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nrw-ennepe-ruhr - Re: [Ennepe-Ruhr] Antrag an die Kreismitgliederversammlung: Übernahme des "Leitfaden für eine gendergerechte Sprache" von digitalCourage e.V.

nrw-ennepe-ruhr AT lists.piratenpartei.de

Betreff: Mailingliste des Kreisverbands Ennepe-Ruhr der Piratenpartei

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Re: [Ennepe-Ruhr] Antrag an die Kreismitgliederversammlung: Übernahme des "Leitfaden für eine gendergerechte Sprache" von digitalCourage e.V.


Chronologisch Thread 
  • From: Debold <mailto AT m-debold.de>
  • To: nrw-ennepe-ruhr AT lists.piratenpartei.de
  • Subject: Re: [Ennepe-Ruhr] Antrag an die Kreismitgliederversammlung: Übernahme des "Leitfaden für eine gendergerechte Sprache" von digitalCourage e.V.
  • Date: Mon, 11 Jul 2016 15:11:51 +0200
  • Organization: ZA

Dem ist nichts hinzuzufügen!

LG

Martin

Am Samstag, 9. Juli 2016, 00:47:23 CEST schrieb Karsten Düsterloh:
> Moin!
>
> Wenn sonst keiner mag, übernehme ich halt die Gegenrede. ;-)den Einfluss de
>
> Stefan Borggraefe aber hob an zu reden und schrieb:
> > Der vKV Ennepe-Ruhr-Kreis übernimmt den "Leitfaden für eine
> > gendergerechte Sprache" des digitalCourage e.V. und wendet ihn von
> > nun an für die schriftliche Kommunikation nach außen an.
>
>
>
> > Der Leitfaden ist unter
> > https://digitalcourage.de/themen/feminismus/leitfaden-fuer-eine-gendergere
> > chte-sprache zu finden und enthält auch eine Begründung, warum das eine
> > gute
> > Sache ist. Die darin formulierten Regeln führen meiner Meinung nach
> > zu einem geschlechtergerechteren Denken ohne dabei für größere
> > sprachliche Unfälle zu sorgen.
>
> Sehe ich anders, dazu unten mehr.
>
> > Unsere Partei diskriminiert niemanden aufgrund seines Geschlechts.
>
> Eben.
>
> > Trotzdem wird den Piraten oftmals vorgeworfen eine männlich
> > dominierte Veranstaltung zu sein. Unsere Mitgliederzusammensetzung
> > entspricht leider diesem Vorwurf. Deshalb halte ich es für eine gute
> > Idee, diese Möglichkeit zu nutzen unser eigenes Denken zu schärfen
> > und auch nach außen zu zeigen, dass wir für Gleichberechtigung sind.
>
> Der Abschnitt sagt deutlich, daß es also Symbolpolitik sein soll …
>
>
> tl;dr:
> Was stört mich also?
> 1. Die Begründung des Antrags
> 2. Der Inhalt des Leitfadens
> 3. Die in (1) und (2) fehlende Auseinandersetzung mit dem vorgeblich
> durch sie gelösten Problemfeld und der (Nicht-)Lösung selbst.
>
> Böse formuliert ist die Verwendung Leitfadens selbst eigentlich
> *diskriminierend* …
>
>
>
> Im Detail:
>
> 1. Die Begründung des Antrags
>
> Weil ein Großteil der aktiven Kreismitglieder offenbar männliche weiße
> Cisheteros, mithin also überpriviligiert, sind, soll durch Anwendung des
> Leitfadens in der Außenwirkung vermittelt werden, „dass wir für
> Gleichberechtigung sind“.
> Was ohne den Leitfaden offenbar niemand sieht?
> Auch unter einem solchen Leitfaden ändert sich an der Zusammensetzung
> der Mitglieder nix, wegen Gendersternchen/-unterstrichen/-punkten tritt
> niemand den Piraten bei, der es ohne nicht auch täte.
>
> Mir fehlt also der konkrete Nutzen jenseits eines „wir sind Teil der
> linken Mainstreams, denn wir haben unreflektiert Aktionismus verbreitet“.
> „Liebe Mitsklavenhalterinnen und Mitsklavenhalter“ wird ja nicht besser,
> wenn es ein Gendersternchen bekommt.
>
> Die Verwendung des Leitfadens wäre reine Symbolpolitik, die exakt nichts
> ändert, sondern bloß externe Sternchenfanatiker auf Abstand halten
> („aber, sieh, wir haben doch den tollen™ Leitfaden angenommen“) soll.
>
>
> 2. Der Inhalt des Leitfadens
>
> Die Prämisse des Leitfadens kann man teilen oder auch nicht, bewiesen
> ist da nämlich nix. Und gerade der Kronzeuge Anatol Stefanowitsch
> (Videolink in der Einleitung des Leitfadens) wird wohl aus gutem Grund
> nicht namentlich erwähnt, seine Theorien zum Thema sind nämlich
> hinlänglich umstritten.
>
> Auch das Schlagwort „Stolpern, aber nicht stürzen“ zeigt, daß jenseits
> der Verbreitung von Information (also geschriebenen Texten) noch eine
> Metaebene bedient werden soll, nämlich die Indoktrination des Lesers. Ob
> ein in der Regel inhaltsfremdes Erschweren des Leseflusses von
> solchermaßen zwangsbeglückten Personen goutiert wird, ist doch eher
> zweifelhaft.
>
> Die alsodann dort erläuterte „Strategie“ läßt sich kurz zusammenfassen
> als „wir wollen keine Auseinandersetzung mit fanatischen
> Sternchenkriegern, also geben wir ihnen etwas Futter“.
> Es ist also im Endeffekt dasselbe Argument, daß auch oben im Antrag
> steht — reine Symbolpolitik, ohne wirkliches Interesse am Problem und
> ohne Einfluß auf das eigentliche Ziel.
>
> So, wie die herkömmlichen Profischwafler anbiedernd „Bürgerinnen und
> Bürger“ formulieren — zwei Gruppen und Frauen dabei vorne — und doch im
> Endeffekt an Gleichberechtigung kein Interesse haben.
>
>
> 3. Die in (1) und (2) fehlende Auseinandersetzung mit dem vorgeblich
> durch sie gelösten Problemfeld und der (Nicht-)Lösung selbst.
>
> Denn welches Problem soll eigentlich gelöst werden?
>
> Gleichberechtigung aller(!) Menschen erreiche ich nicht durch
> Zerschlagung von Sprache, sondern durch Bildung, durch Vorbilder, durch
> Handeln, durch Gesetzgebung und deren Anwendung und Durchsetzung.
>
> Insbesonders erreiche dieses Ziel nicht, wenn ich eine Gruppe von
> Menschen zwanghaft auf Kosten aller anderen in jeden geschriebenen Satz
> zwinge — denn die (falsche!) Grundannahme einer rein männlichen
> deutschen Sprache zur Beförderung einer Überallnennung weiblicher Formen
> führt im Endeffekt zur Unterdrückung aller nicht-binären Menschen, für
> die nach diesem Konzept nicht einmal mehr Wörter vorhanden sind!
> (Ein solches Ausblenden von Menschengruppen durch
> Nichtmehrbenennenkönnen ist im Grunde zutiefst faschistisch.)
>
> Lustigerweise™ ist den Verfechtern des Konzeptes der rein männlichen
> deutschen Sprache aber aufgefallen, daß die Doppelnennungen wirklich
> unhandlich sind — was also tun? Gesichtswahrend mußten also eine neue
> Form der Benennung aller Mitglieder einer Gruppe her: Gendersternchen
> und Co. entstanden. Nur waren jetzt die Nichtbinären wieder die Opfer,
> also waren sie auf einmal „mitgemeint“. Also genau dieses „mitgemeint“,
> welches den ursprünglichen Sprachformen ja gar niemals zugebilligt wurde.
>
> Stand also: selbes Problem wie früher, aber Sprache kaputt.
> Weil eine Teilgruppe ihre Weltsicht in der Sprache durchdrücken will,
> anstatt echte gesellschaftliche Änderungen herbeizuführen.
> Und für nichtbinäre Menschen ist Situation mnoch schlimmer geworden, da
> das ursprünglich generische Wort plötzlich nur noch männlich sein soll,
> und die tollen neuen Formen als weiblich induziert verstanden werden.
>
>
> Damit zur Sprache selbst: „Genus ist nicht Sexus“.
>
> Oder anders: Das grammatikalische Geschlecht eines Wortes (Genus) hat in
> aller Regel nichts mit dem Geschlecht einer eventuell dadurch
> bezeichneten Person (Sexus) zu tun!
>
> (Wer ein paar Minuten Zeit hat:
> <http://www.belleslettres.eu/artikel/genus-gendersprech.php>
> Und danach dann:
> <https://evidentist.wordpress.com/2016/03/28/feministen-rettet-das-generisch
> e-maskulinum/>)
>
> Deutsch hat drei grammatikalische Geschlechter, die aus historischen
> Gründen „männlich/weiblich/neutral“ heißen, aber Französisch
> beispielsweise nur zwei („männlich/weiblich“) — also gibt es auch im
> Französischen keine (im allgemeinen ja sexuslosen) Dinge mehr?
>
> Sind alle Personen Frauen, weil es „die Person“ heißt?
> Sind alle Ziege weiblich?
> Können sich Ponies gar nicht fortpflanzen, weil sie geschlechtlos sind?
> Sind mehrere Menschen immer Frauen, weil alle Mehrzahlen im Deutschen
> den Artikel „die“ nutzen?
>
> Die Zuordnungen eines Genus zu einem Wort ist auch keine zwingende:
> Im Deutschen heißt es „der Mond/die Sonne“, im Französischen „die
> Mond/der Sonne“ (la lune/le soleil); im Norden eher „die Cola“, im Süden
> „das Cola“; Anfang des 20. Jahrhunderts sogar „die Dschungel“.
>
>
> So gesehen also alles nur ein Mißverständnis,
> also Gendersternchen beerdigen und weiter wie früher?
>
> Nein.
>
> Wir /haben/ eine diskriminierende Gesellschaft, in vielerlei Hinsicht.
> Das müssen wir ändern. Aber nicht durch neue Privilegien für
> Teilgruppen, sondern durch Schleifen der alten Privilegien!
>
> Uns stattdessen unser Kommunikationsmittel, die Sprache, zu zerstören,
> hilft nur denjenigen, die wegen Nichtkommunikation der Gegner stark
> bleiben (wollen) — „devide et impera“.
>
>
> Das Prinzip, nach welchem hier vorgegangen wird, mag ja von manchen als
> „kleine Schritte in die richtige Richtung“ wahrgenommen werden, sind es
> aber nicht. Es ist eher ein Versuch der Einhegung von Widersprüchen, der
> uns überall begegnet:
> - anstelle der Abschaffung geschlechtsspezifischer Diskrinierung
> erweitert man die Nichtdiskrinierung auf andere Teilgruppen
> - anstelle der Schaffung eines laizistischen Staates und der Abschaffung
> kirchlicher Privilegien diskutiert man die Anerkennung weiterer Gruppen
> - zur Reformierung der EU wird jetzt über gemeinsames Militär
> diskutiert, anstelle einer Demokratisierung
> - usw. usf.
>
> Zielführend ist das alles nicht, hält uns aber beschäftigt. 9_9
>
>
> Karsten





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