Re: [Kommunalpolitik] Oberbürgermeisterwahlen und PIRATEN - war: Hintergründe zur OB-Wahl in Stuttgart insbesondere zum Abschneiden unseres Piraten

["Stefan Urbat (orca)" <stefan.urbat AT piraten-stuttgart.de>]

Hallo Michael,

Quoting "Michael Büker" <michael.bueker AT piraten-hh.de>:

> On 12.10.2012 13:39, Stefan Urbat (orca) wrote:
> > ich fürchte, das Ergebnis in der Landeshauptstadt in BW von nur 0,5%
> > für unseren Kandidaten kann bei einigen kommunalpolitisch
> > interessierten Piraten Betroffenheit ausgelöst haben.
>
> Es entspricht eher dem Gesamtbild der Ergebnisse, die Piraten bei  
> Bürgermeisterwahlen erringen (da sind auch nach Berlin nie mehr als  
> 4% bei rausgesprungen).
Das trifft jedenfalls auf Großstädte zu (s.u.).

> Ich verweise mal auf meine Kommentare zu Piraten und  
> Bürgermeisterwahlen hier:
> https://gebloggendings.wordpress.com/2012/07/09/folien-zum-vortrag-piraten-in-kommunalparlamenten-bei-dascamp-2012/
Sehr interessanter Vortrag, selbst ohne ihn gehört und "nur" die  
Folien gelesen zu haben und generell Danke für Deine viele Arbeit, die  
in kommunalpiraten.de steckt!

Zur Diskussion: ich denke, wir können zumindest einige Empfehlungen  
abgeben, was Bürgermeisterwahlen aus piratischer Sicht angeht. Vorab  
noch die beiden besten mir bekannten Ergebnisse und eine kurze  
Bewertung dazu:

Im Mai dieses Jahres (2012) fanden in Thüringen allgemeine  
Bürgermeisterwahlen statt. Dabei trat in einer unserer bundesweiten  
Hochburgen namens Ilmenau (im Ilm-Kreis; hat 26000 Einwohner) ein  
Pirat an, der auch von den LINKEN, GRÜNEN und zwei lokalen  
Wählervereinigungen unterstützt wurde. Er war einer von insgesamt drei  
Kandidaten: die anderen waren von CDU und SPD.

Zwar gewann der Kandidat der CDU als Amtsinhaber die Wahl im ersten  
Wahlgang bereits mit 63%, so dass unser Kandidat den zweiten Wahlgang  
nicht erreichte. Aber mit 29% der Stimmen lag er weit vor dem  
abgeschlagenen SPD-Kandidaten mit nur 8%. - Von marginaler Bedeutung  
kann man daher hier gewiss nicht sprechen.

Schon 2011 gelang es unserem Kandidaten bei der Oberbürgermeisterwahl  
in Ludwigsburg (Region Stuttgart), einer großen Mittelstadt mit 89000  
Einwohnern, fast 14% der abgegebenen Stimmen (bei allerdings nur 20%  
Wahlbeteiligung) zu gewinnen, wobei außer dem parteilosen, von der CDU  
und den meisten Gemeinderatsfraktionen unterstützten Amtsinhaber nur  
noch eine völlig unabhängige Einzelkandidatin antrat (auch ca. 8%). -  
Auch aufgrund der Nähe zur Landeshaupstadt sowie als drittgrößte Stadt  
der Region ist Ludwigsburg nicht gerade ein Provinznest und nur gut  
10000 Einwohner vom Großstadtstatus entfernt.

In allen Großstädten lagen wir bisher in der Tat unter 4% bei  
Oberbürgermeisterwahlen, die größten davon waren bisher Frankfurt/Main  
und Stuttgart. In Frankfurt hatte einer unserer beiden Gemeinderäte,  
der schon vorher für die SPD Gemeinderatsmitglied gewesen war,  
kandidiert, kam aber auch nur auf 3,8%, obwohl das ein typischer  
Ansatz ist, als Gemeinderat für eine Bürgermeisterwahl zu kandidieren  
und eine gewisse kommunale Bekanntheit mit sich bringt.

In Karlsruhe (wo wir uns wie in Stuttgart aus den OB-Wahlen beim  
besten Willen nicht heraushalten können, in beiden Städten sind wir  
schon seit vor der Europawahl 2009 mit Wahlplakaten und Infoständen in  
Erscheinung getreten) haben die dortigen Piraten allerdings keinen  
eigenen Kandidaten aufgestellt (ist unsere stärkste Hochburg in ganz  
BW), sondern unterstützen zusammen mit anderen Parteien und  
Wählergruppen den Kandidaten der SPD, haben aber dennoch auch  
anlässlich der Wahl ein eigenes Kommunalprogramm entwickelt. Es sieht  
derzeit so aus, als könne der CDU-Kandidat (für alle Piraten ist  
dieser Mann ein rotes Tuch) auch mithilfe unserer Unterstützung  
geschlagen werden... (s.a.  
http://www.ka-news.de/oberbuergermeisterwahl-karlsruhe./ka-news-Sonntagsfrage-Frank-Mentrup-fuehrt-das-Feld-an;art6066,974842)

Daraus könnte man folgende Empfehlungen für PIRATEN ableiten:

1. in Großstädten eher nicht mit eigenen Kandidaten antreten
2. generell Verbündete suchen: ob man Unterstützer für einen eigenen  
Kandidaten findet (Parteien, Wählervereinigungen) oder umgekehrt den  
Kandidaten einer anderen Partei, Wählervereinigung oder unabhängigen  
unterstützt, muss man im Einzelfall entscheiden
3. es ist unabhängig von der Kandidaten-/Unterstützungslage sinnvoll,  
sich mit der Kommunalpolitik intensiv im Vorfeld zu befassen, um  
qualifizierte Entscheidungen und Aussagen zur Wahl treffen zu können,  
das gilt insbesondere, wenn noch keine Kommunalvertreter der PIRATEN  
vor Ort existieren
4. für Landräte gelten diese Aussagen zu Bürgermeisterwahlen wohl  
entsprechend, jedenfalls kann ich mir nicht vorstellen, dass unser  
Kandidat für das Landratsamt Stendal in Sachsen-Anhalt über 4% kommt

Alles Gute, Stefan

P.S. eine Anmerkung zu Deinen Folien, Michael: es ist zwangsläufig,  
dass wir bei Übertritten zu uns in Kommunalgremien meist keine  
selbstgewählten Piraten dort sitzen haben, schlicht, weil wir  
deutschlandweit bislang nur in sehr wenigen davon vertreten sind - ich  
denke daher nicht, dass das kausale Relevanz hat, im Gegensatz dazu  
sind Vor-Ort-Stammtisch u.ä. natürlich wichtig, damit solche  
Übertreter Kontakt und Anschluss finden, das ist mit Sicherheit kausal  
- 2014 sollten wir deutschlandweit in vielen Kommunalvertretungen  
Piraten entsenden können, aber natürlich auch nur im Rahmen unserer  
begrenzten personellen Möglichkeiten, da können wir mit den  
Volksparteiruinen oder freien Wähler(gruppe)n natürlich zahlenmäßig  
nicht mithalten