Zum Inhalt springen.
Sympa Menü

ag-gesundheitswesen - Re: [AG-Gesundheit] Der Irrweg der Deutschen Psychosomatik

ag-gesundheitswesen AT lists.piratenpartei.de

Betreff: AG Gesundheit

Listenarchiv

Re: [AG-Gesundheit] Der Irrweg der Deutschen Psychosomatik


Chronologisch Thread 
  • From: Sepultura <Sepultura AT news.piratenpartei.de>
  • To: ag-gesundheitswesen AT lists.piratenpartei.de
  • Subject: Re: [AG-Gesundheit] Der Irrweg der Deutschen Psychosomatik
  • Date: Tue, 01 May 2012 17:31:35 +0000
  • List-archive: <https://service.piratenpartei.de/pipermail/ag-gesundheitswesen>
  • List-id: AG Gesundheit <ag-gesundheitswesen.lists.piratenpartei.de>
  • Organization: Newsserver der Piratenpartei Deutschland - Infos siehe: http://wiki.piratenpartei.de/Syncom/Newsserver


Martin E. Waelsch schrieb:
Die Psychosomatik ist in der Inneren Medizin entstanden. Angefangen im Ulm glaube ich. Es ging darum, den Erkrankungen, die entweder aus psychischen Ursachen im somatischen Bereich entstanden sind, oder somatische Erkrankungen mit psychischen Störungen ergänzt/verschlimmert worden sind, gerecht zu werden. Eigentlich ein guter Ansatz, der die Kompetenzen der Internisten erweitern und die einseitige Sicht auf Erkrankungen beseitigen sollte.
Ging ja eine ganze Zeit ganz gut, bis Psychotherapeuten meinten, Psychosomatik für den Fach Psychotherapie okkupieren zu müssen.
Mittlerweile sind solche Blüten daraus entstanden, dass Deutschland das einzige Land ist, dass sich das Fach Psychosomatische Medizin meint, leisten zu müssen. Hat mit der Problematik an sich nichts zu tun, sondern ist Reinewegs eine Machtkampfpolitik innerhalb der Ärzteverbände, eine Auswirkung der Zulassung von Psychologen zu Kassenärztlichen Versorgung usw. Im Zuge dieser Entwicklung scheint es wohl wichtig gewesen zu sein, mehr Felder in dem großen Bereich der psychiatrisch-psychotherapeutischen Behandlungen zu schaffen, damit es genug Kuchenstücke zum verteilen gibt.
An diesem deutschen Weg leidet natürlich die Entwicklung der Psychiatrie-Psychotherapie am meisten. Eigentlich ist es Unsinn, solche Trennungen zu machen, weil es vor allem der Psychiatrie schadet. Sie wird nicht nur durch Geldknappheit in der Versorgungsentwicklung behindert, sondern auch, in der ihr lange Zeit die Psychotherapeutische Kompetenz abgesprochen wurde.

Zum Glück ist es gelungen, an einem der Ärztetage den Facharzt für Psychiatrie und Psychotherapie zu installieren. Das ist zwar auch weltweit ungewöhnlich, weil sonst außerhalb vom unserem diesen Lande man selbstverständlich davon ausgeht, dass Psychiatrie von der Sache her psychotherapeutisch arbeitet, weil es von multifaktoriellen Genese der Erkrankungen gar nicht anders geht. Aber innerhalb der deutschen Entwicklung war das sicher die richtige Antwort auf Abspaltungs- und Manipulationsversuche der verschiedenen Verbände mit dem Ziel, Psychiatrie zu reinen Medikamenten-Disziplin eingrenzen zu wollen. Das ist zum Glück nicht gelungen, aber es gibt immer noch Bestrebungen, Psychiatrie einzugrenzen.

Die neuesten Auswüchse dieser Strategie ist die Einführung der OPS (Pauschale) in die Psychiatrie (seit 2010 in Erprobung), die ab 2013 / 2016 dann für die Psychiatrie als Abrechnungsgrundlage gelten sollen (Analog der DRGs) für die Somatik, die bereits seit Jahren die Krankenhausversorgung exorbitant Verteuern und verschlechtern.

In der Psychiatrie haben wir die Personalberechnung nach Psych-PV (Personalverordnung Psychiatrie), nach der sich genau berechnen lässt, wie viel Personal in den verschiedenen therapeutischen Berufsgruppen erforderlich ist. Anstatt diese Berechnungsmethode auch auf die Somatik umzuwandeln und einzuführen, wird weiter mit DRGs Reibach gemacht und die Psychiatrie soll damit auch noch schlechter gemacht werden.

Es war immer ein erklärter Wille von allen Beteiligten, dass Pauschale für die Psychiatrie nicht in Frage kommen, bis sich ein paar Spezialisten aus den psychosomatischen Kliniken mit diesem Thema in Vordergrund gedrängt haben - vor allem wohl aus dem Grund, weil es evtl. für die Psychosomatischen Kliniken von Vorteil sein kann, nach Pauschalen abzurechnen, weil sie eh schon pauschal behandeln. Und die Psychosomatischen Kliniken konnten die Psych-PV nie vollends ausschöpfen, weil sie keine Pflichtversorgung betreiben.

Nach 33 Jahren Arbeit in der Psychiatrie-Psychotherapie muss ich feststellen, dass neben den guten Entwicklungen nach der Psychiatrie Enquete viel Unsinn aus wirtschaftlichen Überlegungen zur Zersplitterung der Versorgung geführt hat.

Ich nehme an, dass es sich in der Zukunft wieder einpendeln wird und dass wir hoffentlich nur einen Facharzt haben werden - den für Psychiatrie (meinetwegen kann man den in Deutschland auch Psychiatrie-Psychotherapie nennen), wichtig ist, dass die Ausbildung und die erworbenen Kompetenzen die Problemkreise abdecken. Ich würde den FA vereinheitlichen und von 5 auf 6 Jahre erweitern, damit die Ausbildung und die erforderliche Trainings und Selbsterfahrungen auch geleistet werden können.
Ja: und dass sich die Klinikgesellschaften die Auswüchse der Mediziner und Psychologen zunutze machen erscheint mir ja naheliegend. Warum sollten sie die Spaltungen wirtschaftlich nicht nutzen, wenn sie die auf den Silbertablett serviert bekommen.

Dr. M. E. Waelsch

Er hat mich verstanden! So habe ich es gemeint. Scheinbar gibt es in Deutschland wenigstens Leute die mich verstehen!



  • Re: [AG-Gesundheit] Der Irrweg der Deutschen Psychosomatik, Sepultura, 01.05.2012

Archiv bereitgestellt durch MHonArc 2.6.19.

Seitenanfang