Zum Inhalt springen.
Sympa Menü

ag-liquid-democracy - Re: [AG Liquid Democracy] Spon über Mitbestimmung

ag-liquid-democracy AT lists.piratenpartei.de

Betreff: Liquid Democracy in der Piratenpartei

Listenarchiv

Re: [AG Liquid Democracy] Spon über Mitbestimmung


Chronologisch Thread 
  • From: Semon <semon3496 AT arcor.de>
  • To: ag-liquid-democracy AT lists.piratenpartei.de
  • Cc: harald.maedl AT gmx.de, AG Demokratie <ag-demokratie AT lists.piratenpartei.de>
  • Subject: Re: [AG Liquid Democracy] Spon über Mitbestimmung
  • Date: Fri, 15 Jun 2012 19:48:12 +0200
  • List-archive: <https://service.piratenpartei.de/pipermail/ag-liquid-democracy>
  • List-id: Liquid Democracy in der Piratenpartei <ag-liquid-democracy.lists.piratenpartei.de>

Hallo Harald, hallo Dinu,
im Prinzip hat Dinu Recht, dass die mehr theoretischen Diskussionen zu Demokratie sicherlich in der AG Demokratie besser aufgehoben sind. Das heißt aber keinesfalls, das es hier keinen Interessiert.

@Dinu: Ich habe auf meiner ToDo-Liste immer noch den Punkt: "Kontakt zur AG Demokratie herstellen" :-)

Ich fände es gut wenn sich die AG gegenseitig ergänzen könnten. Es gibt insbesondere eine prinzipielle Frage, deren Beantwortung für Liquid Democracy essentiell ist, und die bei uns - aus Zeitmangel ? - aktuell zu kurz kommt:

Ist ein Delegationsverfahren a la "Delegated Voting" ein basisdemokratisches Konzept oder nicht? Und welche Auswirkungen hat es auf die Demokratie, wenn Delegierte ein unterschiedliches Stimmengewicht haben?

@Dinu: Vieleicht könnte man zu diesem Thema mal einen gemeinsamen Termin machen ?

@Harald: Zu deinem Text ein paar Anmerkungen:

Am 12.06.2012 19:33, schrieb Harald Maedl:
Puppe" wrote:

wir werden erwähnt als Teil der aktuell laufenden Diskussion:
http://www.spiegel.de/politik/deutschland/piraten-streiten-ueber-liquid-feedback-und-basisdemokratie-a-837605.html
Wichtiger Satz:
Hinter den Unklarheiten und vielen kleinen Streitpunkten steckt eine
größere Frage: Was meinen die Piraten überhaupt mit Basisdemokratie?
Ich finde es interessant, da ich genau diese Frage auf diversen Listen
immer wieder gestellt habe, aber nie wirklich eine Antwort darauf
bekommen habe.

Der Begriff "Demokratie" ist heute dermaßen abgenutzt, dass er mit
nahezu beliebigen Inhalten gefüllt wird. Gerade schon absurd wird es,
wenn von "Mehr Demokratie wagen" (dieser depperter Slogan wird
vermutlich jedem noch in Erinnerung sein) gesprochen wird, ganz so, als
ob Demokratie Teufelszeug sei, welches man besser nicht anfasst.

Gleichwohl unterscheidet sich obiger Slogan im Grunde nicht von
denjenigen, die über den Köpfen der erwartungsvoll Lauschenden mit dem
"Schwert der Basisdemokratie" viel warme Luft zerteilen.
Soweit stimme ich Dir zu.
Aber selbst wenn wir nun innerhalb der Partei festschrieben, was wir
denn unter Demokratie verstünden und vor allem welche Demokratie wir
wollten, so fehlte immer noch die Erklärung, was denn ein Demokrat ist.

Nein, diese Frage ist weder einfach, noch trivial, aber sie wäre
dringend notwendig zu klären -- für das Individuum, für die Gesellschaft
und letztlich für alle politischen Systemen, welche sich mit der
Demokratie so unsäglich abzumühen scheinen!
Aus deiner Formulierung klingt ein wenig die Suche nach der endgültigen Wahrheit heraus. Meiner Ansicht nach kann es für diese Frage keine endgültige Klärung geben. Der Begriff ist immer im Kontext der jeweiligen Zeit zu sehen. Ich finde aber auch, das eine Weiterentwicklung des Konzepts "Demokratie" überfällig ist.

Wisst ihr, wir haben nämlich in den letzten zweihundert Jahren das
Individuum aus dem Auge verloren. Wird reden von Systemen, wir reden von
Gesellschaften, aber wir reden nicht von dem einzelnen Menschen!
Die Philosophie, die Wissenschaften, unsere ganzen und halben "-logen"
und "-tiker" haben ihn, den Menschen, schlicht und einfach vergessen.

Zu einfach? Bei weitem nicht, denn nur, wenn wir dieses explizit klären,
dann würden wir uns einem Thema nähern, welches das Verhältnis zwischen
Bürger und Staat betrifft und welches überhaupt erst einmal wieder nach
vielen Dekaden und Centurien die Frage nach der Legitimität eines
Staatswesens aufwerfen würde. Und ja, natürlich, dies betrifft
letztendlich ganz massiv das Selbstverständnis der Piraten und der
Piratenpartei, nebst seiner Programmatik.

Entweder wir finden dann eine Begründung nach herkömmlichen Muster
westlicher Philosophie, mit der wir vielleicht leben könnten oder aber,
was nicht unwahrscheinlich ist, wir kommen zu dem Schluss, dass all
diese Begründungen letztlich abstrus sind und erfinden dann diese
Legitimität entweder neu und stellen diese somit auch auf neue Füße (was
meiner Ansicht nach allerhöchste Zeit wäre) oder aber wir kommen zu dem
Schluss, dass es eine solche Legitimität gar nicht gibt, wenn wir nicht
auf den lieben Gott als Begründung zurückgreifen wollen.

Aber _erst_ wenn wir diese Frage in einem vermutlich schwierigen und
nachdenklichen Prozess geklärt haben, dann können wir entscheiden,
welches Ziel wir anstreben, wie wir es verwirklichen wollen und welche
Hilfsmittel wir dabei und wofür auch immer verwenden wollen.
Und erst daraus ergibt sich letztlich, wie diese Hilfsmittel, z.B. LQFB,
ausgestaltet werden müssen.
Hier möchte ich wiedersprechen: Ja es ist sinnvoll sich abstrakt über Demokratie Gedanken zu machen und für uns als Partei nach einer neuen Position zu suchen, vollkommen unabhängig von irgendwelchen Tools.
Jedoch: Die Tools können sehr gut helfen in diesem Prozess die Bodenhaftung nicht zu verlieren. Viele Ideen und Konzepte, welche dem aktuellen LQFB-Tool zugrunde lagen, haben sich bewährt. Aber eben nicht alle: Nicht jede Idee, die in der Theorie gut aussieht, bewährt sich auch in der Praxis mit realen Menschen.

Um es anders zu sagen: Wir suchen unser Heil in einem technischem
Instrumentarium, ohne zu wissen, was wir wollen, wohin wir wollen und
ohne dass wir überhaupt selbst für die umfassende Anwendung eines
solchen Instrumentes mental bereit wären.

Ein umfassender Mitbestimmungsprozess erfordert zum einen ungeheure
Toleranz, ungeheure Liberalität und zum anderen Zeit.
Ich habe die Piratenpartei weder als sonderlich liberal, noch als
sonderlich tolerant erfahren, eher das Gegenteil -- und Zeit hat ohnehin
keiner ("Deine Beiträge sind zu lang!").
Im Gegenteil, das Bemühen scheint dahin zu gehen, dem Bürger die Erfolge
geistigen Ausschwitzens in Form einer permanenten, aber wohlmeinenden
Flut an Gesetzen zukommen zu lassen -- vermutlich um ihn, den Bürger,
aus lauter Gutmenschentum damit zu erschlagen.
+1. Schön gesagt.
Wir sind also noch nicht für solch ein Instrument bereit und müssen
zunächst lernen, damit umzugehen und zu experimentieren. Genau aus
diesem Grund müssen wir zunächst Regeln finden, müssen den Wirkungskreis
zunächst einschränken, um im Kleinen zu proben, was wir im Großen
erreichen wollen.

Die Widerstände gegen LQFB in der jetzigen Form kommen nicht unbegründet
und sie können eine Partei letztlich zerreißen.
Deswegen lasst uns einen Punkt setzen, lasst uns zunächst über
Demokratie, über den Mensch und Staat nachdenken und lasst uns dann
darüber nachdenken, wie wir dieses Tool für welchen Zweck und wie
einsetzen können.
Hier möchte ich sagen: Lass uns nicht warten. Lass uns beides parallel machen!

Gruß
Semon





Archiv bereitgestellt durch MHonArc 2.6.19.

Seitenanfang