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nds-hameln-pyrmont - [NDS-Hameln-Pyrmont] DWZ Kostenloser ÖPNV

nds-hameln-pyrmont AT lists.piratenpartei.de

Betreff: Kreisverband Hameln-Pyrmont

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[NDS-Hameln-Pyrmont] DWZ Kostenloser ÖPNV


Chronologisch Thread 
  • From: Constantin Grosch <groschorama AT googlemail.com>
  • To: Kreisverband Hameln-Pyrmont <nds-hameln-pyrmont AT lists.piratenpartei.de>
  • Subject: [NDS-Hameln-Pyrmont] DWZ Kostenloser ÖPNV
  • Date: Tue, 27 Sep 2011 07:00:21 +0200
  • List-archive: <https://service.piratenpartei.de/pipermail/nds-hameln-pyrmont>
  • List-id: Kreisverband Hameln-Pyrmont <nds-hameln-pyrmont.lists.piratenpartei.de>

Heute ist folgender, doch recht fairer Artikel in der DWZ. Da wurde tatsächlich recherchiert!!11elf

Lg,
Conny

Freifahrt für alle – ist das machbar?

Von Frank Henke

Im belgischen Hasselt ist es längst Wirklichkeit. Jeder Neuankömmling, der hier verzweifelt nach einem Fahrscheinautomaten sucht, bevor er in einen der Stadtbusse einsteigt, dürfte von den Einheimischen ein leicht mitleidiges Lächeln ernten. Den die Stadt im Nordosten Belgiens fährt kostenlos. Jede halbe Stunde starten auf dem Bahnhofsvorplatz die kostenlosen Linien. Das Projekt ist für den Ort in der Provinz Limburg längst das, was Marketingexperten ein Alleinstellungsmerkmal nennen: „Wer Hasselt sagt, mein Nulltarif in den Stadtbussen“, heißt es auf Hasselts mehrsprachiger Internetseite.

Die Stadt mit 68000 Einwohnern stand in den 90er Jahren vor einem handfesten Verkehrsproblem. Ein dritter Umgehungsring um den alten Stadtkern sollte helfen, obwohl schon der zweite im Jahrzehnt zuvor wenig Entlastung für die verstopften Straßen gebracht hatte.

Also entschieden sich die Stadtoberen für einen Schnitt. Der Autoverkehr wurde eingedämmt, das Bussystem deutlich ausgebaut und – sozusagen als Sahnehäubchen – die Nutzung der Busse kostenlos. Seitdem explodierten die Fahrgastzahlen förmlich: Aus 360000 Fahrgästen im Jahr 1996 wurden 4,6 Millionen im Jahr 2006. Dafür wendet die Stadt Hasselt, laut Medienberichten, 1 Prozent ihres Etats auf – rund 1 Million Euro.

Nachahmer fanden sich auch in Deutschland: So fahren in der Innenstadt des brandenburgischen Templin die Busse heute zwar nicht ganz umsonst, aber „fahrscheinfrei“, wie die stellvertretende Bürgermeisterin Ursula Heise erklärt, und das schon seit 1997. „Der Öffentliche Personennahverkehr lag damals am Boden“, blickt Heise zurück. Ein funktionierendes Stadtbusnetz war jedoch auch für den Status als Kurstadt entscheidend. Also entschied sich die 16500-Einwohner-Stadt zu einem kühnen Schritt: Freifahrten für alle. „Es hat hervorragend funktioniert“, sagt Heise heute, „der Werbeeffekt und das Interesse war groß.“ Allerdings sei die finanzielle Belastung „enorm“ gewesen.

Heute tragen deshalb die Templiner doch wieder ihren Teil bei, allerdings zu Tarifen, die einem Geschenk sehr nahe kommen: 44 Euro kostet die sogenannte Jahreskurkarte, die die Freifahrt garantiert. Die Karte ist nicht personengebunden, sodass morgens das Kind damit zur Schule, und nachmittags die Oma damit zum Arzt fahren kann. „Die Akzeptanz ist hoch“, sagt die stellvertretende Bürgermeisterin. Die Stadt Templin zahlt für jede „fahrscheinfreie“ Fahrt der Templiner und Kurgäste – letztere haben immer freie Fahrt – an das Verkehrsunternehmen. Mit 100000 bis 120000 Euro beziffert Heise diesen Etatposten. Die Zahl der „Beförderungsfälle“, wie es korrekt heißt, schnellte seit dem Start des Projektes 1997 von 41000 auf 240 000 in die Höhe.

In unseren Breiten reagiert man dennoch skeptisch auf die Forderungen nach dem großen Freifahrtschein. Carsten Busse, Chef der Öffis in Hameln-Pyrmont, spricht von sieben bis acht Millionen Euro, die jährlich durch den Fahrkartenverkauf eingenommen werden. In Zeiten klammer kommunaler Kassen will darauf niemand ohne Weiteres verzichten.

Landrat Rüdiger Butte jedenfalls hält Projekte wie in Hasselt oder Templin zwar für eine prinzipiell „tolle Sache“, stuft sie aber in unserer Region als nicht bezahlbar ein. Gerade mal fünf Millionen Euro hätten im letzten Kreishaushalt für freiwillige Ausgaben wie Jugend- und Sozialprojekte bereitgestanden. Da möchte auf bis zu acht Millionen Euro niemand verzichten.

Auch der Landkreis Schaumburg winkt ab: Bei voraussichtlich 12,3 Millionen Euro liege das Ergebnisdefizit im Haushalt 2011. „Wir sind nicht in der Lage, weitere Ausgaben zu verkraften“, sagt Pressesprecher Klaus Heiman. Ohnehin seien solche Modelle wohl eher etwas für den städtischen Bereich.

Öffis-Geschäftsführer Busse sieht zudem praktische Probleme: Wenn der öffentliche Verkehr jederzeit kostenlos verfügbar sei – wie Busse sagt: „wenn er sich jederzeit aufspannen lässt wie ein Regenschirm“ – ist das Aufkommen an Fahrgästen nur noch schwer kalkulierbar. Hoffnungslos überfüllte Busse wären mitunter die Folge. Zudem gelte für viele: „Was nichts kostet, taugt auch nichts.“ Würde eine gute Fee Öffis-Chef Busse von Etat-Engpässen erlösen, würde er lieber in die Qualität des Angebots – zum Beispiel höhere Takte oder Fahrten bis in den späteren Abend – investieren als in Freifahrten.

Gar nicht so weit entfernt vom Weserbergland ist man das Thema Öffentlicher Nahverkehr sehr grundsätzlich angegangen. Im ostwestfälischen Lemgo wurden 1994 Takte erhöht und günstige Abopreise eingeführt. Alle halbe Stunde und zu den Hauptverkehrszeiten sogar jede viertel Stunde fahren die himmelblauen Busse nun durch die Innenstadt. Zwei Millionen Fahrgäste steigen nach Unternehmensangaben jährlich ein. Ein beliebtes, oft gelobtes, aber ebenfalls, nicht billiges Angebot. Die Kostendeckung durch den Fahrscheinverkauf liege in Hameln-Pyrmont um die 80 Prozent, sagt Öffis-Chef Busse, in Lemgo liege sie bei etwa 30 Prozent. Ganz umsonst ist der kostenlose oder auch nur günstigere Busfahrschein eben letztlich nie für alle Beteiligten.

Es klingt zunächst nach reiner Utopie: Die Piratenpartei forderte im Wahlkampf den Nulltarif für öffentliche Busse und Bahnen. Was bei manchem politischen Gegner schnell als Spinnerei abgetan wurde, hat man andernorts bereits in die Tat umgesetzt.



  • [NDS-Hameln-Pyrmont] DWZ Kostenloser ÖPNV, Constantin Grosch, 27.09.2011

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