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Betreff: Mailingliste der AG Landwirtschaft
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- Subject: [Ag-landwirtschaft] Essen wir bald Chlor-Hühnchen aus den USA?
- Date: Fri, 6 Dec 2013 23:17:31 +0100
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LG
Wolfgang
Geheimoperation transatlantisches Freihandelsabkommen
Ein Angriff auf Demokratie und Verbraucherschutz?
Meistens sind die Türen geschlossen, wenn die EU-Kommission mit der
US-Regierung über gentechnisch veränderte Lebensmittel oder bisher in der EU
verbotene Chlorhühnchen verhandelt. Ziel ist ein Freihandelsabkommen mit den
USA. Dabei steht viel auf dem Spiel. Deutsche und EU-Gerichte sollen
entmachtet werden, um die Interessen der Industrie durchzudrücken. Sind
demokratische Grundprinzipen in Gefahr?
Von: Mike Lingenfelser, Hendrik Loven, Sabina Wolf
Stand: 26.11.2013
In den USA täglich auf dem Teller: Hormonfleisch, Hühnchen mit Chlor
desinfiziert, Gen-Mais. All das ist in der EU bisher verboten, doch könnten
solche Lebensmittel bald bei uns landen? Wir sind in Washington und in
Brüssel. Hier wird das Freihandelsabkommen verhandelt. US-Regierung und
EU-Kommission feilschen um Zölle und Handelsbeschränkungen, das soll die
Wirtschaft ankurbeln. Doch damit stehen auch Qualitätsstandards zur Debatte,
in geheimen Verhandlungen ohne Öffentlichkeit alles für den Freihandel?
Lori M. Wallach, Global Trade Watch, USA: "Freier Handel? Die meisten
Kapitel dieses Abkommens werden mit Handel wohl gar nichts zu tun haben. Es
geht um schleichende Liberalisierung durch die Hintertür."
Mute Schimpf, Friends of the Earth, Europe: Unsere große Sorge ist, dass es
sozusagen eine dramatische Absenkung gibt, dass es sozusagen Wettlauf um den
niedrigsten Standard gibt.
Yannick Jadot, Europe Écologie, französischer Europaabgeordneter: "Die
Verhandlungen verlaufen absolut undemokratisch.."
Das sagt der EU-Abgeordnete, der eigentlich eingesetzt wurde, um die
Verhandlungen als parlamentarischer Berichterstatter zu kontrollieren. Doch
er fühlt sich abgehängt. EU-Kommission und USA verhandeln geheim praktisch
ohne Kontrolle des EU-Parlaments.
Yannick Jadot, Europe Écologie, französischer Europaabgeordneter: "Selbst
wenn wir mal ein Dokument bekommen, wird uns verboten, den Inhalt der
Öffentlichkeit mitzuteilen. Die Bürger werden vollkommen ausgeschlossen von
den Verhandlungen, die sich mit so vielem beschäftigen: mit
Gesundheitsfragen, Umwelt, Sozialstandards, öffentlichen Einrichtungen."
Die Verhandlungen zum geplanten Freihandelsabkommen sind geheim, weil es um
unheimlich viel Geld geht. Und um den Bruch von Tabus. Denn: Ob Genmais oder
Klonfleisch - die US-Industrie drängt mit Produkten auf den europäischen
Markt, die hier bisher verboten sind.
Besonders umstritten: Geflügel aus den USA. So genannte Chlor-Hühnchen
dürfen seit den 90er Jahren nicht mehr in die EU exportiert werden. Der
Grund: US-amerikanische Hühnerfirmen brauchen weniger auf Hygienestandards
zu achten, als vergleichbare Betriebe in der EU. Denn in den USA kommen die
Hühner nach dem Schlachten in ein Chlor-Bad. Das soll dann alle Keime töten.
Auf große Geschäfte in der EU mit solchen Chlorhühnchen freut man sich schon
beim US-Hühnerverband. In einem Schreiben an die amerikanische
Handelsdelegation rechnet man mit jährlich 500 Millionen Dollar mehr Umsatz:
Mute Schimpf, Friends of the Earth, Europe: "Jetzt wird hier über die
Hintertür des Freihandelsabkommens mit den USA, auf einmal sollen solche
Vereinbarungen, solche Gesetze, solche Sicherheitsregeln außer Kraft gesetzt
werden."
Ähnlich soll es bei der Einfuhr von Hormon-belastetem Fleisch, Klon-Rindern
oder Gen-Mais laufen. In den USA erlaubt, bei uns bald nicht mehr verboten?
In Washington treffen wir einen der einflussreichsten Ideengeber des
transatlantischen Handelsabkommens. Den ehemaligen US-Botschafter in der EU,
Stuart Eizenstat. Er hat einige US-Präsidenten beraten und setzt sich nun im
Transatlantic Business Council für die Ziele der Industrie ein.
Stuart E. Eizenstat, Ehem.US-Botschafter, Transatlantic Business Council:
"Die Standards in Europa haben ein anderes Niveau. Und ich finde, diese
Standards haben ein unbegründet hohes Niveau, das wissenschaftlich nicht
fundiert ist. Eine der großen Herausforderungen der Verhandlungen wird es
sein, einen Mittelweg zu finden, wonach die Verbraucher in Europa das
gleiche Vertrauen haben: Was für eine amerikanische Familie gutes Essen ist,
sollte auch für Europäer gutes Essen sein."
Angeblich hat die EU-Kommission gar kein Mandat aus den Mitgliedstaaten, die
Standards nach unten zu verhandeln. Doch wie die Praxis aussieht - wir
wissen es nicht:
Alle Unterlagen der Verhandlungen sind restricted - geheim. Wir kommen
dennoch an ein Papier der EU-Kommission. Darin sind die Vorbereitungstreffen
zum Freihandelsabkommen aufgelistet. 95% sind mit Industrievertretern.
Andere Gruppen wie Verbraucherschützer oder Umweltorganisationen waren kaum
dabei.
Olivier Hoedeman, Corporate Europe Obserervatory, Brüssel: Wenn sie die
Verhandlungen so unausgewogen vorbereiten, dass die Treffen fast nur mit der
Industrie stattfinden. das ist doch sehr beunruhigend. Ich glaube das hat
eine negativen Einfluss gehabt, was die Kommission verhandelt.
Die Befürworter sehen noch andere Möglichkeiten, die Interessen der
Industrie durchzusetzen. Sobald das entsprechende Abkommen da ist, könnten
etwa amerikanische Firmen den Export ihrer Chlor-behandelten Hühner
einklagen.
Stuart E. Eizenstat, Ehem.US-Botschafter, Transatlantic Business Council:
Wenn so eine Klage erfolgreich ist, bedeutet das: Das Land, das das Produkt
verboten hat, muss Schadenersatz zahlen oder das Produkt wieder ins Land
lassen.
Das Freihandelsabkommen sieht dafür sogenannte Schiedsgerichte vor. Die
US-Fleischindustrie könnte so gegen einen europäischen Staat klagen. Doch
anstatt dies vor einem Gericht zu verhandeln, entsenden beide Seiten ihren
Anwalt. Ein dritter Anwalt gibt den Schiedsrichter und fällt eine juristisch
bindende Entscheidung. Die Anwaltskanzleien arbeiten je nach Auftrag. Das
heißt, sie wechseln ständig ihre Rollen: Interessenkonflikte sind
wahrscheinlich. Davor warnen auch US-Verbraucherschützer. Würde ein Konzern
gegen einen europäischen Staat vor einem solchen Schiedsgericht gewinnen,
dann muss der Steuerzahler den Schadensersatz zahlen.
Bill Warren, Rechtsanwalt, Friends of the Earth, USA: Gerade die Deutschen,
die ihren Staatshaushalt unter Kontrolle halten wollen, sollten besser
zweimal darüber nachdenken, ob sie einem Abkommen zustimmen, dass es
US-Konzernen erlauben würde, euren Staatshaushalt zu plündern.
Das ist schon Realität. Kanada und die USA sind bereits in einer
Freihandelszone. In Kanada wurde die umstrittene Gasgewinnung, Fracking, bei
der Chemie in die Erde gepumpt wird, um Gas zu fördern, eingeschränkt. Wegen
möglicher Umweltgefahren wollten die Bürger es nicht, Kanada handelte.
Daraufhin hat die Fracking-Firma den kanadischen Staat aufgrund entgangener
Profite auf 250 Millionen Dollar verklagt vor einem Schiedsgericht.
Lori Wallach, Global Trade Watch, Washington: Gerade auf europäischer Seite
steht so viel auf dem Spiel. Eure Standards sind besser: Auch euer
Tierschutz ist beispielsweise stärker, euer Klimaschutz, euer Datenschutz im
Internet. Ihr habt viel zu verlieren.
Die EU-Kommission beteuert auf Report-Anfrage, dass es bei den Verhandlungen
keine Absenkung der europäischen Standards geben werde. Worte, an die sich
Verbraucher erinnern müssen.
Quelle:
http://www.br.de/fernsehen/das-erste/sendungen/report-muenchen/videos-und-ma
nuskripte/freihandelsabkommen100.html
- [Ag-landwirtschaft] Essen wir bald Chlor-Hühnchen aus den USA?, Pirat Wolfgang, 06.12.2013
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