Re: [Ag-landwirtschaft] Ist von 25% auf 2% kein Untergang??

[Detmar Kleensang <detmar AT gmx.de>]

Das ist ein Untergang! Ganz klar und eindeutig! Und zeigt auf, in welcher 
wirtschaftlichen Situation die Landwirtschaft steckt. Und das bereits seit 
Generationen! 

Politik wie (angebliche) Interessenvertretung haben lange Zeit weggesehen 
oder die einen haben den anderen eingeredet, dass das ganz normal und gar gut 
sein soll. Strukturwandel wird das dann genannt, wenn jährlich 5% der Betrieb 
aufgeben. 

Doch warum geben sie auf? 

1.: kein wirtschaftlicher Erfolg
2.: Pleite/überschuldet
3.: zu große Arbeitsbelastung
4.: kein Hofnachfolger
5.: besteht aus 4., weil 1. und/oder 2. und/oder 3.

Welcher junge Mensch tut es sich an, einen Betrieb zu übernehmen, der 
erkennbar über die Belastbarkeit seines Vorgängers gewachsen ist? Das ist 
dann kein Fortschritt mehr, keine Entwicklung. Das ist wie im Pflanzenschutz: 
Eine Wuchsstoffbehandlung. Damit wächst das Unkraut (oder der Betrieb) bis 
es/er tot umfällt.

Immer weniger machen die Arbeit von vielen. Dazu braucht es immer modernere 
Technik. Die kann die Arbeit erleichtern. Doch weniger wird die Arbeit 
erstaunlicherweise nicht! Und leichter eigentlich auch nicht. Nur anders. 

Effizienssteigerung nennen das einige. Richtig. Aber zu welchem Preis? Diese 
Effizienssteigerung kosten unwahrscheinlich viel Geld! Die Technik kostet 
Geld! Aber es wird bei aller Effizienssteigerung nicht mehr verdient als vor 
einer Generation! Finanziert wird dieser Fortschritt alleine durch Banken. 
Die Betriebe verfrühstücken ihr eigentliches Kapital: Grund und Boden, Natur 
und biologische Vielfalt. 

Nein, das ist kein Fortschritt. Das ist ein Hamsterrad. Weil man nicht raus 
kommt läuft man nur immer schneller. Bis es nicht mehr geht. Die meisten 
Betriebe sind schon jetzt derart in der Kreide, dass sie gar nicht aufhören 
können, selbst wenn sie wollten. Der letzte Wachstumsschritt, die letzte 
Investition in einen größeren Stall etwa ist noch nicht abbezahlt, da fallen 
aufgrund der Produktionsausweitung Marktbedingt die Preise und es ist wieder 
nicht mehr verdient, um den Stall abbezahlen zu können. Anders nutzen darf 
man das Gebäude nicht, andernfalls müssten die dafür bewilligten Bauzuschüsse 
vollumfänglich zurückbezahlt werden. Was natürlich nicht geht aufgrund der 
wirtschaftlichen Situation. 

Was macht man also? Das, was ich in der Landwirtschaftsschule gelernt habe: 
"Wenn es Dir schlecht geht, dann musst Du wachsen! Wozu gibt es Banken? Du 
hast doch noch Dein Land als Sicherheit." 

Und was macht man, wenn es tatsächlich mal kurzfristig besser geht? 
Natürlich: wachsen!

Darauf ist die Beratung durch alle Instanzen in Deutschland geeicht. Und 
durch die Bindung an die Nutzungsart bleibt auch gar nichts anderes übrig. 
Ausser, man geht wirklich komplett in die Pleite, verliert alles Land als 
Sicherheit, Haus und Hof werden versteigert und am Ende reicht es immer noch 
nicht, um die angelaufenen Schulden zu bezahlen. Bleibt auch nur ein 
Quadratmeter Land über bekommt man nicht mal HartzIV, sondern kann unter die 
nächste Brücke ziehen. 

Ja, so sieht die Wahrheit aus. Mag sein, dass ich von anderen Landwirten 
dafür gelyncht werde, es so offen auszusprechen. Aber man muss der Wahrheit 
ins Auge sehen. Alles andere wäre Heuchelei und würde auch den vielen 
Kollegen, die sich alleine in den letzten paar Jahren aus dieser Not heraus 
selbst das Leben genommen haben nicht gerecht werden. Denn wer sich im 
Melkstand erhängt, der wollte damit wohl etwas sagen. Und das war kein 
Einzelfall. Leider

Ach, ähm, Wolfgang? Du meinst, die Arbeitsbedingungen der Beschäftigten 
hätten sich gravierend verbessert? Wieso höre ich dann immer wieder von 
Kollegen, dass sie für dieses oder jenes keine Zeit hätten? Wieso sind sie 
Abends um halb neun noch nicht telefonisch erreichbar? Allenfalls, dass der 
Sohn oder die Tochter mal rangeht und sagt, dass Papa oder Mama noch im Stall 
wären. Von Morgens um 5 bis Abends um 10 arbeiten, allein schon 6-8 Stunden 
am Tag im zugegeben schönen neuen und topmodernden Melkstand stehen (und da 
ist Füttern uns die sonstigen Arbeiten nicht mit eingerechnet), und das an 
365 Tagen im Jahr? Eine gravierende Verbesserung? 


Am 22.05.2012 um 20:47 schrieb likedeel:

> Am 22.05.2012 00:24, schrieb 
> ag-landwirtschaft-request AT lists.piratenpartei.de:
>>    1. Re: grundsätzliches (Pirat Wolfgang)
>> 
>> 
>> ----------------------------------------------------------------------
>> 
>> Message: 1
>> Date: Tue, 22 May 2012 00:20:10 +0200
>> From: "Pirat Wolfgang"<pirat AT wolfgang-zerulla.de>
>> To:<ag-landwirtschaft AT lists.piratenpartei.de>
>> Subject: Re: [Ag-landwirtschaft] grundsätzliches
>> Message-ID:<85E661CFC190443281D7770973902B89@DELL>
>> Content-Type: text/plain; charset="utf-8"
>> 
>> Ja Kirsten,
>> 
>> 
>> Nehmen wir mal die Landwirte. Die hatten in den 50er Jahren in der CDU 
>> eine feste Interessenvertretung. Warum? Weil damals 25 % der Bevölkerung 
>> in der Landwirtschaft tätig waren. Das waren Wählerstimmen!!!!
>> 
>> Heute sind noch knapp 2 % der Bevölkerung in der Landwirtschaft tätig. Da 
>> sch… die CDU drauf und vertritt lieber die Interessen der 
>> Nahrungsmittelindustrie.
>> 
>> LG
>> 
>> Wolfgang
>> 
>> 
>> 
>> From: Pirat<mailto:pirat AT wolfgang-zerulla.de>   Wolfgang
>> 
>> Sent: Saturday, May 19, 2012 11:28 PM
>> 
>> To: ag-landwirtschaft AT lists.piratenpartei.de
>> 
>> Subject: Re: [Ag-landwirtschaft] grundsätzliches
>> 
>> 
>> 
>> Nun Martin,
>> 
>> 
>> 
>> der Untergang der Landwirtschaft wird ja schon lange vorhergesagt. Ich 
>> denke aber nicht dass er kommen wird und es werden auch nicht nur die 
>> Milchviehbetriebe überleben.
>> 
>> LG
>> 
>>  Wolfgang
>> 
>> 
> 
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