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Re: [Ag-umwelt] [Energiepolitik] Erdgas als Kraftstoff - Steuerermäßigung verlängern
Chronologisch Thread
- From: Gunnar Kaestle <gunnar.kaestle AT gmx.net>
- To: AG Energiepolitik <energie_und_infrastruktur AT lists.piratenpartei.de>, AG Umwelt <ag-umwelt AT lists.piratenpartei.de>
- Subject: Re: [Ag-umwelt] [Energiepolitik] Erdgas als Kraftstoff - Steuerermäßigung verlängern
- Date: Wed, 15 Aug 2012 02:37:25 +0200
- List-archive: <https://service.piratenpartei.de/pipermail/ag-umwelt>
- List-id: <ag-umwelt.lists.piratenpartei.de>
AKHIGBE.A AT t-online.de schrieb:
Es gibt noch keine Bohrung. Die RAG hat den Antrag auf Genehmigung vor
der Petition zurückgezogen, dadurch ist die Petition ins Leere gelaufen.
*Es gäbe sicher vernünftige Lösungen für alles.*
Ich hab überhaupt kein Problem damit, die Shale-Gas Geschichten ein paar Jahre ruhen zulassen. Zum einen damit die Gegner die eigenen Argumente sortieren: viele sind in meinen Augen schlicht haltlos. Zum anderen damit die Befürworter nun auch sich nachhaltig positionieren können um stichhaltig zu erläutern, warum diese und jene Argumente haltlos, aber ein paar andere durchaus stichhaltig sind.
Der Punkt mit der Offenlegung um die Zusammensetzung der Frack-Flüssigkeit ist m.E. äußerst unterstützendwert und auch die Diskussion darum, wieso, weshalb, warum, gerade jener Stoff genommen wird und welche Alternativen den selben Zweck erfüllen.
Desweiteren wäre auch zu beobachten, wie die bislang etwas hemdsärmelig vorgehende Industrie in den USA auf die bisher vorgefallenen Zwischenfälle reagiert, und wie gut die regulatorischen Gegenmaßnahmen fruchten, damit sich das nicht wiederholt. In Summe darf man nicht vergessen, dass in DE die Schiefergasförderung eine neue Aktivität ist, dass aber das Fracken an sich seit 3-4 Dekaden geübte Praxis bei Tight-Gas-Vorkommen ist, d.h. relativ undurchlässigen Sandstein als Lagerstätte, den man zur Erhöhung der Förderrate gefrackt hat.
"In den USA findet die Gewinnung unkonventioneller Gasvorkommen seit einigen Jahren bereits statt. Verschiedene Berichte weisen auf erhebliche Beeinträchtigungen der Grundwasservorkommen hin, die amerikanische Umweltbehör-de (Environmental Protection Agency – EPA) hat hierzu Untersuchungen aufgenommen. Eine direkte Übertragung der amerikanischen auf deutsche Gegebenheiten ist aufgrund unterschiedlicher gesetzlicher Regelungen, ungleicher geo-grafischer (z.B. Besiedlungsdichte) und geologischer Verhältnisse nur bedingt möglich. Dessen ungeachtet sollten die in den USA erlangten Erkenntnisse bei der Schiefergasgewinnung in eine kritische Überprüfung der Explorationsver-fahren in Deutschland fließen." (S. 24)
http://www.umweltbundesamt.de/chemikalien/publikationen/stellungnahme_fracking.pdf
Gruß,
Gunnar
*PG Andrea* Gunnar Kaestle <gunnar.kaestle AT gmx.net>
*An:* AG Energiepolitik <energie_und_infrastruktur AT lists.piratenpartei.de>
*Cc:* Ludwig Hartmann <ludwig.hartmann AT gruene-fraktion-bayern.de>
*Betreff:* Re: [Energiepolitik] Erdgas als Kraftstoff - Steuerermäßigung
verlängern
*Datum:* Fri, 10 Aug 2012 13:35:36 +0200
Von:
AKHIGBE.A AT t-online.de <javascript:void(0)> schrieb:
> wenn sich Dr. Marcel Huber mit: Kein Fracking in Bayern - durchsetzt und
> daraus ein -kein Fracking in Deutschland- wird, dann: +1
Wenn Du gegen Fracking kämpfst um den vermeitlichen Untergang des
Bayrischen Abendlandes insbesondere der Eggstätter-Hemhofer Seenplatte
zu verhindern, ist das Dein gutes Recht. Ich kann aber nach wie vor
nicht verstehen, was das mit der Strategie Weg vom Öl zu tun hat.
Shale Gas wird in Deutschland nach meinem Kenntnisstand noch weitaus
seltener gefördert als zum Beispiel Biomethan. Gibt es überhaupt schon
eine Produktivbohrung?
Die 100 Mio Tonnen Mineralöl pro Jahr liegen mir weit aus schwerer im
Magen, nicht nur weil sie eine Menge kosten (112 USD/bbl sind ungefähr
700 Euro/t), sondern auch weil ein Rückgang des Energieumsatzes in
Verkehrssektor auch mit einem Rückgang der Transportleistung einhergeht.
Jetzt kann man sich natürlich fragen, ob es Sinn macht, einen Joghurt
drei mal quer durch Europa zu fahren, bevor er verzehrt wird. Bei vielen
Waren und Gütern ist man in unserer arbeitsteiligen Gesellschaft
allerdings auf ein reibungslosen Austausch angewiesen.
-> "useful work does drive GDP growth."
Der Energieumsatz bei der nützlichen Arbeit steigert das BIP, d.h. wenn
wir eine exogen vorgegebene Beschränkung erleben, geht es bergab.
Noch haben wir nicht gelernt mit einer statischen Wirtschaftstruktur
umzugehen, geschweige denn mit einer Schrumpfung. Daher halte ich es
angebracht, die Initiativen zu verstärken, die Folgen des zuerwartenden
Declines in der Erdölförderung besser zu verkraften. Langfristig wäre
natürlich das Ziel einer solaren Mobilität wünschenswert, aber als kurz-
bis mittelfristige Übergangslösung ist des Erdgasauto schlicht und
ergreifend greifbarer. Das nutzt übrigends auch der Tourismusbranche in
Bayern: Ohne Auto kommen weniger Touristen, ganz zu schweigen, dass in
den Dreißiger Jahren zu Zeiten der Großen Depression auch der Tourismus
eine Schwächephase hatte, weil sich viele den Jahresurlaub nicht mehr
leisten konnten.
Gruß,
Gunnar
> Moritz Richter schrieb:
>
> >>> Übergangslösung ja, aber man darf auch ab zu zu gern mal den Markt
> >>> entscheiden lassen.
> >>
> >> Das grenzenlose Vertrauen in "den Markt" erinnert mich zuweilen an
> >> religiöse Verehrung.
> >
> > Darum ging's mir hier aber auch gar nicht. Sondern darum, dass
> > irgendwann auch mal genug Gott gespielt und geregelt ist. Man muss
> > als Politiker eingreifen, wenn der Markt nicht funktioniert; das
> > Marktversagen beseitigen, indem man Informationsbarrieren abbaut und
> > die externen Kosten möglichst internalisiert, aber dann auch mal den
> > Markt einfach machen lassen, weil "er" oft einfach besser weiß als
> > der Politiker, was gut ist und was sich rechnet und was nicht! Und
> > wenn sich dann Erdölgasautos über einen langen Zeitraum rechnen, dann
> > gut und wenn nicht, dann auch gut.
>
> Ich glaube es wurde hier schon mehrmals angesprochen, dass bei einer
> technologischen Umstellung eine Umstellzeit gebraucht wird. Das hat
> unter anderen mit technischen / wirtschaftlichen Nutzungsdauern
> bestehender Kapitalgüter zu tun. Die schmeisst man nicht weg, weil sie
> noch zu etwas nutze sind (wenn auch nicht mehr ganz optimal) und weil
> die Fixkosten oft als Sunk Costs abzuschreiben sind, an denen man
> sowieso nichts mehr ändern kann.
>
> Ein Unternehmen steht in einer gewissen Zwickmühle: Die halbwegs
> cleveren Steuermänner können auch bis drei zählen und antizipieren, dass
> gewisse Umstellungen irgendwann notwendig sind. Allerdings lebt es sich
> auch als CFO nicht ganz so einfach, und man muss schauen, dass genügend
> Liquidität da ist, um nicht kurzfristig Pleite zu gehen beim Kreuzen
> gegen den Wind. Wenn der Markt also dreht, dann kann man mit dem
> Verfolgerfeld eine Wende einleiten, auch wenn man ggf. schon einer
> Sandbank oder einem Riff gefährlich nahe gekommen ist.
>
> Damit die ganze Armada nicht in absehbare Untiefen getrieben wird, muss
> man die Rahmenbedingungen so setzen, dass die ggf. nur schwer zu
> manövrirenden Schiffe ganz gemütlich ihr Wendemanöver rechtzeitig
> hinbekommen. Den Unternehmen muss man somit schon vor dem Point of no
> Return die Möglichkeit geben, keine Fehlentscheidung zu treffen, die
> kurzfristig ins Aus führen. Das schafft man z.B. durch solche
> Rahmenbedingungen, wie sie u.A. das EEG oder das KWKG bietet.
>
> Dies mag in abgemildeter Form für die Erdgastechnik im Auto gelten, aber
> in jedem Fall für die E-Kfz. Wenn man wartet, bis sich die
> Rahmenbedingungen für Elektroautos marktgerecht zeigen (die Kunden
> kaufen es, weil's einen ökonomischen Vorteil bietet), dann ist das Kind
> schon in den Brunnen gefallen. Zu dem Zeitpunkt brauchen wir nicht die
> ersten Verkaufsprospekte, sondern einen bereits erfolgreich erfolgten
> Ramp-Up der Produktionskapazitäten, um angesichts des Ausmaßes der
> Herausforderung gewappnet zu sein, jedes Jahr 5% der rollenden Flotte
> umzustellen. Bei 3 Mio Neufahrzeugen und 50 Mio im Bestand ist das keine
> einfache Aufgabe. Wenn gesagt wird, oh, jetzt wünsch ich mir, ich wär
> die Spritfresser los, dann dauert es nach Adam Rise im optimalen Fall
> 50/3=16,6 Jahre, wenn ab dann nur noch mineralölfreie Autos gekauft
> werden.
>
> Daher sollte man, wenn ein solches Ereignis wie Peak Oil und
> insbesondere der folgende Decline an zwei Fingern abzuzählen ist, schon
> jetzt den entsprechenden Trägheitsmomenten wie Autokäufern aber auch
> -herstellern einen Anreiz geben, damit sie einzelwirtschaftlich richtige
> Entscheidungen treffen. Also soll sich das Erdgasauto für den
> Neuwagenkäufer lohnen, und auch trotz der teuren Batterie für ein
> gewisses Klientel schon jetzt ein Batterieauto. Gleichermaßen soll es
> sich für die herstellende Zunft die Produktentwicklung und vor allem der
> millardenschwere Aufbau der Produktionskapazitäten lohnen. Wenn es
> geliegt, diesen Prozess um 3-4 Jahre zu beschleunigen, ist dies
> eventuell der wertvolle Unterschied zwischen 15-20 Jahren saure Gurken
> Zeit (nach dem Hirsch Report) oder einer wirtschaftlichen Flaute, die
> nach einer knappen Dekade in den nächsten Kondratjew-Zyklus startet.
>
> Gruß,
> Gunnar
>
>
> PS. Die Grünen scheinen die einzigen zu sein, die aufgewacht sind und
> die ökonomische Dimension von Peak Oil ernst nehmen:
> Mit ambitionierten Verbrauchsgrenzwerten die Ölabhängigkeit verringern
> http://dip21.bundestag.de/dip21/btd/17/101/1710108.pdf
> http://dip21.bundestag.de/dip21/btp/17/17187.pdf S. 22505ff
>
> PPS. Eine Vorlesung zum Thema Energie als essentieller Produktionfaktor
> "Statistical causality analysis confirms that GDP growth does not drive
> energy or useful work consumption, but useful work does drive GDP
> growth." Robert Ayres: Energy and Economic Growth
> http://player.vimeo.com/video/30442057
--
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- Re: [Ag-umwelt] [Energiepolitik] Erdgas als Kraftstoff - Steuerermäßigung verlängern, Gunnar Kaestle, 15.08.2012
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