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ag-gesundheitswesen - Re: [AG-Gesundheit] Sterbehilfe

ag-gesundheitswesen AT lists.piratenpartei.de

Betreff: AG Gesundheit

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Re: [AG-Gesundheit] Sterbehilfe


Chronologisch Thread 

Ahoi,

ich habe mich damals extra wegen genau diesem Thema auf der Mailingliste angemeldet, wie ich damals auch geschrieben hatte, und möchte genau bei diesem Thema, wenn es denn geht, gerne Teil des Meinungsaustausches sein.

Insbesondere interessieren mich die sozialen und gesellschaftlichen Aspekte bei diesem Thema. badä und wolf haben diese bereits aufgegriffen. Mit folgenden Fragen muss sich daher dringendst beschäftigt werden, wenn man keinen unnötigen Schnellschuss bei der Positionierung der Partei (und sorry, den BEO-Entwurf würde ich als einen solchen bezeichnen) machen möchte:

-Wird eine Sterbehilfe unabhängig von Beweggründen (Schmerz, Leiden) gefordert? (Das wäre eine extrem radikale Forderung)
Falls nein:
-Wie prüft man die _tatsächlichen_ Beweggründe eines Menschen, der psychisch gesund ist und die Gesetzeslage kennt?
--Wie wird sozialer Druck, welcher auf einen psychisch (!) gesunden Mensch ausgeübt wird, als Beweggrund ausgeschlossen?
--Wie werden Ehrgefühl, Gewissen und "nicht mehr andere belasten wollen" als Beweggründe ausgeschlossen?
-Kann man in der langfristigen gesellschaftlichen Veränderung die Norm einer "Absolution" zuvor sozial schlecht Gestellter durch "freiwilliges Aussortieren" (ihres mutmaßlich nicht lohnenswertem Lebens) ausgeschlossen werden?

-Wird eine Sterbehilfe abhängig von Beweggründen, aber unabhängig von Krankheiten gefordert? (Das wäre auch noch eine relativ extreme Forderung)
Falls nein: (Hinweis: Ich bin kein Arzt^^)
-Müsste eine bestimmte zeitliche Nähe zum prognostizierten Todeszeitpunkt eingehalten werden?
-Wo genau werden die Grenzen zwischen schwer Kranken, Totkranken und Behinderten gezogen? (viele schwere Krankheiten bedingen Einschränkungen, viele schwere Behinderungen senken die Lebenserwartung massiv, nicht jede schwere Krankheit erläuft wie erwartet - es gibt immer nur Erwartungswerte, die als Grenzen herangezogen werden müssten)
-Ist hohes Alter mit den entsprechenden typischen, wohl tötlich verlaufenden Alterserscheinungen (Multimorbidität oder so üblich) eine tötliche Krankheit?

-Welche wirtschaftlichen Aspekte würden die Gesellschaft verändern?
-Falls die Sterbehilfe einen neuen Wirtschaftszweig auftut (siehe Nachbarländer...):
--Dürfen solche Unternehmen traditionelle Werbung machen?
--Welche ethischen Richtlinien würde man für diesen Wirtschaftszeig fordern?
--Wäre aktive Sterbehilfe als Kassenleistung zu erwarten, oder müssten überteuerte Dienstleistungsverträge ggf. unter Schmerzen abgeschlossen werden?


Wenn man die Fragen in Kombination liest, kann man vielleicht schon erahnen, welche Dystopie ich mich der Sterbehilfe-Debatte verbinde. Grade bei Fragen der gesellschaftlichen Veränderung darf man sich nicht unbedingt selbst als Maß aller Dinge nehmen. So leben wir nunmal z.B. in einer Gesellschaft, in der fragwürdige Thesen von AfD und CSU in einigen Städten mehrheitsfähig wären, während die Kernthemen der Piraten (z.B. Datenschutz) viele Büger überhaupt nicht interessieren.

Die letzte Frage aus dem Block der sozialen Fragestellungen mag auf den ersten Blick überzogen wirken, aber gesellschaftliche Veränderungen können bereits in einer Zeitspanne von 10 Jahren riesig sein. Darüber hinaus kennt man von Beerdigungen im persönlichen Umfeld selbst heute schon den klassischen Satz "war auch besser so". Meine Sorge: Heißt der in 5-10 Jahren vllt "war auch vernünftiger so"? Dann wäre man auch an der Stelle angekommen, an der man über jemanden, der leben und kämpfen möchte, als "unvernünftig" spricht.

Darüber hinaus muss glaubich gar nicht über die Situationen diskutiert werden, in denen sich ein Einzelner befinden mag. Ich bin mir sicher, man kann sich jederzeit einen fiktiven Kranken ausdenken, der sich auf keine denkbare Art umbringen könnte. Dann könnte die andere Seite aber wiederrum einen Selbstmord ausdenken, der noch möglich wäre. Mal ernsthaft: Sowas ist völlig an der Realität vorbei!

Ich glaube, man kann sich als Grundlage der Diskussionen durchaus darauf einigen, dass es Kranke geben mag, die sich eine solche Möglichkeit herbeisehnen und es Ärzte gibt, die dann unter der Hand gewissen Wünschen nachkommen oder auch nicht. Die Frage, die sich stellt ist daher eine rein ethische: Möchte man aufgrund diesen Umstandes eine juristische und eine (große) gesellschaftliche Veränderung hervorrufen oder nicht. Zu eben dieser Fragestellung würde ich mich über Beiträge zu meinen Fragen und Bedenken freuen.

Viele Grüße,
Marcel



-----Original Message-----
From: wdt <wolf-dietrich AT trenner.de>
To: AG Gesundheit <ag-gesundheitswesen AT lists.piratenpartei.de>
Sent: Tue, Dec 2, 2014 8:21 pm
Subject: Re: [AG-Gesundheit] Sterbehilfe

Tach auch, interessanter Beitrag.
wolf
\gn8

Am 01. Dez. 2014 um 19:30 schrieb Reinhard Schaffert <reinhard.schaffert AT piratenpartei-hessen.de>:

> 
> Signierter PGP Teil
> Tag allerseits,
> 
> Lesetipp:
> http://www.zeit.de/community/2014-11/sterbebegleitung-tod-sterbehilfe-palliativmedizin
> 
> Ich wünsche noch einen schönen Tag,
> Reinhard
> 
> 
> -- 
> AG-Gesundheitswesen mailing list
> AG-Gesundheitswesen AT lists.piratenpartei.de
> https://service.piratenpartei.de/listinfo/ag-gesundheitswesen

-- 
AG-Gesundheitswesen mailing list
AG-Gesundheitswesen AT lists.piratenpartei.de
https://service.piratenpartei.de/listinfo/ag-gesundheitswesen



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