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ag-umwelt - Re: [Ag-umwelt] [Energiepolitik] Thema Peak Oil & Financial Stability

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Betreff: Ag-umwelt mailing list

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Re: [Ag-umwelt] [Energiepolitik] Thema Peak Oil & Financial Stability


Chronologisch Thread 
  • From: Johannes Nix <johannes.nix AT gmx.net>
  • To: Mailingliste der AG Energiepolitk <energie_und_infrastruktur AT lists.piratenpartei.de>
  • Cc: Energiepolitik NDS <nds-ag-energiepolitik AT lists.piratenpartei.de>, Ewa Klamt <ewa.klamt AT bundestag.de>, Joachim Pfeiffer <joachim.pfeiffer AT bundestag.de>, Klaus-Peter Flosbach <klaus-peter.flosbach AT bundestag.de>, NDS AG-Bauen-Verkehr <NDS-AG-Bauen-Verkehr AT lists.piratenpartei.de>, AG Umwelt <ag-umwelt AT lists.piratenpartei.de>
  • Subject: Re: [Ag-umwelt] [Energiepolitik] Thema Peak Oil & Financial Stability
  • Date: Wed, 29 Aug 2012 23:24:51 +0200
  • List-archive: <https://service.piratenpartei.de/pipermail/ag-umwelt>
  • List-id: <ag-umwelt.lists.piratenpartei.de>

Am Wed, 29 Aug 2012 22:24:30 +0200
schrieb Gunnar Kaestle <gunnar.kaestle AT gmx.net>:

> Diese englische Redewendung musste ich auch erst mal nachschlagen: Sie
> bedeutet sowas wie "Die Wald vor lauter Bäumen nicht sehen" oder "Den
> Kopf in den Sand stecken". Das metaphorische Bild mit dem Elefant im
> Zimmer soll wohl darauf hinausgehen, dass ein sehr großes,
> unübersehbares Problem an sich sichtbar sein sollte, aber von vielen
> Personen im Raum dieses Faktum (bewusst oder unbewusst) ausgeblendet
> wird, um sich nicht damit beschäftigen zu müssen.

Es bedeutet vor allem ein Thema, das tabuisiert wird, das eigentlich
ein offensichtliches Problem darstellt, das aber vermieden wird
anzusprechen.

Siehe auch: Nate Hagens - Navigating through a Room full of Elephants

http://www.youtube.com/watch?v=n4x_CUumdKs

- wo es ganau um die von Gunnar angesprochenen Zusammenhänge geht.

> Das sehe ich genauso. Wenn man sich mit dem Thema Peak Oil etwas näher
> beschäftigt und die Wirkzusammenhänge begreift, die sich im Worst Case
> zu so etwas wie einem Mad-Max-Szenario (gesellschaftlicher Kollaps =
> Komplexitätsverlust) entwicken können, oder auch nur zu einer
> Brasilianisierung ala Soylent Green (= Aufspaltung des sozialen
> Gefüges) führen,

Beides ist so abwegig nicht. Wenn einerseits Großunternehmen
wie General Motors oder Karstadt insolvent gehen und andererseits
Rentner in Mülltonne nach Pfandgut suchen, sind wir definitiv
in einer anderen Epoche als in der Bundesrepublik von Ludwig Erhard
oder Norbert Blüm.

> dann versinkt der eine oder andere erstmal in einer
> Doomsday Depression, auch wenn ich die Olduvai-Theorie ("zurück zur
> Steinzeit" aufgrund der zurückgehenden Metabolisierungsrate von
> verfügbarerer Nutzenergie für zu starken Tobak halte.
> http://www.peak-oil-forum.de/ganzenachricht.php?shownachricht=220

Hierzu meinte kürzlich ein Kollege von mir, dass es ja schon
schlimm sei wenn jemand wie ich ökonomisch argumentiere. Ein paar
Milliarden virtuelles Geld hier und eine Inventmentbank da,
so meinte er, sei eigentlich für die Menschheit belanglos. Als
viel schwerwiegender sieht er die langfristigen Aussichten:
Eine Menschheit ohne die Energievorräte, die es ermöglicht haben,
dass sieben Millarden Menschen sich zumindest halbwegs ernähren
und ihre Bedürfnisse decken können.

Ich selbst denke in den Zusammenhang immer wieder an die Ereignisse in
Irland ab 1845. Die Bevölkerung Irlands hat sich sehr stark
von einer neuen Ressource, der Kartoffelpflanze, abhängig
gemacht, die erstmals eine ausreichende Ernährung ermöglichte.
Im 17. und 18. Jahrhundert wuchs die Bevölkerung in der Folge stark.
Bis ein Schimmelpilz nahezu die gesamte Ernte vernichtete
- eine Millionen Iren verhungerten. Diese Ereignisse sind
nicht getrennt zu sehen von unterdrückerischen und gewaltsamen
Machtstrukturen der Zeit. Der Wikipedia-Artikel zur "Great Famine"
beschreibt eindrücklich die ideologische Verblendung dieser Zeit,
die dazu führte dass die englische Politik Hilfe für die Verhungernden
verbot. Aber ein anderer Aspekt ist eben, dass es für die meisten
Menschen schwer vorstellbar ist, dass die Ressourcen von
denen ihr Leben abhängt nicht unter ihrer Gewalt sind.

>
> Nichts desto weniger muss in die Hände gespuckt werden, um zum einen
> unser Energiesystem mittel- bis langfristig auf erneuerbare Energien
> mit stabilen und akzeptablen Erntefaktor umgestellt werden und kurz-
> bis langfristig sind für den Transportsektor Alternativen zu finden.
> [ ... ]

Ich denke, dass dieses in-die-Hände-spucken eines der besten
Mittel gegen die beschriebene und gar nicht seltene Depression
ist. Man kann wohl sagen, dass die psychologischen und auch die
kollektiv-psychologischen Wirkungen dieser Entwicklungen nicht
zu unterschätzen sind. Was natürlich nicht davon entbindet,
kollektive Intelligenz zu entwickeln.

> Kurzfristig muss aber auch die Robustheit im Finanzsektor erhöht
> werden, damit dieser nicht bei Nullwachstum die Liquidität des
> Gesamtsystems durch eine depressive Deflation minimiert und ein
> Stillstand wie zu Zeiten der Großen Depression eintrifft. Siehe
> beispielsweise: Jeff Rubin on Oil and the End of Globalization
> http://www.youtube.com/watch?v=QhsMr49AKM8

Wenngleich ich komplexen Modellen dynamischer Systeme etwas
reserviert gegenüber stehe, teile ich diese Sorgen. Dass
eine Abwärtspirale nicht nur denkbar ist, sondern sehr wohl
im Bereich des Möglichen, zeigen Entwicklungen wie die
Depression der dreißiger Jahre, die Entwicklung un Griechenland
oder die schrumpfenden Städte (Shrinking Cities) wie Manchester,
Liverpool und Detroit. Sie markieren das Ende der fossilen
Bonanza.

Was mir aber auch Kopfzerbrechen macht, sind die Auswirkungen
einer Verteuerung von Treibstoffen auf die Automobilindustrie,
einer der wichtigsten Industriezweige in Deutschland. Sobald
der Preis für Benzin eine bestimmte Schwelle überschreitet und
klar wird, dass diese Entwicklung wahrscheinlich dauerhaft ist,
wird die Nachfrage nach Neuwagen drastisch zurück gehen. Gleichzeitig
werden viele Leute ihr gebrauchtes Auto verkaufen, dass heißt
die Preise für Gebrauchtwagen werden abstürzen. In so einem
Umfeld können höchstens noch die Premium-Hersteller überleben.
Und die beschriebene Entwicklung haben wir auch schon 2008/2009
gesehen - es spricht viel dafür, dass sie sich zukünftig fortsetzt.


Johannes






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