ag-umwelt AT lists.piratenpartei.de
Betreff: Ag-umwelt mailing list
Listenarchiv
- From: René Heinig <hren AT hrz.tu-chemnitz.de>
- To: ag-umwelt AT lists.piratenpartei.de
- Cc: Andreas Pittrich <andreas.pittrich AT web.de>
- Subject: [Ag-umwelt] Fwd: Piratenwiki-E-Mail
- Date: Tue, 18 Jan 2011 13:32:07 +0100
- List-archive: <https://service.piratenpartei.de/pipermail/ag-umwelt>
- List-id: <ag-umwelt.lists.piratenpartei.de>
Ich leite mal folgende E-Mail weiter und cc an den Andreas, der mich angeschrieben hat, auch meine Antwort darauf.
Vorab noch der Hinweis an alle Klimawandelskeptiker, also vor allem Kai ;-). Bitte keine neue Diskussion darüber, ob es einen anthropogenen Klimawandel gibt, und wenn dann bitte in einem anderen thread und dann auch bitte nur mit neuen Argumenten. Ansonsten bei der Diskussion einfach mal von dem Szenario ausgehen, dass es ihn gibt und was man dann wirklich sinnvoll tun müsste und was nicht.
-------- Original-Nachricht --------
Betreff: Piratenwiki-E-Mail
Datum: Sat, 15 Jan 2011 01:19:56 +0000
Von: RhoTP <andreas.pittrich AT web.de>
An: hren AT hrz.tu-chemnitz.de
Moin LordSnow,
ich habe vor die Tage folgende Umwelt-Initiave ins Bundesliquid zu stellen:
http://piratenpad.de/Mikro-Zertifikate
Ich habe hier einen Philosophieprofessor von der Humboldtuniversität zu
Berlin gewonnen, der sich gerne einmal von außen in die
Meinungsbildungsprozesse der Piraten einklinken möchte.
Das heißt die Initative ist von einem Nicht-Piraten, der mitmachen will.
Freut mich total.
Ich schicke euch die Initiative vorab, damit ihr euch schonmal Gedanken
machen könnt, wie ihr darauf reagiert. Was ihr inhaltlich damit macht, ist
mir dabei nicht so wichtig. Der Vorschlag hat ein paar tolle Ideen, über die
man lange diskutieren kann, aber auch einige Punkte, wo man widersprechen
kann und möglicherweise ist das auch nicht Piratekompatibel. Auf der anderen
Seite läßt sich aber vielleicht aus dieser Idee eine neue Piratenidee
entwickeln.
Auf jeden Fall ist das eine großartige Gelegenheit zu zeigen, wie Piraten mit
neuen Ideen umgehen, die an Sie herangetragen werden. Oder wie Piraten mit
Leuten umgehen, die Vorschläge machen und sich einbringen wollen.
Schick diese mail gerne an den Rest der AG-Umwelt weiter oder an Piraten, die
sich dafür interessieren.
Ciao
Andreas
--
Diese E-Mail wurde von Piratenwiki-Benutzer „RhoTP“ an „LordSnow“ gesendet.
Ende der Weiterleitung
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Meine eigene Einschätzung dazu:
1. Jedem Menschen der Welt kommt exakt dasselbe Recht zu, CO2 zu emittieren, wie jedem anderen.
Ich sehe nicht, wie man das sinnvoll nachprüfen will. Was ist mit Leuten die im Sommer draußen Lagerfeuer machen oder im Winter den Kamin anwerfen oder Dinge im Ausland kaufen (Import/Export). Ich denke eine solche Herangehensweise schafft im Handumdrehen neue Kontroll- und Überwachungsstrukturen, letztendlich sogar eine Form des gläsernen Bürgers. Die Grundidee finde ich zwar prinzipiell gut, aber die Umsetzung ist meiner Ansicht nach nicht ohne negative Folgen machbar. Letztendlich verschiebt man wahrscheinlich auch einfach nur den Zertifikatehandel von den Unternehmens- auf den Privatbereich. Eine Alternative Herangehensweise, was ich mir als sinnvoll vorstelle, dann weiter unten.
2. Dieser Grundsatz gilt ab sofort (nicht etwa ab irgendeinem fernen Konvergenz-Zeitpunkt; die von Angela Merkel anvisierte weltweite Klimagerechtigkeit ab 2050 wäre zu spät).
3. In einem ersten Schritt soll sichergestellt werden, dass die weltweiten CO2-Emissionen sieben Jahre lang nicht mehr steigen. (Nach sieben Jahren sollen die Emissionen Jahr für Jahr sinken, siehe Punkt 9).
4. Um den augenblicklichen Anstieg der Emissionen anzuhalten, werden (in Form sogenannter Mikrozertifikate) genau so viele CO2-Rechte ausgegeben, wie die Menschheit zur Zeit in Anspruch nimmt. Diese Rechte werden täglich auf /einer/weltweiten Börse versteigert. Einmal pro Jahr werden die Erlöse der CO2-Auktion – ohne irgendwelche Abzüge – anteilig an jeden einzelnen Menschen zurückverteilt. Jedermann bekommt exakt gleich viel.
Ich finde es schon nicht gut, wenn mit Lebensmitteln spekuliert/gewettet wird, ich würde es erst Recht nicht gut finden, wenn wir das Spielkasino noch auf weitere wichtige Lebensbereiche ausdehnen.
5. Dazu wird für jeden Menschen ein Konto eingerichtet, dessen Guthaben einmal pro Jahr um den anteiligen Auktionserlös erhöht wird. Zum Geldabheben identifizieren sich Konto-Inhaber nur mit Fingerabdruck. In die entlegenen Gebiete der Welt wird das Geld mithilfe von gut bewachten Geldtransportern gebracht.
Einen Kommentar zum Fingerabdruck spar ich mir :-), ich denke über die Missbrauchsgefahren dürften bei uns die meisten Bescheid wissen, ansonsten mal auf den Seiten des ccc nachschlagen. Welchen Sinn es hat Geldtransporter rum zu schicken, wo ca. 90% des Geldes nur noch in elektronischer Form existieren erschließt sich mir nicht, vor allem wenn man bedenkt, dass wir keine weltweite Einheitswährung haben und gerade in vielen ärmeren Ländern galoppierende Inflation an der Tagesordnung ist, genauso wie der Zugang zu Dingen, selbst Lebensgrundlagen, nicht nur am Geld scheitert.
6. Aufs Konto von Kohle, Öl und Gas gehen ca. 75% der CO2-Emissionen. Daher lässt sich der Löwenanteil der Emissionen besonders leicht stromaufwärts erfassen: Wer fossile Brennstoffe erwirbt, muss im selben Atemzug die entsprechende Menge an CO2-Mikrozertifikaten dazukaufen, sonst macht er sich strafbar. Wofür er sein CO2 in die Luft bläst, ist gleichgültig: Für Autofahrer gilt exakt dieselbe Regel wie für Fluggesellschaften, Stromhersteller, produzierende Industrie, Heizungsbetreiber usw. (Andere Klima-Emissionen wie z.B. bei Landwirtschaft werden auf analoge Weise in den Handel einbezogen).
Sehe da jetzt keinen Unterschied zu dem derzeitigen Zertifikatehandel, oder gibt's da einen?
7. Wegen Punkt 6 steigen die jährlichen Lebenshaltungskosten eines Durchschnittsdeutschen um ca. 200 €; wer dagegen ökologisch so sparsam wirtschaftet wie der Durchschnittsinder, verliert nur ca. 20 € pro Jahr.
8. Wegen Punkt 4 bekommt jeder Mensch ca. 80 € aus den Auktionserlösen zurück. Netto kostet der Vorschlag den Durchschnittsdeutschen also ca. 120 € pro Jahr, während der Nettoerlös des Durchschnittsinders bei ca. 100 € liegt. Das ist ein faires Umverteilungsprogramm, das Umweltsünder finanziell bestraft und die Ärmsten der Welt für ihren geringen Verbrauch der Atmosphäre kompensiert. (Die Summen aus Punkt 7 und 8 sind grobe Schätzungen für die ersten Jahre; wie sich die Zahlen im Lauf der Zeit ändern werden, kann man nicht seriös prognostizieren – so wenig wie den Ölpreis der Zuklunft).
Ich bin ja schon lange für einen globalen Länderfinanzausgleich. Ich würde das nur nicht mit dieser Thematik verbinden. Letztendlich scheitern jedoch viele Dinge daran, dass Finanz- und andere Hilfsmittel die eigtl. Empfänger nicht erreichen, vor allem in instabilen Regionen.
9. Nach sieben Jahren wird die Menge der zu versteigernden Mikro-Zertifikate jährlich um 10% verringert, und zwar so lange, bis sich der CO2-Anteil in der Atmosphäre auf einem laut Klimaforschung erträglichen Maß stabilisiert hat.
10. Das anvisierte System lohnt sich für alle Staaten, deren Bürger pro Kopf unterdurchschnittlich viel CO2 emittieren. Mit diesen Staaten sollte die EU als erste einen Vertrag abschließen. Doch das System funktioniert nur, wenn sich daran die Länder mit den größten Pro-Kopf-Emissionen beteiligen. Trittbrettfahrende Länder werden mit einem CO2-Handelskrieg bedroht: Auf all ihre Exporte werden soviele CO2-Zölle gelegt, wie die Wirtschaft des fraglichen Landes eigentlich auf der CO2-Auktion ersteigern müsste.
11. Die Kosten für Durchführung und Überwachung des Systems ebenso wie die Transaktionskosten der Auktion tragen die Industrieländer. Hierdurch soll die ungerechte Emissionsverteilung der Vergangenheit grob ausgeglichen werden.
12. Alle anderen Klimaprogramme sind unwirtschaftlich. Sie werden ersatzlos gestrichen.
Der letzte Punkt könnte z.B. auch dem (Regen)Waldschutz entgegenwirken, da dieser bisher leider fast nur in Klimaverhandlungen und in davon abgeleiteten Programmen politisch auf der Tagesordnung steht. Außerdem ist es denke ich nicht sinnvoll nur am CO2 Verbrauch anzusetzen. Wenn man z.B. CO2 durch (Wieder)Aufforstung binden kann,sollte das genauso Teil einer Strategie sein, genauso wie die Reduktion von anderen Treibhausgasen.
So, jetzt zu meiner Alternative:
Ich würde eine Treibhausgassteuer einführen, die u.a. Mineralöl-, Öko- und KFZ-Steuer ersetzt. Sehe keinen Sinn darin Dinge mehrfach zu besteuern. Diese Steuer wird dann überall erhoben, wo Produkte, die große Mengen Treibhausgase verursachen, gekauft werden, d.h. also beim Tanken, beim Autokauf, beim Kauf von Heizöl, beim Kauf von tierischen Produkten usw. je nachdem wie viel Treibhausgase das Produkt verursacht. Am Ende entscheidet dann der Kunde, ob ihm das Produkt auch den Preis inklusive der Umweltkosten wert ist.
Das Ziel einer Klimagerechtigkeit wird dabei natürlich nicht erreicht, aber braucht es das denn überhaupt, ist es nicht sinnvoller gleich und nicht über Umwege nach sozialer Gerechtigkeit zu streben und da z.B. mit der Implementierung eines globalen Länderfinanzausgleich anzufangen und auch die Grenzen zu lockern, dass die Leute gehen können, wenn versucht wird ihnen unwürdige Arbeitsbedingungen in einem kranken Regime aufzudrücken.
Ich würde als Sachse mal in den Raum stellen, dass der Länderfinanzausgleich innerhalb Deutschlands sehr gut funktioniert hat, wieso das nicht einfach übertragen und getrennt davon für Umweltprobleme die Kosten eines Produktes nicht nur an der Herstellung, sondern auch an den Umweltschäden festmachen, indem man diese dann entsprechend in das Produkt einrechnet. Die Wirkung dieser Besteuerung muss natürlich kontinuierlich beurteilt werden und dementsprechend auch die Steuer angepasst, so dass es nicht nur reine Symbolik ist und zum Beispiel zur Finanzierung der Renten dient (Ökosteuer). Mit einem sinnvollen Steuercontrolling kann man wie jetzt beim Tabakkonsum ersichtlich, auch gewünschte Reduktionen erzielen, man muss es doch eigtl. nur wollen...
Viele Grüße
LordSnow
- [Ag-umwelt] Fwd: Piratenwiki-E-Mail, René Heinig, 18.01.2011
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