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ag-meinungsfindungstool - [Ag Meinungsfindungstool] Vorstellung und Idee

ag-meinungsfindungstool AT lists.piratenpartei.de

Betreff: Ag-meinungsfindungstool mailing list

Listenarchiv

[Ag Meinungsfindungstool] Vorstellung und Idee


Chronologisch Thread 
  • From: Johannes Ammon <j.ammon AT dr-ammon.de>
  • To: ag-meinungsfindungstool AT lists.piratenpartei.de
  • Subject: [Ag Meinungsfindungstool] Vorstellung und Idee
  • Date: Fri, 27 Apr 2012 11:40:53 +0200
  • List-archive: <https://service.piratenpartei.de/pipermail/ag-meinungsfindungstool>
  • List-id: <ag-meinungsfindungstool.lists.piratenpartei.de>

Hallo,

ich habe hier her gefunden, weil mich der Gedanke einer technischen Verbesserung der Diskussionstools bei den Piraten umtreibt. Jetzt sehe ich, dass Ihr auf dem gleichen Weg schon einige Schritte vorangekommen.

tl;dr:
Ich schlage vor, Mailinglisten als wesentliches Diskussionstool zu verwenden, diese aber #ausGründen mit einem speziellen Feedbackkanal anzureichern.



Ich habe leider nicht den Anfang dieser Gruppe mitbekommen. Deshalb kann es sein, dass ich im Folgenden Dinge diskutiere, die hier schon längst durch sind. Dafür bitte ich dann um Verständnis.

Ich habe Eure Planungen so verstanden, dass Ihr ein Diskussions- und Meinungsbildungstool schaffen wollt, das für die Ideenentwicklung eine ähnliche Funktion hat wie Liquid Feedback für die Entscheidungsfindung.

Meine Gedanken gingen von einem anderen Punkt aus. Es existiert ja bereits ein etabliertes Diskussionstool: die Mailingliste. Hier werden Diskussionen an einem für alle Interessierten zugänglichen Ort geführt und bleiben (im Archiv) auch nachvollziehbar.
Mailinglisten haben aber auch einen wesentlichen Nachteil, und zwar der oft harsche, zeitweise geradezu unfreundliche Tonfall und der (gefühlt) hohe Trollanteil. In Mailinglisten wird geschimpft, beleidigt, wohlmeinende Anfänger werden unfreundlich runtergemacht. (Natürlich gibt es auch viele freundliche Menschen in Mailinglisten, die fallen aber weniger auf als die Stinkstiefel.)

Der Grund für diese Unhöflichkeit ist vielleicht nicht immer echte Rücksichtslosigkeit, es sind nicht immer schlechte Menschen, die das tun. Oft genug ist es einfache Gedankenlosigkeit, der Schreiber hat nicht vor Augen, dass am anderen Ende auch ein echter Mensch sitzt.

Aber warum nur auf Mailinglisten? Die Ursachen für diese Unkultur mögen vielfältig sein; ich behaupte, dass ein wesentlicher Grund in dem Fehlen von bleibendem Feedback liegt.

Im Real Life sehen wir solches Verhalten selten. Beispiele: Im Straßenverkehr (es ist erstaunlich, wie unflätig auch zivilisierte Menschen am Steuer schimpfen können), bei (schlechten) Chefs oder in Jugendgangs. Diese Situationen haben alle eines gemeinsam: die Rüpel haben kein direktes oder bleibendes Feedback zu erwarten. Die übliche, gesellschaftliche Reaktion auf diese Rücksichtslosigkeiten ist nur in besonderen Fällen eine direkte Entgegnung. Aber wer regelmäßig die Regeln der Höflichkeit bricht, baut einen schlechten Ruf auf, der zu sozialer Isolation führen kann.

Mein Vorschlag ist nun, Mailinglisten mit einem solchen Feedbackkanal anzureichern, der etwas wie "Fame" oder "schlechten Ruf" abbilden hilft. Ein Vorbild wäre z.B. stackoverflow.com, wo Fragen und Antworten von den Nutzern bewertet werden können. Jede Pro-Bewertung gibt dem Bewerteten Punkte, down-votes geben Punktabzug. Der Punktestand spiegelt den Respekt, den ein User sich erworben hat, außerdem kann man sich für verschiedenste Verdienste "Badges" erwerben. Das führt dort zu einer erstaunlich konstruktiven und freundlichen Kommunikationskultur. ("Gamification" ist wohl das zuständige Buzzword.)

Kann man das gleiche Prinzip nicht für unsere Mailinglisten nutzen? Unter jeder Mail könnten zwei Buttons erscheinen, "gefällt mir" und "gefällt mir nicht" (technische Aspekte s.u.).
Wenn man die Diskussion in einem Forum verfolgt, kann der eilige Leser zuerst (oder nur) die Beiträge anschauen, die viele Upvotes haben. Trollposts oder Flames erkennt man direkt an den vielen Downvotes und braucht sie gar nicht erst zu lesen. Auch ganz unbewertete Posts braucht man nicht zu lesen, sie sind oft "find-ich-auch"-Nachrichten. Wo das gut funktioniert, sind z.B. die heise-Foren.
Ich könnte mir z.B. nur Posts mit einer Punktzahl von mehr als  xx oder nur Beiträge von Menschen mit mehr als yy Fame-Punkten anzeigen lassen. So wird schnell jede Diskussion übersichtlicher, ohne dass ich wichtige Beiträge übersehe.

Wenn die Qualität der Postings bewertet und in der eigenen "Fame"-Punktzahl aufaddiert werden, gibt es einen zusätzlichen Grund, freundlich-konstruktive Beiträge zu schreiben. Neben dem allgemein-menschlichen Streben nach Anerkennung (siehe "Gamification") könnten auch politische Ambitionen zu guten Postings animieren: bei partei-internen Wahlen zu Vorständen oder Wahllisten könnten in der Kandidatenliste die Fame-Punktezahlen aus dem Diskussionstool angezeigt werden und als Marker für konstruktives Engagement dienen.


Technische Seite:
Mailinglisten funktionieren als Diskussionstool seit Jahrzehnten. Die dargestellte Feedback-Funktion haben sie bisher nicht, sie müssen dafür wesentlich erweitert werden. Von seiten des UI-Designs will ich dabei zwei Aspekte unterscheiden:
- Feedback geben,
- Bewertungen von Nachrichten oder Autoren sehen.

Feedback geben:
Ich sehe v.a. 3 Wege, auf denen Mailinglisten konsumiert werden: der klassische Weg der Mail (sofort zugestellt oder als täglicher Digest), über eine Forensoftware oder im Archiv.
Bei der Nutzung über das Web (Forum bzw. Archiv) ist ein Feedback über Buttons o.ä. leicht zu realisieren.
Bei Mail könnte eine Rückmeldung so aussehen, dass der Nutzer in die erste Zeile seiner Reply-Mail "+1" oder "-1" schreibt. Er kann in den folgenden Zeilen noch weiteren Text anfügen. Wenn die Mail nur die "+/-1" Zeile (und ggf. zitierten Text) enthält, wird sie in der Archiv/Forenübersicht nicht angezeigt und an die Listenabonnenten nicht verschickt.

Bewertungen sehen:
Der Leser kann nur Bewertungen eines Postings sehen, wenn andere schon welche abgegeben haben. Das ist bei der klassischen Mailingliste prinzipbedingt nie der Fall, weil jedes Posting simultan an alle Empfänger geht. Für das Vorsortieren der Postings taugt mein Modell auf dem klassischen Mailweg also nicht. Nur die Bezieher der täglichen Digestversion können schon erste Bewertungen sehen.
Anders in der Archiv- oder Forenoberfläche. Hier kann neben jedem Posting und evtl. jedem Autor deren bisher aufgelaufene Bewertung (ggf. grafisch)  angezeigt werden.

Über das Backend habe ich noch kein Wort verloren. Ich bin überzeugt, dass - wenn das Prinzip akzeptiert und beschlossen ist - die technische Realisation kein echtes Problem darstellt. Ich kann mir selbst verschiedene Implementationen vorstellen, aber dafür gibt es sicher Kompetentere als mich.


Weitere Ideen:
Man kann sich Gedanken machen über die Wertung der verschiedenen Aktionen. Das Modell von Stackoverflow als Beispiel steht hier: http://stackoverflow.com/faq#reputation. Bemerkenswert finde ich u.a., dass Up-Votes mehr Punkte hinzufügen als Down-Votes abziehen, und dass ein Down-Vote einer Antwort auch den Voter einen Punkt kostet. Diese Punkteregeln können den Stil der Kommunikation beeinflussen. Mir gefällt die Betonung des Positiven.

Man könnte auch überlegen, mehr als eine Dimension der Bewertung zu nutzen. Statt nur nach "gut/schlecht" könnte man getrennt nach "interessant/uninteressant" und "stimme zu/nicht zu" bewerten. Ich bin im zweiten Überlegen eher gegen so eine Differenzierung, weil ich glaube, dass die beiden Dimensionen stark korrelieren werden.


Zusammenfassung:
Ich halte das dargestellte Modell für sinnvoll, weil es auf bestehenden Strukturen aufsetzt. Das sollte eine Implementierung in überschaubarer Zeit möglich machen.
Gleichzeitig führt es einen sozialen Rückkanal ein, der den Mailinglisten bisher schmerzlich fehlt.
Es bietet wenig Struktur für die Diskussion selbst; das ist für ein Meinungsfindungstool auch adäquat, so wird die Diskussion auch nicht eingeengt.
Das offen sichtbare Feedback der Nutzer zu jedem Posting und Autor kann hoffentlich den Stil der Diskussion positiv beeinflussen. Und es erlaubt dem Gelegenheitsleser, selektiv die interessantesten Beiträge zu lesen.

Schöne Grüße, Johannes Ammon



  • [Ag Meinungsfindungstool] Vorstellung und Idee, Johannes Ammon, 27.04.2012

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