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Betreff: AG Gesundheit
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- From: Reisch <Reisch AT news.piratenpartei.de>
- To: ag-gesundheitswesen AT lists.piratenpartei.de
- Subject: Re: [AG-Gesundheit] Krankenhausfinanzierung
- Date: Thu, 10 May 2012 18:09:49 +0000
- List-archive: <https://service.piratenpartei.de/pipermail/ag-gesundheitswesen>
- List-id: AG Gesundheit <ag-gesundheitswesen.lists.piratenpartei.de>
- Organization: Newsserver der Piratenpartei Deutschland - Infos siehe: http://wiki.piratenpartei.de/Syncom/Newsserver
Schönen guten Tag allerseits,
Das ist ein ziemlich komplexes Thema. Ich fühle mich hier mal zu eineigen Klarstellungen aufgerufen.
PolitPiratNRW schrieb:
Fakt ist, dass erwirtschaftete Geld über die Einnahmen (Pat.-OP, ggf. Intensivpflege, Bettenstation) hinten und vorne nicht ausreicht. Abrechungsbetrug und Schummellei ist an der Tagesordnung.
Na, wenn das ein "Fakt" ist, dann gibt es dafür sicherlich auch Belege?
Ich finde solche pauschalen Äußerungen nicht gerade sinnvoll, um ein politisches Konzept zu entwickeln.
Fakt ist, dass es Krankenhäuser gibt, die Gewinne erwirtschaften (nicht nur bei privaten Trägern) und Krankenhäuser denen es ziemlich schlecht geht (nicht nur von öffentlichen Trägern). Dazu gibt es entsprechende Veröffentlichungen, z. B. vom Statistischen Bundesamt oder der Deutschen Krankenhausgesellschaft. Wen es interessiert, welchen Krankenhäusern es wirtschaftlich nicht so gut geht und warum kann dies exemplarisch z. B. unter http://www.kliniksterben.de nachlesen.
PolitPiratNRW schrieb:
Zudem kommt noch, dass Chefärzte und andere Verantwortliche dafür Sorge tragen, dass Chefärzte ihre Privatpatienten in den Krankenhäusern behandeln dürfen. Das Entgeld dafür übersteigt den Krankenhaussatz nicht, dafür wird das Ärztepersonal, Intensivpersonal, und das Pflegepersonal überpropotional mit Arbeit überlastet (zu wenig Personal => Burn-Out => Ausfall und Kosten durch hohen Krankenstand). Hier sehe ich schon seit langer Zeit erheblichen Handlungsbedarf.
Für Privatpatienten rechnet das Krankenhaus das gleiche Entgelt ab, wie für alle anderen Patienten. Allerdings können Patienten (alle!) auch sogenannte Wahlleistungen wie die Unterbringung im ein- oder Zweibettzimmer oder ärzliche Wahlleistung, d.h. die Behandlung duch Chefärzte wählen. Diese Wahlleistungen wird zusätzlich bezahlt! D. h. im Fall der ärztlichen Leistungen werden diese gesondert dem Patienten /zusätzlich/ berechnet. In der Summe gibt es also sehr wohl mehr Geld für das Krankenhaus. Viele (nicht alle!) Versicherungsverträge bei privaten Krankenversicherungen beinhalten diese Leistungen, so dass sie von der Versicherung übernommen werden. Es gibt jedoch auch immer mehr "normal" also gesetzlich versicherte Patienten, die eine Zusatzversicherung über diese Leistungen abschließen.
PolitPiratNRW schrieb:
Geld für Investionen und Instandhaltung der Gebäudeinfrastuktur oder gar Modernsierung ist so nicht zu erwirtschaften. Etwas Linderung kann dadurch ermöglicht werden, wenn Chefärzte ihr Treiben unterlassen, damit die Einnahmemöglichkeit über Privatpatienten vollständig den Krankenhäusern zufällt.
Die Chefärzte müssen je nach Vertrag entweder einen Teil der Einnahmen aus der ärztlichen Wahlleistung an das Krankenhaus abführen oder das Krankenhaus rechnet diese Leistungen sowieso selbst ab und die Chefärzte bekommen davon etwas ab. Nochmal: Das betrifft nur die zusäztlich berechnete ärztliche Leistung, die Krankenhausleistung an sich wird genau so wie bei allen anderen Patienten vom Krankenhaus berechnet, damit hat der Chefarzt gar nichts zu tun. Im Übrigen wird ein Teil der Einnahmen aus den ärzltichen Wahlleistungen auch an die ärztliche Mitarbeiter verteilt (sog. Pool), in manchen Bundesländern ist dies sogar gesetzlich geregelt.
PolitPiratNRW schrieb:
Deshalb gehen die Länder und Städte als (Mit-)Eigentümer hin, und übernehmen die Gebäudesanierungskosten oder Gebäudeinstandhaltung oder gar für Neubauten (falls Geld dafür da ist). Das ist rechtlich völlig in Ordnung (falls es nicht als Subvention ausgelegt wird).
In Deuschland ist die Klinikfinanzierung im Krankenhausfinanzierungsgesetz als sogenanntes "duales" System geregelt. Bertriebskosten werden über Erlöse für die Behandlung finanziert, Investitionen über das Land. Bei den Investitionen gibt es einmal eine Pauschalförderung (nach Anzahl der Fälle oder Betten) und eine Förderung im Rahmen eines antragsbasierten Investitionsprogramms. Im Übrigen findet diese Förderung über das Bundesland nicht nur für Krankenhäuser öffentlicher Träger, sondern auch für die der privaten Träger statt. Die Voraussetzung ist, dass das Krankenhaus im Krankenhausplan des Landes aufgenommen ist.
Geisterfalle schrieb:
Hast Du eine Quelle wieviel Geld aus der dualen Finanzierung Kliniken
von Helios und Rhön jährlich erhalten? Habe mal 10 Minuten investiert,
aber leider nichts gefunden.
Die Geschäftsberichte von Helios und Rhön und übrigens auch den meisten anderen Krankenhäusern sind im Internet zu finden. Dort findet sich auch ziemlich eindeutig die Beträge der Fördermittel, weil diese nach der Krankenhausbuchführungsverordnung auszuweisen sind.
Ich bin auch kein Freund der privaten Klinikketten, insbesondere weil es natürlich deren Ziel ist, Gewinne und Dividenden zu erwirtschaften. Leider haben die Bundesländer teilweise (es gibt zwichen den Ländern große Unterschiede) die Investitionsförderung der Krankenhäuser im mehr zurückgefahren. Deshalb müssen die Krankenhäuser sich immer auch Investitionen mit "Eigenmitteln" durchführten, die natürlich aus den anderen Erlösen erwirtschaftet werden müssen. Und große Konzerne haben gegenüber kleinen öffentlichen Krankenhäusern oft den Vorteil, dass sie mal eben ganz viel Geld investieren können, auch ohne Zusage vom Land. Damit kann die Infrastruktur auf Vordermann gebracht werden, dadurch wird einerseits ein Wettbewerbsvorteil gegen über den Patienten erreicht (alles schön neu) und es kann evtl. effizienter gearbeitet werden. Soweit jedenfalls die Theorie. Natürlich erwarten die Konzerne, dass die Investitionen plus eine Rendite wieder erwirtschaftet werden. Wenn öffentliche Krankenhäuser Gewinn machen (der meist allerdings nur marginal ist), dann kann der in der Regel wieder in die Krankenversorgung investiert werden, es sei denn, die Politiker des Trägers (Kommune) haben Begehrlichkeiten. Es ist übrigens zumindest von mir so gefühlt, dass es vor allem den öffentlichen Krankenhäusern schlecht geht, die Gegenstand der politischen Auseinandersetzung im jeweilgen Träger sind (Auch dafür gibt es viele Beispiele unter http://www.kliniksterben.de)
Wenn wir als Piraten eine gesundheitspolitische Position entwickeln wollen, dann halte ich es für sinnvoll, gute Bedingungen und Anreize für die Strukturen zu schaffen, die wir haben wollen.
Ich wünsche noch einen schönen Tag,
- Re: [AG-Gesundheit] Krankenhausfinanzierung, DRMPG, 08.05.2012
- Re: [AG-Gesundheit] Krankenhausfinanzierung, Birger Haarbrandt, 08.05.2012
- <Mögliche Wiederholung(en)>
- Re: [AG-Gesundheit] Krankenhausfinanzierung, DRMPG, 08.05.2012
- Re: [AG-Gesundheit] Krankenhausfinanzierung, DRMPG, 09.05.2012
- Re: [AG-Gesundheit] Krankenhausfinanzierung, DRMPG, 09.05.2012
- Re: [AG-Gesundheit] Krankenhausfinanzierung, DRMPG, 09.05.2012
- Re: [AG-Gesundheit] Krankenhausfinanzierung, Reisch, 10.05.2012
- Re: [AG-Gesundheit] Krankenhausfinanzierung, Martin Waelsch, 11.05.2012
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