine Anteile abgeben wird, oder lediglich auf Zeit
spielt, steht außerdem noch in den Sternen. Gegenüber den Lippischen
Kommunen, die ihre Stromnetze von örtlichen Stadtwerken betreiben lassen
wollen, fährt EON eine ganz harte Linie. Jüngst hat der EWA --Vorstand,
Henning Probst, die betroffenen Kommunen aufgefordert, auf Herausgabe
der Netze zu klagen. Wer jetzt also allein darauf setzt, dass die
Rekommunalisierung des Stromnetzes durch den Kauf der EON-Anteile an der
EWA realisiert wird, läuft Gefahr, dass am Ende alles beim Alten bleibt.
Eine Minimalforderung muss deswegen lauten, dass die EWA solange keine
neuen Konzessionen erhält, solange EON noch Anteilseigner ist.

Außerdem muss sich jeder, der EON-Anteile kaufen will darüber im Klaren
sein, dass es keine Garantie dafür gibt, dass die EWA auch zukünftig
über die Konzessionen verfügt, über die das Unternehmen heute verfügt.
Alle Konzessionen müssen öffentlich ausgeschrieben werden. Das Ergebnis
der Ausschreibungen ist offen.

Weil es wettbewerbsrechtlich nicht möglich ist, die Vergabe der
Konzessionen nach Ablauf der alten Verträge unendlich lange
herauszuzögern, sollte es für jede Kommune im Kreis einen Stichtag
geben, nachdem eine Beteiligung an der EWA nicht mehr in Frage kommt.
Sollte bis zu diesem Tag EON seine Anteile nicht an die Kommunen
übertragen haben, scheidet m. E. eine Rekommunalisierung durch
Aktienkauf aus. Wie am Beispiel der lippischen Kommunen unschwer zu
erkennen ist, ist der Weg zur Rekommunalisierung mit zahlreichen
Stolpersteinen gepflastert. Ab einem gewissen Zeitpunkt ist es deswegen
erforderlich, sich mit aller Aufmerksamkeit und Konsequenz auf einen Weg
zu konzentrieren, an dessen Ende mit Sicherheit die Rekommunalisierung
steht.


Soweit der Stand der Dinge, wie er sich für mich darstellt.

Viele Grüße

Stefan Ott

--
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  • [Herford] Vergabe von Konzessionen für Strom- und Gasnetze, Friedrich Backs, 15.08.2012

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