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ag-gesundheitswesen - Re: [AG-Gesundheit] AG-Gesundheitswesen Nachrichtensammlung, Band 74, Eintrag 1

ag-gesundheitswesen AT lists.piratenpartei.de

Betreff: AG Gesundheit

Listenarchiv

Re: [AG-Gesundheit] AG-Gesundheitswesen Nachrichtensammlung, Band 74, Eintrag 1


Chronologisch Thread 
  • From: syna <syna AT news.piratenpartei.de>
  • To: ag-gesundheitswesen AT lists.piratenpartei.de
  • Subject: Re: [AG-Gesundheit] AG-Gesundheitswesen Nachrichtensammlung, Band 74, Eintrag 1
  • Date: Thu, 07 Apr 2016 08:25:08 +0000
  • List-archive: <https://service.piratenpartei.de/pipermail/ag-gesundheitswesen>
  • List-id: AG Gesundheit <ag-gesundheitswesen.lists.piratenpartei.de>

Sandra Leurs schrieb:
Hallo syna,
dem allen kann ich nur zustimmen, für mich müsste eine Bürgerversicherung her, wo alle gleich versichert und behandelt werden. Um so zur Solidargemeinschaft bei zu tragen, gehören die PKV abgeschafft. Liebe Grüße Sandra Leurs KV Krefeld. :)
ag-gesundheitswesen-request[at]lists.piratenpartei.de hat am 1. April 2016 um 12:00 geschrieben:

Um E-Mails an die Liste AG-Gesundheitswesen zu schicken, nutzen Sie
bitte die Adresse
ag-gesundheitswesen[at]lists.piratenpartei.de
Um sich via Web von der Liste zu entfernen oder draufzusetzen:
https://service.piratenpartei.de/listinfo/ag-gesundheitswesen
oder, via E-Mail, schicken Sie eine E-Mail mit dem Wort 'help' in
Subject/Betreff oder im Text an
ag-gesundheitswesen-request[at]lists.piratenpartei.de
Sie können den Listenverwalter dieser Liste unter der Adresse
ag-gesundheitswesen-owner[at]lists.piratenpartei.de
erreichen
Wenn Sie antworten, bitte editieren Sie die Subject/Betreff auf einen
sinnvollen Inhalt der spezifischer ist als "Re: Contents of
AG-Gesundheitswesen digest..."

Meldungen des Tages:
1. Re: Privates Gesundheitssystem? (syna)

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Message: 1
Date: Thu, 31 Mar 2016 11:32:15 +0000
From: syna <syna[at]news.piratenpartei.de>
To: ag-gesundheitswesen[at]lists.piratenpartei.de
Subject: Re: [AG-Gesundheit] Privates Gesundheitssystem?
Message-ID: <202$494191$1459423935[at]news01.piratenpartei.de>
Content-Type: text/plain; charset=utf-8; format=flowed
Tataaaa, liebe Piraten,
die 90-Tage-Frist ist schon wieder abgelaufen. Und deshalb ist meine Übersicht zur
PKV schon wieder weg.
/Zack weg/ - wird hier einfach gelöscht *fierceley angry looking*.
Deshalb ein Refresh, für verspätete Forums-Leser und Gesundheits-Interessierte: Denn
nach 90 Tagen werden hier alle Beiträge gelöscht, und die Links hier funktionieren
dann nicht mehr.
(Ich weiß, das ist eigentlich nur eine große "Mailing-Liste". Trotzdem erreichen mich immer
wieder Anfragen und Beschwerden, dass die Links hier nicht mehr funktionieren).
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Die Basis der Diskussion sind diese (1) bis (4) Hypothesen:
Probleme, die durch die PKV verursacht werden:
1. Ungerechte Feudalstruktur durch die PKV
2. Erhebliche Fehlallokationen in fast jedem Fachbereich.
3. Forschungsleistungen sind viel schlechter.
4. Uneffiziente duale Strukturen (doppelte Facharztschiene,
Drehtürmedizin) - nur zum Wohle der Privatversicherten.
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Bei jeder Leistung des Gemeinwesens, also des Staates für den Einzelnen, stellt
sich die Frage, wie diese bezahlt werden soll. Wie also Lasten verteilt werden:
Je nachdem, ob man einem hochherrschaftlichen Feudalsystem zugewandt ist
oder ob man ein egalitär demokratisches System bevorzugt, wird die Antwort
unterschiedlich ausfallen.
Im Gesundheitssystem wird diese Frage besonders pikant, denn es geht ja um
die Gesundheit des Einzelnen. Im Ernstfall geht es um Leben und Tod - um die
Frage, wieviel ein Leben oder ein Mensch wert ist. Soll das Leben oder der
Wert eines Menschen von seinem Einkommen abhängen? Wäre so eine
Abhängigkeit überhaupt mit dem Eid des Hippokrates vereinbar?
Bezüglich des Gütermarktes gibt große Unterschiede gibt. Der Begüterte kann
sich eine Motoryacht leisten, der andere gerade mal einen klapprigen Golf. Das
mag ja auch o.k. sein. Aber wenn es um Gesundheit, um Lebenserwartung, um
Leben oder Tod geht: Soll auch hier die Brieftasche entscheidend sein? Was für
eine Gesellschaft, was für einen Staat wollen wir?
Im Gesundheitssystem Deutschlands finden wir heutzutage ein Feudalsystem
vor: Wir haben ein typisches 2-Klassensystem: Die Richtig-Gut-Verdiener sind
privatversichert in der PKV und die übrigen sind gesetztlich versichert (GKV).
Die Auswirkungen des 2-Klassensystems durch die PKV sind im Wesentlichen
die folgenden Vier:
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1. Ungerechte Feudalstruktur durch die PKV
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Alleine die Solidargemeinschaft der gesetzlich Versicherten muss die Behandlung
derer bezahlen, die selbst kein ausreichendes Einkommen haben. Dazu zählen
mitversicherte Ehefrauen, Kinder, Arbeitslose und Hartz-IV-Empfänger. Privat
Versicherte beteiligen sich nicht an diesem Sozialtransfer, sie bezahlen lediglich
ihr in der Regel niedriges Krankheitsrisiko. Der minimale Steuertransfer, den es
gibt, ändert an dieser Tatsache nichts.
Das sieht konkret dann so aus: Ein Arbeitnehmer mit 3800 € Einkommen zahlt
550 € Beitrag (einschließlich Arbeitgeberanteil). Von diesen 550 € werden etwa
250 € verwendet, um damit die medizinische Versorgung von Einkommensschwachen
zu finanzieren. Dagegen bringt ein privat Versicherter mit genau dem gleichen
Einkommen nicht einen einzigen Euro für die Solidargemeinschaft auf! Er kann
sein Geld ganz dafür ausgeben, sich selbst eine bessere medizinische
Behandlung zu kaufen!
Der Kassenpatient dagegen muss er sich vom Arzt oft behandeln lassen, als ob
er der Ausnutzer des Systems wäre, nur weil er für den Arzt nicht so lukrativ ist.
Noch schlimmer: Ist er ernsthaft krank (Krebs, Herz), dann kann er einen
Spezialisten gar nicht erst konsultieren.
Die Private Krankenversicherung subventioniert nicht das System, sondern bezahlt
nur die Luxusversorgung ihrer Versicherten und profitiert von der Subvention
durch die ihren eigenen Mitgliedern erlassenen Solidarbeiträge.
Damit - und mit der besseren Behandlung der PKVler - hat man eine Struktur, die
sonst nur aus dem feudalen Mittelalter bekannt ist. Die ungerechte Feudalstruktur
durch die PKV!
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Nicht genug damit. Durch die Nichtbeteiligung der PKV-Versicherten an der
Solidarität kann die PKV pro Versichertem mehr bezahlen - und genau das weckt
Begehrlichkeiten und führt zu einer drastischen Verzerrung im Gesundheitswesen:
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2. Erhebliche Fehlallokationen in fast jedem Fachbereich.
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Fehlallokation: Gut ausgebildete Spezialisten werden nicht in ihrem Spezialbereich,
für den sie bestens ausgebildet wurden, eingesetzt, sondern für Trivialeinsätze von
PKV-Patienten verschwendet. Das passiert genau deshalb, weil für diese Trivial-OPs
besser bezahlt wird. Die Situation hat sich noch verschlechtert, seit die privaten
Krankenversicherungen verlangen, dass der liquidierende Spezialist die Leistung
auch selbst erbracht haben muss, um abzurechnen, während in der Vergangenheit
oft die Arbeit von weniger qualifizierten Ärzten durchgeführt werden konnte, und
der Spezialist sie nur abgerechnet hat.
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3. Forschungsleistungen sind viel schlechter.
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Hohe Gehälter hängen in deutschen medizinischen Fakultäten zu wenig von der
Forschungsleistung und der Qualität der Behandlung aller Patienten und zu stark
von den Nebeneinnahmen durch die Privatpatienten ab. D.h. ein hochdotierter
Wissenschaftler wird von der kaufm. Leitung gezwungen, Trivial-Erkrankungen
von PKV-Patienten zu behandeln, weil diese "so gut" bezahlt werden, statt sich
wirklich der Forschung und schweren Krankheiten zu widmen. Ethisch ist dieses
System fragwürdig, weil es die Versorgungsqualität indirekt vom Einkommen des
Patienten abhängig macht (Siehe Rothmund, M, Die Stellung der klinischen
Forschung in Deutschland im internationalen Vergleich, 1997, Dtsch. Med.
Wschr. 122, 1358-1362.)
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4. Uneffiziente duale Strukturen (doppelte Facharztschiene,
Drehtürmedizin) - nur zum Wohle der Privatversicherten.
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Die ambulante Behandlung steht in Deutschland ausschließlich dem privat
Versicherten zur Verfügung, weil sie die Ärzte frei auswählen können und
die Fachleute sie gerne behandeln. Im Fall von Komplikationen können sie
daher auch nach dem Eingriff von dem Arzt ambulant weiterbetreut werden,
der sie operiert hat. Der gesetzlich Versicherte Patient wird dagegen nach
Auftreten einer Komplikation „durch das System gereicht“. Dabei gerät er
an Ärzte, die mit Fällen wie seinem keine oder wenig Erfahrung haben.
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Wenn wir Menschen hier auch nur ansatzweise "soziale" Wesen sind, dann
folgt aus (1), (2), (3) und (4) zwangsläufig: Wir müssen die PKV (jedenfalls
für jegliche medizinische Leistungen) abschaffen zugunsten einer reinen,
egalitären Bürgerversicherung. Dabei müssen bereits erworbene Ansprüche
und geschlossene Verträge berücksichtigt werden.
Dabei sollten wir bedenken: Eine gerechte Gesellschaft setzt Chancengleichheit
voraus, für die der einkommensunabhängige Zugang zu einer optimalen
Gesundheitsversorgung und zum kompletten Bildungsangebot kennzeichnend
sind. Gesundheit und Bildung dürfen daher nicht nur als Kostenfaktor für
unsere Gesellschaft gesehen werden, sondern als Voraussetzungen für
Produktivität und Wachstum. In einer alternden und schrumpfenden Gesellschaft
wie Deutschland können Wachstum und Produktivitätsgewinne nur erreicht
werden, wenn wir in die Ressourcen aller Bürger investieren, damit diese
länger gesund und lernfähig bleiben. Somit ist die Abschaffung der PKV
zugunsten einer Bürgerversicherung nicht nur die gerechtere Lösung,
sondern auch die ökonomisch bessere.
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Noch kürzer - Zusammenfassung
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Die 2-Klassengesellschaft durch die PKV hat folgende, schwerwiegende
Auswirkungen:
1. Ungerechte Feudalstruktur durch die PKV
2. Erhebliche Fehlallokationen in fast jedem Fachbereich.
3. Forschungsleistungen sind viel schlechter.
4. Uneffiziente duale Strukturen (doppelte Facharztschiene, Drehtürmedizin)
- nur zum Wohle der Privatversicherten.
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Hauptargument ist, dass die PKV in ihrem Geschäftsmodell den Anteil Solidarität
vollkommen ausblendet und alleine der GKV anlastet. Und stattdessen für ihre
Mitglieder erhebliche Privilegien bezahlt. Im Gesundheitsbereich haben wir daher
noch eine echte, fast mittelalterliche Feudalstruktur.
Das Gebaren der PKV führt darüberhinaus zu erheblichen Fehlallokationen in
fast jedem Fachbereich, welche insgesamt erhebliche Kosten bzw. Ineffizienzien
verursacht. Und welche die Forschungsleistungen stark dezimieren. Die duale Vergütung
durch die PKV führt zudem zu ineffizienten dualen Strukturen (doppelte Facharztschiene,
Drehtürmedizin) - nur zum Wohle der wenigen Privatversicherten.
Grüße,
Syna.

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-- AG-Gesundheitswesen mailing list
AG-Gesundheitswesen[at]lists.piratenpartei.de
https://service.piratenpartei.de/listinfo/ag-gesundheitswesen
Ende AG-Gesundheitswesen Nachrichtensammlung, Band 74, Eintrag 1
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Danke, das ist schön zu hören!

Und ja: Ich denke wirklich, dass das Gesundheitssystem-Problem eines der
wichtigsten Anliegen ist, um eine wirklich egalitäre demokratische Gesellschaft
zu erreichen!




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