nds-gifhorn AT lists.piratenpartei.de
Betreff: Ortsgruppe Gifhorn (Niedersachsen)
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- From: "Ralf S" <ra-live AT freenet.de>
- To: <nds-gifhorn AT lists.piratenpartei.de>
- Subject: [NDS-Gifhorn] die Schnecke und der Pilz
- Date: Fri, 13 Jun 2014 17:45:59 +0200
- List-archive: <https://service.piratenpartei.de/pipermail/nds-gifhorn>
- List-id: "Ortsgruppe Gifhorn \(Niedersachsen\)" <nds-gifhorn.lists.piratenpartei.de>
Als die Sonne langsam beginnt das erste Rot zu zeigen, meldet sich Rainer plötzlich zu Wort.:" Das muss ich dir unbedingt noch erzählen. Da war neulich so ne amerikanische Gastwissenschaftlerin im Institut, Jocelyn hieß die, die hat echt ´ne irre Geschichte erzählt. Also, da gibt es wohl im Urwald so eine Nacktschnecke, so ähnlich wie diese roten und schwarzen bei uns, die kriecht auch auf dem Erdboden rum, genau wie die Viecher bei uns und frisst so biologische Reste, die da so ´rum liegen. Diese Schnecke wird nun gelegentlich von einem Pilz befallen, so eine Art Schimmelpilz. Dieser Pilz manipuliert die Schnecke, in dem er ihre Nervenleitungen befällt. Und er manipuliert sie so, dass sie aufhört auf dem Boden ´rum zu kriechen. Statt dessen beginnt sie einen nahen Baum zu erklimmen, und sie klettert den Baum bis ganz oben hoch. Da das da oben aber gar nicht ihr angestammter Lebensraum ist, findet sie da oben gar nichts zu futtern und verhungert ganz jämmerlich. Und jetzt ist die große Stunde von dem Pilz gekommen, denn das Mycel nimmt jetzt immer mehr Besitz von der verhungerten Schnecke, und es lässt einen richtigen Pilz, also ich meine so was ähnliches wie einen Champignon, aus der Schnecke ´raus wachsen. "Der Pilz, das ist das Ganze, der Champignon ist nur der Fruchtkörper von ´nem Pilz", unterbricht Jürgen leicht besserwisserisch. "Ja, genau, darauf wollt´ ich doch hinaus, mir ist nur der Begriff nicht eingefalen", fährt Jürgen fort. "Also, der Pilz lässt jetzt diesen Fruchtkörper wachsen und da sind ja diese Sporen für seine Vermehrung drinn. Und jetzt entlässt er diese Sporen von einem hohen Baum aus und nicht von irgendwo unten. Iss´ das nicht Irre?" "Ja, schon, erwidert Jürgen, "aber das die Natir irre ist, wissen zumindest wir beide doch schon lange." Dieses "zumindest" ist doch typisch für Jürgen, denkt Rainer leicht schmunzelnd, immer nach allen Seiten absichern, nur keinen unbedachten Schritt machen. Immer zusehen, dass zwischen Arsch und Wand mindestens noch die Tapete ist, sagt er ja auch gerne. Aber dann fährt er unbeirrt fort: "Ja, ja, aber jetzt kommt´s ja auch erst, das worum ´s eigentlich geht. Denn genau diese Story von eben, die hat also Jocelyn ihrer Freundin erzählt. Die Freundin iss ´n bisschen crazy und Astrobiologin von Beruf." "Hä, Astrobiologin, was soll´n das ´n sein?" "Tja, sowas kann man an der California State University studieren. Diese Leute beschäftigen sich hauptsächlich mit den Aminosäuren, die man so als Wolken irgendwo im Weltall findet, also so Substanzen, die die Bausteine des Lebens bilden." "Ach und die fliegen einfach so im Weltall rum", wundert sich Jürgen. "Anscheinend iss´ das wohl so", erwidert Rainer. Aber lass´ mal , das wird noch viel verrückter. Die Jocelyn erzählt also der Michelle, wie ihre Freundin heißt, diese Story von der Schnecke und dem Pilz, und Michelle ist auch gleich total interessiert. Sie betrachtet aber hat alles immer sehr global, halt astronomisch, und sie meint jetzt, wie wäre es denn, wenn jetzt der Mensch, diese eigenartige Spezies, die irgendwie nicht so richtig in das Schema der Natur ´reinpassen will, wenn also dieser Mensch auch von einer anderen Lebensform befallen wäre. Sie sagt, unser Genom, das ist ja in gewisser Weise sowas wie ein biologische Informationssystem. Wie wäre es denn, wenn dieses Informationssystem von einer Art biologischem Computervirus befallen worden wäre. Irgendwie aus dem ganzen Amonosäurensalat aus ´m Weltall. Und dieser Computervirus bringt unser Genom jetzt dazu, auch eine ganz andere Lebensform zu vermehren als unsere Eigene. Und diese andere Lebensform, das ist die ganze Technologie um uns rum." Rainer macht eine kleine Kunstpause, um seine Worte wirken zu lassen, in der es aus Jürgen ´raus platzt: "Mann, Rainer, ich glaub´,du rauchst ´n bisschen viel ib letzter Zeit, wie soll denn die Technologie ´ne eigenständige Lebensform sein, wenn sie sich nicht mal selbst vermehren kann, hä?" "Eben genau deshalb verwendet sie ja uns als Vermehrer. Guck doch mal , wie viele Autos in Deutschland letztes Jahr vermehrt wurden und wieviel neue Deutsche entstanden sind? Da bekommt doch schon den Eindruck, dass uns das Vermehren der Autos mehr am Herzen liegt, als das der Menschen, was bilogisch ja eigentlich das Normale sein müsste. Und überhaupt, wenn dann raucht ja wohl diese Michelle zu viel und nicht ich." Rainer spielt ein wenig den Entrüsteten, ist aber kein sonderlich guter Schauspieler. Für einen Moment ist es wieder still auf der Terrasse. Inzwischen ist es auch schon etwas kühl geworden und Jürgen zieht sich seine Motorradjacke über. Rainer fragt ihn: "Willst du noch n Bier; ich geh eh rein und hol mir nen Pulli. "Nee Danke, will ja noch nach Hause fahren, heut abend." "Du weißt schon, dass du auch hier pennen kannst", bietet Rainer an, doch Jürgen lehnt dankend ab, denn er möchte gerne morgen früh in seinem eigenen Bett aufwachen. "Und wie wär´s mit nem Alkoholfreien", bleibt Rainer hartnäckig. Und das findet dann auch recht schnell Jürgens Zustimmung, obwohl er schon noch bemerken muss, dass ein Alkoholfreies nach einem richtigen Bier " ´ne ziemliche Zumutung ist", aber wenn´s nicht anders geht...Rainer kommt also kurz darauf mit zwei geöffneten Bierpullen wieder raus. Jürgen sinniert immer noch über die exotische Geschichte. Doch je länger er darüber nach denkt, desto weniger exotisch kommt ihm das Ganze vor. "Natürlich", beginnt er jetzt den Faden weiter zu spinnen, "klar, das würde jetzt auch erklären, warum wir so scharf auf die Raumfahrt sind. Das ist der Technologie natürlich immens wichtig, dass sie sich auch im Weltraum weiter vermehren kann. Und jetzt wundere ich mich auch gar nicht mehr darüber, dass uns die Umwelt, also unser angestammter Lebensraum so wurscht ist. Wären wir ein homogener Bestandteil dieses Planeten, würden wir ihn doch viel wichtiger nehmen. Und jetzt weiß ich auch, warum wir einen imaginären Vater im Himmel anbeten sollen, das fand ich schon immer komisch. Klar, das ist die Quelle von deinem Technologiewesen. Und als Adam und Eva vom Baum der Erkenntnis aßen, da war der Apfel einfach nur der Trojaner bzw. der Transportbehälter, in dem der Genom-Computervirus versteckt war." "Mann. Alter", meint Rainer daraufhin schmunzelnd, "und du erzählst mir noch mal, ich würd´ zu viel rauchen?" "Na ja, das ich naturbreit bin, das ist doch wohl allgemein bekannt", gibt Jürgen völlig Ernst zurück. "Aber, ich glaub, ich wird jetzt mal aufbrechen. Iss´schon ganz schön frisch geworden, außerdem will ich beim Fahren noch ´n bisschen über dieser Geschichte grübeln. Hat sich auf jeden Fall gelohnt, mal wieder rein zu schneien. Und grüß´ Katrin mal von mir, wenn sie zurück ist. Was sagt die eigentlich zu deiner Geschichte?" "Kennt sie noch gar nicht. Du bist der Erste, dem ich das weiter erzählt habe." "Oh, welch große Ehre mir da zu Teil wurde", grinst Jürgen, während sich die Beiden noch mal kräftig zum Abschied umarmen.
- [NDS-Gifhorn] die Schnecke und der Pilz, Ralf S, 13.06.2014
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