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Betreff: AG Gesundheit
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- From: syna <syna AT news.piratenpartei.de>
- To: ag-gesundheitswesen AT lists.piratenpartei.de
- Subject: Re: [AG-Gesundheit] nicht nur PKV GKV?!?!
- Date: Tue, 05 Jul 2011 00:59:06 +0000
- List-archive: <https://service.piratenpartei.de/pipermail/ag-gesundheitswesen>
- List-id: AG Gesundheit <ag-gesundheitswesen.lists.piratenpartei.de>
- Organization: Newsserver der Piratenpartei Deutschland - Infos siehe: http://wiki.piratenpartei.de/Syncom/Newsserver
mb schrieb:
> Ich möchte auch mal 3 grundsätzlich Fragen in die Diskussion
> einbringen:
>
> Wo soll Solidarität stattfinden?
>
> - es ist unumstritten, dass wohlhabende Menschen mehr zu unserem
> Staatssystem zusteuern müssen
Nun, da haben wir vollen Konsens!
mb schrieb:
> - aber muss diese Solidarität unbedingt durch das
> Krankenversicherungssystem gelöst werden? - mit der Folge diverser
> Beitragsungerechtigkeiten. Oder wäre es nicht besser, die Solidarität
> der KV durch das Steuersystem auszugleichen (dann wohl mit
> Steuererhöhung)
Eine interessante Frage.
Um Bürokratie und ständige Hin- und Her-Überweisungen zu vermeiden,
bietet es sich an, Zahlungen des Bürgers - ob Steuern oder Beiträge zu
Sozialversicherungssystemen - solidarisch zu gestalten. Denn der
Mehraufwand wäre groß, wenn alle ersteinmal in eine (rein
privatwirtschaftlich organisierte) Versicherung einzahlen müssten - und
dann in einem zweiten Schritt - nach Prüfung von Einkommen - ein
Ausgleich durch das Finanzamt oder eine weitere Stelle (Bürokratie!)
geschaffen werden sollte. Für Rentner und Geringverdiener wäre dies
auch
gar nicht machbar, weil die die Vorleistung zur Zahlung in eine PKV
meistens schon gar nicht stemmen können.
Was Du hier auch anklingen lässt, ist die * gänzliche
Steuerfinanzierung* .
Wenn man nämlich sagt "Wir finanzieren unser Gesundheitssystem
vollständig durch Steuern" - nach englischem Vorbild, dann wäre das
vielleicht eine elegante, schlanke Lösung. Könnte ich mir gut
vorstellen -
wobei man sicher einige Details der Gesundheitsversorgung selbst anders
regeln müsste.
mb schrieb:
> - ist es selbstverständlich, dass es eine Solidarität zwischen jungen
> Gesunden und alten Kranken gibt? Es gibt durchaus zahlreiche recht gut
> verdienende Rentner und Pensionäre. Wäre es wirklich unsolidarisch,
> von denen (wie in der PKV) höhere Beiträge zu verlangen?
> - heißt Solidarität, dass auch die Ehefrau oder Kinder eines
> Generaldirektors kostenlos in der GKV versichert sein dürfen (wie
> heute)?
Wenn alle in der GKV wären, dann natürlich auch die Ehefrau des
Generaldirektors. Der Generaldirektor würde dann aber so viel in die GKV
einzahlen, dass er mit vielen vielen solidarisch wäre ... das ginge
schon.
Oder wenn das Gesundheitssystem rein steuerfinanziert wäre (Dein
anklingender Vorschlag!), auch dann würde der Generaldirektor
entsprechend seines Gehaltes an der Finanzierung beteiligt sein - und
seine Frau wäre selbstverständlich "mitversichert".
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Michaela, Du bist wahrscheinlich selbst PKV-Versichert - und - wie ich
oben schon darstellte - eine Abschaffung der PKV bedeutet natürlich,
dass
erworbene Rechte beibehalten werden, dass die PKV nur für neu zu
Versichernde nicht mehr zur Verfügung steht. "Abschaffung der PKV" hört
sich schroff an - gemeint ist aber ein stetiger, rechtssicherer Weg, bei
dem keiner Verlierer sein soll.
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Was man sich immer vor Augen halten sollte: Auch unter
volkswirtschaftlich ökonomischer Perspektive ist die PKV eine schlechte
Wahl:
2004 kostete ein Vertragsabschluss in der Privaten Krankenversicherung
3946 Euro, verglichen mit nur 17 Euro bei der Gesetzlichen
Krankenversicherung. Das liegt natürlich an der Provision, die erst
einmal
von den Vermittlern der PKV eingestrichen wird.
Quelle: Klever-Deichert, G., Gerber, A., Lüngen, M.: Kapitaldeckung und
Vertragsabschlusskosten der Privaten Krankenversicherung in Deutschland.
Studien zu Gesundheit, Medizin und Gesellschaft 2006; Köln: Ausgabe
02/2006 vom 05.04.2006.
Zwischen 1985 und 2001 haben sich die Kosten in der Privaten
Krankenversicherung je Vollversichertem um 122,1 % erhöht, in der
gesetzlichen Krankenversicherung dagegen nur um 67%.
Quelle: Institut für Wirtschaft und Soziales (WISO) 2005: Strukturen
und
Kostensteuerungsmechanismen im deutschen Gesundheitssystem:
Gutachten von H. Berie, G. Braeske, U. Fink und I. Völker.
Es stiegen die Ausgaben je Mitglied der PKV von 1992 bis 2001 um rund
43%. In der GKV waren dies im gleichen Zeitraum 30%.
Quelle: Siehe Antwort der Bundesregierung auf die Anfrage 49 des MDB
Horst Seehofer zur Ausgabenentwicklung der letzten 10 Jahre in GKV und
PKV und die daraus resultierenden Beitragsentwicklungen, Deutscher
Bundestag, 15. Wahlperiode Drucksache 15/1859, 31.10.2003
Deshalb: Auch unter rein ökonomischen Gesichtspunkten ist die PKV ein
eher fragwürdiges Konstrukt. Nicht umsonst haben die USA mit die
höchsten Gesundheitskosten - aber nicht die gesündeste Bevölkerung.
- Re: [AG-Gesundheit] nicht nur PKV GKV?!?!, syna, 05.07.2011
- <Mögliche Wiederholung(en)>
- Re: [AG-Gesundheit] nicht nur PKV GKV?!?!, syna, 05.07.2011
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