Zum Inhalt springen.
Sympa Menü

loerrach - Re: [Piraten Loerrach] Planungszellen, Kommunalpolitik

loerrach AT lists.piratenpartei.de

Betreff: Piraten aus dem Landkreis Lörrach

Listenarchiv

Re: [Piraten Loerrach] Planungszellen, Kommunalpolitik


Chronologisch Thread 
  • From: Volker Königsbüscher <volker_koenigsbuescher AT web.de>
  • To: "'Marco Schopferer'" <schopfi AT arcor.de>, <loerrach AT lists.piratenpartei.de>
  • Subject: Re: [Piraten Loerrach] Planungszellen, Kommunalpolitik
  • Date: Fri, 4 May 2012 13:50:29 +0200
  • List-archive: <https://service.piratenpartei.de/pipermail/loerrach>
  • List-id: Piraten aus dem Landkreis Lörrach <loerrach.lists.piratenpartei.de>

Hallo Marco,

 

Danke Dir!

Du schreibst: "Es ist wohl illusorisch, dass eine Gemeinde die Kosten für rund 25 im Zufallsverfahren ausgewählten Bürgerinnen und Bürgern bezahlt [...]"

 

Dazu: Diese Verfahren wird seit langer, langer Zeit (den frühen '70igern) von vielen Gemeinden gemacht, von Regionen, Ländern, in Deutschland, international... Da hat es auch geklappt. Ist also ganz und gar nicht illusorisch. Man muss es wollen. 

 

Du schreibst: "Das hört sich doch schon arg nach Arbeitsbeschaffungsprogramm für professionelle Mediatoren an, die „gemeinsam mit dem Auftraggeber“ Themen und Programm erstellen, und gleich noch die konformen Experten aussuchen."

 

Dazu: Ja, kann ja sein. Aber das Verfahren hat andererseits oft und gut funktioniert. Ich finde, man muss nicht grundsätzlich Korruption, Böswilligkeit und Unfähigkeit unterstellen. Ich persönlich habe nix gegen Mediation, im Gegenteil, und auch die Piraten haben das schon genutzt ( http://www.google.ch/search?q=Piraten+mediation ), Wieso nicht, bevor was anbrennt... Und ich habe nichts gegen Experten an sich. Bin selber einer in den Gebieten, wo ich es bin, und will auch so gesehen werden. Es ist OK, Leute bei Planungszellen dabei zu haben, die sowas schon mal gemacht haben, Experten sind nicht zwangsläufig böse und voreingenommen. Aber es stimmt, schräg ist schon, die Sache mit dem Auftraggeber. Wenn das eine Exekutive ist, dann macht sie das vielleicht als Feigenblatt. Es ist manchmal schon mühsam, zu sehen, wie so was manchmal ganz offensichtlich von gestylten Marketing-Aktionen begleitet wird... Der richtige Weg ist, wenn das Parlament (oder Gemeinderat, etc.) das in Auftrag gibt. Wäre dann Job der Piraten im Gemeinderat, dafür zu sorgen. "Konforme Experten": gewöhnlich werden hier die schon beteiligten Experten (die tatsächlichen Planer, Verbände, Architekten etc.) aufgeboten. Das sind wohl eher selten so viele, dass man nach Konformität aussieben kann. Und was heißt nochmal "konform"? Die, die nicht konform "zu uns" sind?

 

Du schreibst: "Sinniger wäre es meiner Ansicht, dass interessierten Bürger ein Brainstorming unter möglichst zurückhaltender Moderation machen und dann von der Gruppe Experten gesucht werden. Der „Auftraggeber“ hat sich in nichts inhaltlich einzumischen und kann sich glücklich schätzen, dass Schwarmintelligenz ihm die Arbeit abnimmt." 

 

Dazu: Gute Idee, man kann bestimmt die Gruppe eine Vorab-Sitzung machen lassen, wo sie die Experten begutachtet. Oder so. Und Mediatoren sind immer zurückhaltend, wenn sie ihren Job richtig machen. Aber das Verfahren soll insgesamt sicher mehr sein als ein "Brainstorming".  Der Auftraggeber wäre in meinem Bild der Stadtrat, und die Planungszelle hat einen Auftrag. Also muss der Auftraggeber schon ein bisschen Einfluss haben, zumindest so viel, dass der Vorgang den Auftrag erfüllt. Vielleicht hier mal eine amüsante Beobachtung zur Schwarmintelligenz: In Borneo hatte ich das Glück einen großen Schwarm einer großen Ameisenart zu sehen, wo zigtausende Ameisen über mehrere "Straßen" in den Stock zurück schwärmten, aber an einem Punkt drehten die in sich selbst zurück, wie ein Strudel, alle auf einen Haufen, und die Viecher kamen nicht mehr raus aus ihrer eigenen Sackgasse...

 

Du schreibst: "100prozentige Zustimmung, doch in diesem Punkt sind besonders dicke Bretter zu bohren. Ich habe in diesem Jahr sicherlich schon von einem Dutzend Gemeinderäten gehört, wie schlimm doch die direkte Demokratie ist. Überall mischten sich plötzlich Bürger ein. Allein in Efringen-Kirchen drei Unterschriftensammlungen binnen der letzten zwölf Monate. Mal gegen die Ansiedlung eines Müller-Marktes, mal gegen einen Autohof und jüngst gegen eine Steinbrucherweiterung. Alle mir ins Ohr weinenden Gemeinderäte sahen sich doch vom Volk gewählt und damit für fünf Jahre entscheidungsbefugt. Ihre Kompetenz in Frage zu stellen, bedeutet für sie eine Majestätsbeleidigung. Ich denke, diese antiquierte Haltung radikal in Frage zu stellen, wird eine Hauptaufgabe der Piraten in der Kommunalpolitik werden."

 

Dazu: Ja, genau. Antiquierte Haltungen radikal in Frage zu stellen ist einer der Hauptpunkte, warum irgendjemand die Piraten in ein Kommunal-Parlament wählen wollte. Zum konkreten Beispiel: Unterschriften-Sammlungen sind keine direkte Demokratie, da bringen die Gemeinderäte was durcheinander. Das sind sozusagen "Kampfmaßnahmen" wenn das Kind schon im Brunnen ist. Solche Situationen sollen Prozesse wie Planungszellen ja grad gar nicht erst entstehen lassen. Aber auch Planungszellen sind keine direkte Demokratie, weil die Planungszellen-Mitglieder ja ihre Mitbürger repräsentieren, also sind sie wohl irgendwie eine andere Form repräsentativer Demokratie, wenn dort wirklich Entscheidungen getroffen werden sollten. Die Frage ist, ob das überhaupt geht, gesetzlich, Verfassung, und so. Deswegen ist das Ergebnis von Planungszellen derzeit ein "Bürgergutachten", kein "Bürgerbeschluss". 

 

Du schreibst: "Und dafür können deine Links und Ideen eine durchaus gute Möglichkeit sein". 

 

Dazu: Freut mich zu hören!

 

Wie weiter?

 

Es hat in Lörrach und den Gemeinden im Kreis manche Bürgerbeteiligungsverfahren gegeben. Google und BZ sind unsere Freunde, wir finden manches:

https://www.google.de/search?q=b%C3%BCrgerbeteiligung+l%C3%B6rrach+site%3Abadische-zeitung.de&rlz=1I7ADRA_de 

 

z.B.

http://www.loerrach.de/ceasy/modules/cms/main.php5?cPageId=739&view=publish&item=article&id=1417

http://www.badische-zeitung.de/loerrach/wo-die-buerger-mitreden--54416315.html

Hier ist nicht der Ort, alles aufzulisten. Vieles ein bisschen mit einem Hauch von Marketing, aber was soll's.

 

Ich finde, wir sollten uns damit beschäftigen. Diese Verfahren sind ein bisschen ein Gegenstück zur Liquid Democracy im "Real Space". Kombinationen sind denkbar. Wir könnten es auf die Tagesordnung des nächsten Stammtischs nehmen. Wir könnten eine AG machen. Wir könnten einfach mal mit Leuten reden, die bei diesen bisherigen Verfahren dabei waren, oder sie angestoßen haben, usw. Bei Stadt, Kreis, den Grünen, wo immer. Wir könnten jemanden von den Instituten, die Gemeinden bei Planungszellen unterstützen, einfach mal einladen. Zu uns, oder eine Veranstaltung machen, mitsamt Mitschnitt für Kanal Ratte und Radio Dreyeckland.

 

=====> Meine Frage an die Runde: Besteht genügend Interesse, dann würde ich mir mal ein paar Gedanken und Thesen machen und das für den nächsten Stammtisch vorbereiten?

 

Grüße

Volker

 

 

 

 

 

 

 

Von: loerrach-bounces AT lists.piratenpartei.de [mailto:loerrach-bounces AT lists.piratenpartei.de] Im Auftrag von Marco Schopferer
Gesendet: Dienstag, 1. Mai 2012 11:31
An: loerrach AT lists.piratenpartei.de
Betreff: Re: [Piraten Loerrach] Planungszellen, Kommunalpolitik

 

LieberVolker,

 

vielen Dank für deine wohl recherchierte Diskussionsgrundlage. Die Idee von Planungszellen ist recht genial, die Vorteile werden ja auf den Links ausführlich behandelt, ich will mich daher eher etwas an der Kritik abarbeiten.

 

1.      Es ist wohl illusorisch, dass eine Gemeinde die Kosten für rund „25 im Zufallsverfahren ausgewählten Bürgerinnen und Bürgern bezahlt, die für ca. eine Woche von ihren arbeitsalltäglichen Verpflichtungen freigestellt werden, um in Gruppen Lösungsvorschläge für ein vorgegebenes Planungsproblem zu erarbeiten“.

2.      Das System geht davon aus: „Der Durchführung einer Planungszelle geht eine intensive Vorbereitungsphase voraus. Während dieser Phase wird gemeinsam mit dem Auftraggeber das Thema der Planungszelle geklärt und das Programm erstellt. Desweiteren werden hierbei auch die relevanten Expertinnen und Experten ausgesucht und das Informationsmaterial für die Gutachter bzw. Teilnehmerinnen und Teilnehmer vorbereitet“. Das hört sich doch schon arg nach Arbeitsbeschaffungsprogramm für professionelle Mediatoren an, die „gemeinsam mit dem Auftraggeber“ Themen und Programm erstellen, und gleich noch die konformen Experten aussuchen.

Sinniger wäre es meiner Ansicht, dass interessierten Bürger ein Brainstorming unter möglichst zurückhaltender Moderation machen und dann von der Gruppe Experten gesucht werden. Der „Auftraggeber“ hat sich in nichts inhaltlich einzumischen und kann sich glücklich schätzen, dass Schwarmintelligenz ihm die Arbeit abnimmt.

3.      Ein ganz anderer Punkt von Dir: „Konkret Kommunalpolitik: was machen die Piraten, die im Frühjahr 2014 Stadtrat landen werden? Vorschlag: Bewirken, dass zu konkreten Vorhaben der Stadt Planungszellen eingerichtet werden und diese für die Stadt bindend werden. Keine „Beteiligungs-Show“. Bürger wirklich entscheiden lassen. Dann muss auch nicht jeder Abgeordnete immer über alles eine Meinung haben, was sowieso chancenlos ist. Er kann die Entscheidungsgewalt an die Bürger zurück geben.“

100prozentige Zustimmung, doch in diesem Punkt sind besonders dicke Bretter zu bohren. Ich habe in diesem Jahr sicherlich schon von einem Dutzend Gemeinderäten gehört, wie schlimm doch die direkte Demokratie ist. Überall mischten sich plötzlich Bürger ein. Allein in Efringen-Kirchen drei Unterschriftensammlungen binnen der letzten zwölf Monate. Mal gegen die Ansiedlung eines Müller-Marktes, mal gegen einen Autohof und jüngst gegen eine Steinbrucherweiterung. Alle mir ins Ohr weinenden Gemeinderäte sahen sich doch vom Volk gewählt und damit für fünf Jahre entscheidungsbefugt. Ihre Kompetenz in Frage zu stellen, bedeutet für sie eine Majestätsbeleidigung. Ich denke, diese antiquierte Haltung radikal in Frage zu stellen, wird eine Hauptaufgabe der Piraten in der Kommunalpolitik werden.

Und dafür können deine Links und Ideen eine durchaus gute Möglichkeit sein.

 

Liebe Grüße

 

Marco




Archiv bereitgestellt durch MHonArc 2.6.19.

Seitenanfang