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Betreff: Ag-umwelt mailing list
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- From: "Dr. Volker Jaenisch" <volker.jaenisch AT inqbus.de>
- To: ag-umwelt AT lists.piratenpartei.de
- Subject: Re: [Ag-umwelt] Globale Erwärmung? Diagram..
- Date: Mon, 01 Aug 2011 21:38:11 +0200
- List-archive: <https://service.piratenpartei.de/pipermail/ag-umwelt>
- List-id: <ag-umwelt.lists.piratenpartei.de>
On 01/08/11 16:22, Ulrich Bär wrote:
> 2011/8/1 Dr. Volker Jaenisch <volker.jaenisch AT inqbus.de>:
>
>> Was bedeutet "Poly." in Deinem Diagram?
>> Polynominal Fit würde ich denken. Welche Grad von Polynom hast Du zum
>> fitten verwendet?
>>
> Grad 4 (beide Monatsreihen) (sofern die Angabe in excel stimmt)
>
Wenn Du ein Polynom 4. Grades durch eine Punktwolke legst wirst Du immer
einen atrifiziellen
Trend an den Intervallgrenzen erzeugen. Ein Polynom 4.Grades geht nun
mal für großen Betrag von X -> +/- unendlich.
Also bekommst Du an den Rändern immer einen Anstieg oder einen Abfall.
In Deinem Fall hat das Polynom dazu geführt, dass es zufällig an beidne
Enden einen Anstieg gibt.
Hättest Du ein Polynom genommen mit ungeradem Grad, hättest Du an einem
Intervalende einen Abfall und am anderen
Ende einen Anstieg bekommen - unabhängig von den Daten, die Du
reingesteckt hast.
Probier das ruhig mal mit Excel aus - sehr lehrreich. Mein Papa hat mir
als ich das gleiche wie Du als Student machte die Ohren verbal langgezogen.
Ich gebe das mal Sinngemäß als einen Platonischen Dialog wieder:
Volker: *präsentiert stolz seine Meßergebnisse* "Platon schau was ich
herausgefunden habe!"
Platon: "Welchen Grad von Polynom hast Du für den Fit verwendet?"
Volker: "Ich habe den Grad vier verwendet"
Platon: "Hattest Du die Wahl zwischen mehreren Graden?"
Volker: *erstaunt* "Ja,..?"
Platon: "Warum hast Du dann kein Polynom vom Grad 100 genommen?"
Volker: *ratlos* "Weil, äh, ..., weiss nicht"
Platon: "Ein Polynom vom Grad 100 kann sich doch viel besser jeder
Kurvenform anpassen, weil es viel mehr Buckel haben kann als ein Polynom
vom Grad 4, oder"
Volker: *erregt* Aber dann müsste ich mit einem Polynom unendlichem
Grades den besten Fit erreichen!"
Platon: "Ja, dann erreichst Du einen Kurve, die durch jeden Deiner
Meßwerte läuft"
Volker: *noch erregter* "Aber das will ich doch gar nicht! Ich will eine
Ausgleichskurve, welche durch die Mitte der Punktwolke geht!"
Platon: "Dann solltest Du eine Gerade, also ein Polynom 1. Grades wählen"
Volker: *panisch* "Aber die Kurve sieht ganz anders aus als eine Gerade.
Eine Gerade passt dort nicht. Das Polynom 4. Grades sah am besten aus"
Platon: "Entscheidest also Du, wie die Kurve auszusehen hat, oder
entscheiden die Datenpunkte, welcher Kurvenform sie gehorchen?"
Volker: *zerknrischt*: "Eigentlich sollten die Datenpunkte dies
entscheiden und nicht ich."
Platon: "Eine Gerade ist es nicht, eine Polynom unendlichen Gerades ist
zwar die beste Interpolation bietet jedoch keine Abstraktion. Ein
Polynom mit einem anderen Grad wäre eine
willkürliche beeinflussung der Kurvenform, was könntest Du also
noch machen?"
Volker: *erleuchtet* : "Kein Polynom nehmen!"
Platon: "Wäre eine andere Funktion (wie z.B. eine Exponentialfunktion)
für den Fit nicht ebenfalls eine willkürliche Setzung?"
Volker: *noch erleuchteter* "Gar keinen Fit machen ist die Lösung! Oder
nur dann einen Fit machen, wenn ich die Kurvenform aus einem
allgemeingültigen Prinzip ableiten kann!"
Platon: "Aber wie willst Du dann die Kurvenform abstrahieren?"
Volker: *kurz vor dem Nirvana* "Ich bilde ein gleitendes Mittel!"
Platon: "Aber wieviele Meßpunkte lang soll dein Mittelungsinterval sein?
Ist dies nicht wieder eine willkürliche Setzung, die die Daten manipuliert?"
Volker: *am Boden zerstört* "Mh Mh" *schnief*
Platon: "Laß den Kopf nicht hängen. Es gibt sicher eine gute Lösung.
Vielleicht solltest Du zunächst versuchen die Natur Deiner Meßdaten zu
verstehen. Evtl. bringt Dich dies der Lösung etwas näher."
Volker: *resigniert* "Aber das dauert doch ewig!"
Platon: "Willst Du nun die Natur ergründen oder Zahlen vergewaltigen?"
Volker: *leicht optimistisch* "Ich will die Natur ergründen!"
Platon: "Dann gehe hinaus in die Natur und lerne sie zu verstehen!
WennDu die NAtur verstanden hast, kehre zurück und versuche Dich erneut
an der Mathematik"
>> On 01/08/11 14:22, Ulrich Bär wrote:
>>
>> """
>> (Fehlende Meßwerte (2) wurden als Mittelwert der
>> Benachbarten ersetzt)
>>
>> Richtiger ist hier den Monatsmittelwert des Monats im Vorjahr (oder als
>> gleitendes Mittel der Vorjahre/Nachjahre) zu verwenden.
>> Noch besser ist den Wert wegzulassen und eine Datenauswerte-Software zu
>> verwenden, welche mit Missing Values rechnen kann.
>>
> Vollkommen richtig.
>
> Jun Jul Aug
> 1865 14.9 21.8 17.7
> 1866 19.7 -99.0 17.0
> 1867 16.9 17.1 18.8
>
> Da es nur 1 Wert war von 255 (der 2. ist der von 2011 den ich garnicht
> im Graph für Juli hab), und auch noch vor Zwei Jahrhunderten liegt und
> dieser im Graph nichtmal wirklich sichtbar ist. (wäre er natürlich
> wenn es in dem Monat 25°C oder 15°C waren)
> Ging es mir nur drum das es nicht einen riesen Peak gibt der die
> Scalierung durcheinander bringt.
> der Wert. eigentlich 18,35 wurde von mir mit 18 angegeben, besser
> wäre 19,45 womit er ziemlich genau auf der poly linie liegen würde.
>
> Zugegeben Wissenschaftlich nicht sauber, allerdings ist der Fehler
> IMHO zu verschmerzen, und verändert das gesamt Ergebniss nur minimal.
>
Oftmals ist man auch als Wissenschaftler gezwungen die bestmögliche
Schätzung zu nehmen, auch wenn diese nur eine geringe Wahrscheinlichkeit
aufweist.
Wie Du dem obigen Dialog entnehmen kannst ist es wichtig, die Natur der
Daten zu verstehen. Der Natur der Daten liegen physikalische
Phänomene zugrunde, welche eine charakteristische Kurvenform haben. Z.B.
der Sonnefleckenzyklus, El Nino und andere Oszillationen. Sind diese
Kurven bekannt so kann man diese aus den Meßdaten rausrechnen und
vereinfacht so das Problem einen ggf. vorhandenen Trend zu erkennen.
Bevor man allerdings damit beginnen kann muss man die Meßwerte einer
Validierung unterwerfen. Dazu nimmt man sich zunächst die
Stationsprotokolle und schaut ob und wann Fehler an den Meßgeräten
vermerkt wurden, oder gar Meßgeräte ausgetauscht wurden. Da es recht
wahrscheinlich ist, dass ein Fehler erst nach einiger Zeit bemerkt wird
sollte man auch die Meßwerte vor und ggf. nach dem Fehler mit gewisser
Skepsis betrachten. Diese Skepsis kann man formalisieren indem man
Gewichtungsfaktoren definiert welche diese "faulen" Datenpunkte weniger
stark einbeziehen.
Dann sollte man sich unbedingt die Daten der umliegendne Stationen
anschauen. Wenn z.B. an der aktuellen Meßstation ein ungewöhnlich hoher
oder niedriger Wert auftritt, dieser aber nicht in den umliegendne
Stationen verzeichnet wird ist etwas faul. All diese Analysen,
Plausibilitätsüberprüfungen, Filterungen, Validierungen,
Sensitivitäts-Analysen machen solche Organisationene wie die
Wetterdienste, bevor sie die Daten beginnen zu interpretieren. In den so
entstehenden Datensätzen z.B. der Univ. of East Anglia stecken also
Hunderte von Mannjahren wissenschaftlicher Forschung, welche alle
zusammen zu einem immer besseren Verständnis der Natur geführt haben.
Wie ich Platon schon in den Mund legte: Es gibt in diesem Prozess keine
Abküzung zum Erfolg. Trotzdem versuchen die sogenannten Klimaskeptiker
und andere wissenschaftsfeindliche Fundamentalisten immer wieder den
Menschen zu suggerieren es gäbe einen solchen und vor allem SIE wären im
Besitz dieser Wahrheit:
* Ist doch einfach alles ganz Natürlich!
* Es sind einfach die Sonnenzyklen!
* Es sind doch einfach nur die Wechsel von Kalt und Warmzeiten!
* Es ist einfach nur der El Nino!
* Es sind doch einfach nur kosmische Elementarteilchen, welche die
Atmosphäre erhitzen!
Leider ist es nciht so einfach. Es ist so komplex, dass wir
Wissenschaftler es evtl. nie bis ins letzte verstehen werden. Es wird
immer eine Rest-Unsicherheit verbleiben.
Was aber tröstlich ist - die Unsicherheiten werden gerade in den letzten
20 Jahren kontinuierlich kleiner.
Wer sich aber den "einfachen" interpretationen verschreibt und Rohdaten
hernimmt und drauf losrechnet bekommt in der Regel Dinge heraus die
wenig mit der Natur zu tun haben, sondern eher mit Anomalien im
Meßbetrieb. Ein solches Beispiel haaten wir in dieser Liste als ein
Oceanograph Satelliten-Rohdaten anfing zu interpretieren und damit auf
dem Bauch landete.
@Ulrich: Nimm dies bitte nicht als Schmähkritik! Ich war sehr erfreut,
dass Du diesen Post gemacht hast. Es ist wichtig, dass mehr Menschen
sich mit der Umwelt auseinandersetzen. Erst in dieser Auseinandersetzung
kann man Irrwege gehen und lernen es besser zu machen. Du könnstest ja
mal ein gleitendes Mittel von 30 Jahren nehmen.
Das sollte kein Interferenz mit El-Nino, Sonnenflecken und ähnlichen
Oszillationen hervorrufen und entspricht z.B. dem Mittelungeintervall
der Klimatologie.
Beste Grüße
Volker
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