Zum Inhalt springen.
Sympa Menü

nds-gifhorn - [NDS-Gifhorn] Was soll das mit der Umwelt

nds-gifhorn AT lists.piratenpartei.de

Betreff: Ortsgruppe Gifhorn (Niedersachsen)

Listenarchiv

[NDS-Gifhorn] Was soll das mit der Umwelt


Chronologisch Thread 
  • From: "Ralf S" <ra-live AT freenet.de>
  • To: <nds-gifhorn AT lists.piratenpartei.de>
  • Subject: [NDS-Gifhorn] Was soll das mit der Umwelt
  • Date: Sat, 14 Jun 2014 12:01:35 +0200
  • List-archive: <https://service.piratenpartei.de/pipermail/nds-gifhorn>
  • List-id: "Ortsgruppe Gifhorn \(Niedersachsen\)" <nds-gifhorn.lists.piratenpartei.de>


Es war ein wunderschöner Sonntag im Juli. Die Kinder waren beim Sport oder bei Freunden, und Katrin und Jürgen Geldmacher beschlossen eine kleine Waldwanderung zu machen. Schließlich hatten sie schon seit Längerem nichts gemeinsames mehr unternommen. Während sie die Wärme der Sonnenstrahlen genießen, hört man eigentlich nur das Knirschen ihrer Wanderschuhe auf dem harten Untergrund des Waldwegs. Geldmacher sinniert gerade darüber, wie er das Getriebe seiner Ducati selbst überholen könnte und was er dafür so an Teilen braucht und wie er wohl an die rankommen könnte, als plötzlich Katrins Stimme ertönt: "Schau doch mal diese ganzen Schonungen hier, mit diesen jungen Bäumen hier, die sind ja alle gleich alt, das ist ja fast die Hälfte des Waldes, die sind bestimmt allesamt damals bei diesem Sturm entstanden, Kyrill oder wie der hieß. Geldmacher ist immer leicht genervt, wenn ihn jemand aus seinen Gedanken über seine schöne Ducati reißt, und er antwortet spröde: "Tja, da war der Holzpreis bestimmt ´ne Weile im Keller." Es herrscht wieder Stille, aber sie ist irgendwie etwas angespannter als vorher.

Das Knirschen der Schuhsohlen kommt ihm auf einmal richtig laut vor, als Katrin sich wieder zu Wort meldet: "Das wäre doch bestimmt nicht passiert, wenn wir hier nicht diese Monokulturen von Nutzwald hätten, sondern mehr Urwald." Und Geldmacher antwortet: "Na ja, Rainer, du weißt schon, der Geologe da, der mit Katja, sagt, dass wir Menschen pro Jahr mehr Arten ausrotten, als es damals dieser Meteorit geschafft hat, der die Kreide-Tertiär-Grenze markiert. Der Einschlag damals war so heftig, dass man eine dünne Erdschicht praktisch überall auf der Welt findet, die zu diesem Einschlag gehört. Danach sind dann auch die Dinosaurier ausgestorben. Und durch die extreme globale Abkühlung begann der Siegeszug der Säugetiere, deren Krone wir ja darstellen." "Na toll", erwidert Katrin, "und jetzt kloppen wir wieder alles innen Dutt." "Etwas mehr Respekt bitte", erwidert Jürgen, "immerhin sind wir mit unserer Technik inzwischen offensichtlich mächtiger als so ´nen fetter Meteoriteneinschlag. Dafür musste ich lange und viel studieren." "Boah nee, dein Zynismus kotzt mich echt an", fährt es aus Katrin heraus, und das Knirschen der Schuhsohlen wird jetzt richtig laut.

Geldmacher hat jetzt die Träumerei von seiner Ducati gegen die Erinnerung an Rainer´s Kollegin Jutta eingetauscht, mit der er damals eine Affäre hatte. Mit Jutta konnte er sich stundenlang in dieser Art und Weise unterhalten. Sie konnten sich beide prima über die Wichtigtuerei der Menschen amüsieren. Dadurch, dass sie diese immer im Kontrast zu den gigantischen Zeitskalen der geologischen Geschichte unseres Planeten betrachteten, wirkten alle menschlichen Regungen doch ein wenig unbeholfen und albern. Sein Erinnerungsstrom endet jedoch abrupt mit einem unangenehmen Stich im Kopf, als er an die Stelle gelangt, wo sie aus Wut über die Tatsache, dass er nicht bereit war, seine Familie, trotz des Dauerzoffs mit Katrin, für ein Leben mit ihr zu verlassen, anfing, seine Ducati mit ihrem Geologenhammer zu bearbeiten. Genau in diesem Augenblick war ihm die Geologie plötzlich wieder scheißegal. Katrin möchte jetzt gern wieder ein bisschen Harmonie herstellen und beginnt mit: "Weißt du schon, dass Henning jetzt doch nicht mehr Politologie nach dem Abi machen will, sondern Umwelttechnik. Das muss dir doch gefallen. Ist doch sowas ähnliches wie Maschinenbau." "Na das ist doch mal ne gute Nachricht", erwidert Geldmacher, jetzt auch wieder auf Versöhnungskurs. Doch ein Teil von ihm kann nicht anders, der fängt einfach an über das Wort Umwelttechnik nachzudenken. Sie kommen an eine Weggabelung und beschließen den Abzweig zu gehen, damit sie "in einer Runde" wieder zum Auto kommen können. Nach einer Weile fragt er einfach Katrin: "Sag´ mal was iss' n eigentlich die Umwelt? Ich meine, alle reden davon, aber was isses denn genau?" Katrin guckt in erstaunt an: "Na, ist doch klar Umwelt, das ist halt die Natur und so, halt alles, was um uns rum ist und eben nicht von Menschen verändert, also weder Technik noch Kultur". "Ach so", sagt Geldmacher und schweigt wieder, doch in seinem Kopf regt sich der Gedanke: Und was ist dann wohl Umwelttechnik? Aber er sagt nichts. Will nicht schon wieder Zoff haben. Und so gehen sie dann doch recht harmonisch zum Auto zurück, streckenweise sogar Hand in Hand.

Zu Hause angekommen, nimmt sich Geldmacher erstmal ein Bier aus dem Kühlschrank und setzt sich auf die Terrasse. Katrin sucht noch in der Hausapotheke nach einem Blasenpflaster und kommt dann ebenfalls auf die Terrasse mit einer Weißweinschorle in der Hand. "Hättest du Lust, mir ein bisschen beim Rosenbeet zu helfen?" " Ja, kann ich machen", brummt Geldmacher, "aber du musst mir ganz genau sagen, was ich da wegmachen soll und was nicht". "Kein Problem", erwidert sie, ich zieh mir nur schnell die Gartensachen an". Und so wurschteln beide jetzt in dem Beet herum, bis Geldmacher in eine Brennnessel greift und laut "Autsch" ruft. Das Kribbeln in seiner rechten Hand bringt wieder seinen Widerspruchsgeist in Fahrt, und er erinnert sich wieder an das Gespräch über die Umwelt und die Artenvielfalt. "Iss´ doch komisch", denkt er, "im Wald will sie die Artenvielfalt, aber hier soll es nur Rosen geben. Die Umwelt, das ist also was, dass immer von uns selber weg ist. Die Luft ist nur solange Teil der Umwelt, wie sie nicht als Atemluft aufgefasst wird. Die Natur (was iss´ n eigentlich Natur?) hier in unserem (ähm, Katrins) Garten ist auf jeden Fall nicht Umwelt. Umwelt ist also immer von uns selber weg, abgetrennt, vermutlich, damit wir uns selbst nicht zu ändern brauchen. Früher hat man sein Verantwortungsbewusstsein dadurch zum Ausdruck gebracht, dass man auch die Kinder seines Nachbarn zurechtgewiesen hat, heute kümmert man sich um die Umwelt. Ein großer Topf, so groß, dass sein Rand immer verschwommen bleibt, damit sich jeder was Anderes darunter vorstellen kann."

Das Jucken in seiner Hand ist jetzt nebensächlich geworden, denn Marion, eine verdammt attraktive Sozialpädagogin, und Nachbarin von Rainer, ist in seinem Kopf präsent geworden. Marion spricht immer gern von der Projektionsfläche. Wir bauen uns selbst zahllose Projektionsflächen, auf die wird dann das projiziert, womit wir einen inneren Konflikt haben. Bei Hundehassern ist halt ein Hund am Übel ihrer Welt schuld, bei den Groupies kann der Popstar alles, was der eigene Kerl nicht hinkriegt, und der autofahrende, unkrautjätende Eigenheimbesitzer kann sich halt mit der Projektion auf die Umwelt das schlechte Gewissen für den Raubbau an globalen Resourccen reinwaschen. Immerhin braucht ein durchschnittlicher Eigenheimbesitzer ca. 20 Sklaven in irgendwelchen Schwellenländern, die für einen Hungerlohn Computerplatinen bestücken, Klamotten nähen, Gartenmöbel bauen oder Bäume fällen, damit er dieses Leben führen kann. Und natürlich ist die Umwelt deshalb auch bei jedem von uns ein bisschen anders. Und deshalb kann man sie auch nicht schützen, jedenfalls nicht im wahren Leben." Geldmacher steht auf, verlässt das Rosenbeet, geht wortlos zum Kühlschrank und setzt sich auf die Terrasse. Katrins "Viel hast du aber nicht geschafft", geht im lautstarken Plöpp seiner Buddel unter. "Soll er doch Umwelttechnik machen", denkt er, "bin gespannt, was man da so lernen tut".

Eine laute, durchdringende, aber ausgesprochen freundliche Stimme reißt Geldmacher aus seinen Grübeleien. "Hey Jürgen, wie schaut´s aus, hast so ne Buddel auch für mich", vernimmt er Rainers vertraute Stimme. "Klaro", meint Geldmacher und steht gemächlich auf um sich zum Kühlschrank zu begeben. Auch Rainer lässt die Buddel anschließend ähnlich geräuschvoll aufplöppen wie zuvor Geldmacher, während er nur so rhetorisch fragt: "Und, was läuft bei dir grad so?" Darauf Geldmacher: "Tja, Henning will jetzt plötzlich Umwelttechnik studieren. Nicht mehr Politik." "Ah, kommt jetzt doch der Papa in ihm durch?" Rainer schmunzelt. "Wenn ich mein Leben so betrachte, würd´ ich sagen, besser nicht"; kontert Geldmacher und legt etwas ernsthafter nach: "aber jetzt frage ich mich natürlich, was das sein soll, Umwelttechnik. Und da fängt´s schon an, schwierig zu werden, ich weiß schon nicht, was Umwelt sein soll. Was soll n das sein, was noch um die ganze Welt drum rum ist?" "Nee, so kannst du das nicht sehen", meint Rainer, "die Welt, dass ist bei den meisten von uns etwas ziemlich kleines. Z.B. Familie plus Karriere. Bei einem Schauspieler sagt man doch im Nachruf auch gerne, seine Welt war die Bühne." Die Welt ist also das, auf was wir uns in unserem Leben fokussiert haben, wir alle, bis auf Einen natürlich." Und er grinst in Geldmachers Richtung. "Und Umwelt ist halt das, was es da draußen außerdem noch gibt. Was auch wichtig ist, damit deine Welt funktioniert, so was Übergeordnetes halt." "Aha, und was iss´ dann Umwelttechnik?" Geldmacher guckt Rainer durchdringend an, doch der weicht dem Blick aus und hält sich an seinem Bier fest.

"Das ist doch ganz einfach." Mischt sich eine neue Stimme ein. Henning kommt grad vom Sport, seine Tasche lässig über die Schulter gehängt, kommt er um die Hausecke und bleibt kurz auf der Terrasse zwischen den Beiden stehen. "Diesmal packst du deine Tasche aber selber aus und tust die Sachen selber in den Wäschekorb und schmeißt sie nicht wieder einfach in den Flur", mischt sich Katrins Stimme aus dem Garten plötzlich ein. "Ja, ja", erwidert Henning kurz und wendet sich dann an Rainer, "dass mit der Umwelt iss´ doch ganz einfach: andauernd sind wir damit beschäftigt uns auf irgendetwas zu konzentrieren um uns unseren eigenen, persönlichen Vorteil zu verschaffen. Wir schmeißen die Kippe oder die Bierdose achtlos auf den Boden, da wo wir grad stehen, weil es für uns so unmittelbar in der Situation ein Nachteil ist, bis zum nächsten Mülleimer zu gehen. Trotzdem wollen wir aber keinen Müllberg auf dem Gehweg vor der Haustür haben. Insgeheim wünschen wir uns einfach, dass sich da irgendwer anders drum kümmern soll, am Besten der Staat, was immer das jetzt sein mag. Aber auch da ist es so, dass wir ja trotz dieser Erwartungshaltung an den Staat gerne damit angeben, wie viel Steuern wir ihm vorenthalten haben, womit wir ja eigentlich verhindern, dass er seinen Aufgaben nachkommen kann.

"Du ganz besonders", wirft Geldmacher kurz ein, "wo zahlst du denn Steuern?" "Dann eben nicht wir, sondern ihr", gibt Henning trocken zurück, "auf jeden Fall gibt der Begriff Umweltbewusstsein an, dass ich mir bewusst bin, dass es da Draußen noch was anderes gibt, das für mein Wohlergehen und vor allem auch für meine eigenen, egoistischen Ziele wichtig ist. Wenn ich bei ´nem Autobauer arbeite", isses vielleicht schon wichtig, dass es Abgasnormen gibt, denn, wenn wir uns alle mit unseren Autoabgasen gegenseitig vergiften, haben auch die Autobauer einen ganz persönlichen Nachteil davon, auf den auch sie keinen Bock haben. Und dass man das weiß, drückt man halt dadurch aus, dass man sagt, man hat ein Umweltbewusstsein." "Hey, cooles Statement. So weit so klar, aber was soll dann Umwelttechnik sein?" entgegnet Rainer einigermaßen fasziniert von Hennings klaren Äußerungen zum Thema. "Na Umwelttechnik iss´ halt die Technik, die in dem Bewusstsein für diese Problematik entwickelt wird, iss´ doch klar, oder? ´Nen Porsche z.B. soll halt nur seinem Eigentümer dienen und sonst nichts. Umwelttechnik dient in einem größeren Rahmen. Der Porsche bringt den Nachfahren des Porschefahrers doch nur Probleme, der gammelt einfach weg und hinterlässt ´nen Haufen Schrott und Schadstoffe. Umwelttechnik verfolgt dagegen auch langfristige Ziele. Wenn Papa jetzt in Umwelttechnik investieren täte, würde das unter Umständen helfen, dass ich mal Kinder ohne Geburtsschäden haben kann. Wenn man natürlich immer nur mit sich selbst beschäftigt ist, hat man dafür keine Interesse:" Und ein ziemlich vorwurfsvoller Blick trifft auf Geldmacher, während Henning jetzt durch die Terrassentür ins Wohnzimmer verschwindet, seine Tasche wie immer achtlos in den Flur wirft und die Treppe rauf in sein Zimmer stürmt, um dort seinen stromfressenden 5 GHz Compi zu starten.

"Und wie ist das mit der Umwelt und deiner stinkenden Sporttasche?" Brüllt Geldmacher noch hinterher. Oben geht kurz die Tür auf und Henning brüllt zurück:" Da hab ich meine Leute für, die zahlen ja auch die Steuern für mich." Kurz darauf hört man diesen vertrauten Linux-wird-gestartet Sound und dann ist erst mal Ruhe. "Noch n Bier?" fragt Geldmacher wieder an Rainer gerichtet. "Gerne, Mensch Jürgen, da hast du dir aber schon n cleveres Bürschchen hingebastelt, den find ich echt cool. Da kannst du ruhig mal stolz drauf sein, falls du noch weißt, wie das geht." "Danke der Nachfrage, ich weiß noch wie das geht und ich bin´s ja auch." Aber der ist keinen Pup weniger egoistisch als ich, soweit ich das da im Flur erkennen kann und so wird das mit der Umwelt doch nie was. " Na ja, meint Rainer mit einem leicht dreckigen Grinsen, "Umweltbewusstsein heißt ja nur, dass du dir der ganzen Sache bewusst bist, das heißt ja noch lange nicht, dass du da was drann änderst": "Vielen Dank Henning 2", gibt Geldmacher lachend zurück und mit einem fast-synchronen Doppel-Plöpp lassen sich beide wieder auf ihre Terrassenstühle fallen und schauen ganz interessiert Katrin bei ihrer Gartenarbeit, bzw. der gezielten Reduktion der Artenvielfalt, zu.







  • [NDS-Gifhorn] Was soll das mit der Umwelt, Ralf S, 14.06.2014

Archiv bereitgestellt durch MHonArc 2.6.19.

Seitenanfang