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berlin-squad-integration - [Squad-IIP] TAZ-Interview am Donnerstag mit mir

berlin-squad-integration AT lists.piratenpartei.de

Betreff: Squad Integration, Inklusion, Partizipation (IIP)

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[Squad-IIP] TAZ-Interview am Donnerstag mit mir


Chronologisch Thread 
  • From: Fabio Reinhardt <fabio.reinhardt AT googlemail.com>
  • To: Vernetzungstreffen Integration Inklusion Partizipation <berlin-squad-integration AT lists.piratenpartei.de>
  • Subject: [Squad-IIP] TAZ-Interview am Donnerstag mit mir
  • Date: Tue, 20 Mar 2012 17:06:11 +0100
  • List-archive: <https://service.piratenpartei.de/pipermail/berlin-squad-integration>
  • List-id: "Squad Integration, Inklusion, Partizipation \(IIP\)" <berlin-squad-integration.lists.piratenpartei.de>

Hi,

für euch zur Info. Dieser Text wird voraussichtlich am Donnerstag als
Interview in der TAZ erscheinen.

Viele Grüße,
Fabio



PIRATEN Was kann Integrationspolitik von Netzpolitik lernen? Vieles,
meint Fabio Reinhardt, integrationspolitischer Sprecher der
Piraten-Fraktion. Die will zunächst den Integrationsbeauftragten
umbenennen und sein Amt stärken

Interview: Alke Wierth

Taz: Herr Reinhardt, die Piraten wollen heute im Abgeordnetenhaus
beantragen, den Integrationsbeauftragten umzubenennen. Warum denn das?

Fabio Reinhardt: Wir wollen ihn in Beauftragten für Migration und
Partizipation umbenennen, weil der Begriff Integration für uns zu
negativ behaftet ist. Denn dabei geht es vorrangig um die Fragestellung,
wer sich wem anpassen soll. Der Beauftragte soll aber Partizipation
fördern, damit möglichst alle Menschen an der Gesellschaft teilhaben
können. Deshalb fordern wir auch eine Änderung seiner
Aufgabenbeschreibung im Partizipationsgesetz, wo es derzeit noch heißt,
er solle Integrationshemmnisse abbauen. Wir meinen, dass er
Partizipationshemmnisse abbauen soll. Dafür wollen wir sein Amt auch
stärken.

Und wie genau?

Er soll künftig nicht mehr wie ein Amtsleiter eingestellt und dem
Staatssekretär der Senatsverwaltung für Integration unterstellt sein,
sondern vom Abgeordnetenhaus direkt gewählt werden. Daraus resultiert
auch, dass sein Amt künftig als oberste Landesbehörde dem
Abgeordnetenhaus untersteht und berichtspflichtig ist. Das ist jetzt
bereits schon im Falle des Datenschutzbeauftragten so.

Was würde das bringen?

Es garantiert die größtmögliche Unabhängigkeit von einzelnen
Senatsverwaltungen und deren Behörden, auf die er dann dementsprechend
besser Einfluss nehmen kann. So würde man zum Ausdruck bringen, dass
Migrations- und Partizipationspolitik in Berlin so elementar wichtig
ist, dass man sie auf oberster Stelle ansiedelt.

Wäre oberste Stelle nicht die Ansiedlung in der Staatskanzlei direkt
beim Regierenden Bürgermeister?

Ja, theoretisch könnte er auch von dort aus auf alle Ressorts Einfluss
nehmen - aber das eben unter der Exekutive des Bürgermeisters. Damit
wären seine Möglichkeiten begrenzt, Senatspolitik wirklich kritisch zu
hinterfragen. Deshalb haben wir uns gegen diese Möglichkeit entschieden.

Es überrascht, dass ein Antrag mit solch grundlegenden
Änderungsvorschlägen ausgerechnet von den Piraten kommt. Wieso
interessiert die Netzpartei das Thema Integrationspolitik?

Integrationspolitik gehört zwar nicht zu unseren Kernthemen, aber die
Auseinandersetzung damit spiegelt die Grundüberzeugung der Piratenpartei
wieder. Für uns stehen Partizipation und freie Entfaltung im
Mittelpunkt. Menschen, die mit einem Migrationshintergrund in
Deutschland leben, sind in ihrer Partizipation und Entfaltung oft
eingeschränkt. Das wollen wir ändern. Natürlich müssen wir uns da
reinarbeiten, mit verschiedenen Gruppen reden, ein Netzwerk aufbauen.
Deshalb haben wir im Januar bereits einen Kongress zum Thema
Integrationspolitik veranstaltet. Es ist aber auch ganz klar, dass wir
gerade weil wir unbefangen und neu in das Thema hineingehen, eine
Riesenchance haben, neue Ansätze hineinzutragen. Denn die Fronten und
Koalitionen sind in dem Themenbereich sehr verhärtet und eingefahren. Da
haben wir die Chance, neue Fragen zu stellen und neue Perspektiven
reinzubringen.

Und woher nehmen Sie die Ansätze und Fragen und Perspektiven?

Natürlich nicht nur aus unserer Naivität. Unsere Chance liegt auch
darin, dass wir aus einem ganz anderen Milieu kommen, eben aus dem
Internetmilieu, wo jeder erstmal hinter einem Bildschirm sitzt und nicht
schwarz oder weiß und nicht männlich oder weiblich oder jung oder alt
ist, sondern sich seine Identität frei zusammenklicken kann. Damit groß
zu werden, ist eine unglaubliche Hilfe, wenn man sich mit
Integrationspolitik beschäftigt: weil man vor diesem Hintergrund andere
Fragen stellen, andere Themen aufgreifen kann.

Was denn für Fragen zum Beispiel?

Zum Beispiel die Frage, was Integration grundsätzlich sein soll. Wir
haben uns dafür entschieden, nicht zu fragen, wer sich anpassen soll,
sondern wer ausgeschlossen wird und warum. Im Netz haben wir gelernt,
dass jeder mitmachen können muss, damit etwas ein Erfolg wird. Daraus
folgt natürlich auch die Frage, ob man etwa Menschen überhaupt so stark
in Kategorien einteilen muss, wie unsere Gesellschaft das derzeit tut.

Das Netz macht blind für Herkunft oder Religionszugehörigkeit?

Blinder.

Aber es ist doch auch ein Tummelfeld für Hass und Ressentiments. Manche
rassistischen Äußerungen im Netz übertreffen alles, was sich jemand
auszusprechen wagte.

Das Netz ist ein Abbild unserer Gesellschaft. Seine Anonymität ermutigt
zu solchen Äußerungen. Das ist der Preis für eine Plattform, auf der
jeder alles maximal frei sagen kann. Es bietet aber auch die Chance, von
solchen Ressentiments und Vorurteilen, von diesem Hass zu erfahren, dem
man in der Realität aus dem Weg geht. Dieser Hass ist jedoch für viele
Menschen, die in diesem Land und dieser Stadt leben, Teil ihres Alltags.
Das Netz macht ihn sichtbarer. Und das ist erstmal gut. Nur wenn wir den
Hass kennen, können wir mit ihm umgehen.

Integrationspolitik kann also vom Internet lernen?

Ja. Der Kernbegriff dabei ist Partizipation. Er ist das Zentrum der
ganzen Integrationspolitik und gleichzeitig ein Schlüsselbegriff, wenn
ich über das Internet rede. An der Stelle kann die Integrationspolitik
unglaublich viel vom Internet lernen. Etwa dabei, Angebote zu schaffen,
die jeder nutzen kann. Wir sind da noch ganz am Anfang, aber das geht in
eine ganz spannende Richtung.

Im Netz ist Ausschluss von Partizipation schwerer?

Nicht unbedingt, aber das Netz erleichtert es, in einen Austausch zu
treten mit Menschen überall auf der Welt, die andere kulturelle
Hintergründe haben. Es ist doch heute für viele Leute ganz
selbstverständlich, sich über soziale Netzwerke mit Menschen
auszutauschen, die aus anderen Ländern kommen. Wir haben Aktivisten, die
auf diesem Weg von hier aus in den Freiheitskampf der syrischen
Bevölkerung involviert sind. Das war vor 20 Jahren undenkbar, dass man
tagsüber arbeiten geht und sich abends mit syrischen Widerstandskämpfern
vernetzt. Dadurch haben viele Menschen hier jetzt einen ganz anderen
Hintergrund an Informationen, andere Perspektiven. Dann ist man auch
weniger empfänglich für Rassismus und Ressentiments.

Fabio Reinhardt, geb. 1980, studierter Historiker und Journalist, ist
integrations-, innen- und flüchtlingspolitischer Sprecher der Piraten im
Berliner Abgeordnetenhaus.


--
Fabio Reinhardt
Web: http://fabioreinhardt.de
Mobil: +49-1577-3833155
http://twitter.com/enigma424
Enigma424 AT jabber.ccc.de
PGP: http://wiki.piratenpartei.de/Benutzer:Enigma/PGP



  • [Squad-IIP] TAZ-Interview am Donnerstag mit mir, Fabio Reinhardt, 20.03.2012

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