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ag-geldordnung-und-finanzpolitik - Re: [AG-GOuFP] Zahlung von Banken

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Re: [AG-GOuFP] Zahlung von Banken


Chronologisch Thread 
  • From: Moneymind <moneymind AT gmx.de>
  • To: Rudolf Müller <muellerrudolf AT on22.de>, AG AG-Geld <AG-Geldordnung-und-Finanzpolitik AT lists.piratenpartei.de>
  • Subject: Re: [AG-GOuFP] Zahlung von Banken
  • Date: Mon, 29 May 2017 22:21:24 +0200


Hallo Rudolf,


Am 29.05.2017 um 16:36 schrieb Rudolf Müller:

Hallo Wolfgang,

nachdem ich einige ältere Mails nochmals durchgesehen habe musste ich feststellen, dass wir uns zu einem strittigen Punkt in unseren Argumenten zum Teil wiederholen. Da es nicht sinnvoll erscheint, auf unterschiedlichen Grundlagen eine Diskussion weiterzuführen, wäre eine Klärung des grundlegenden Sachverhaltes sicher zielführender. Ich beschränke mich deshalb hier auf den Punkt des

„Erwerbs und der Bezahlung von Aktiva durch Banken mittels Gutschrift auf dem Girokonto“.

Bezug:
Deine Mail vom 08.05.2016 10:31 und eine von mir vom 14.05.2017 18:07
Die letzte Mail von mir war dann Anlass für den Schwenk zu den Korrespondenzbankbeziehungen und deren Gewicht im heutigen Bankwesen, sodass das ursprüngliche Thema untergegangen ist. Deshalb komme ich nochmals auf die Zahlung von Banken zurück.

In Deiner Mail vom 08.05.2016 10:31 antworteste Du auf meine Aussage:

Als Bezahlung erhöht die Bank dem Zahlungsempfänger dessen Eintrag auf dem Bankkonto. Wolfgang:
Ich glaube, hier liegt das Mißverständnis. Dadurch, daß die Bank dem Kunden den Betrag gutschreibt, hat sie eben gerade nicht "bezahlt". Die Definition von Bezahlung ist ja, daß sie ein Schuldverhältnis endgültig auflöst. Hier besteht es aber ja gerade noch.

Deswegen habe ich davon geredet, daß die Bank den PC auf Kredit kauft, um die Gemeinsamkeiten mit z.B. einem Lieferantenkredit von Nichtbank an Nichtbank hervorzuheben. Wenn ich Dir den PC abkaufe und sagt, "zahle ich später", buche ich ein Verbindlichkeit Dir gegenüber ein. Aber das Schuldverhältnis zwischen uns besteht noch, der Kaufvertrag wurde noch nicht vollständig erfüllt. Analog, wenn die Bank Dir deinen PC abkauft.
Eine Begründung, der man leicht folgen kann und die auch auf den ersten Blick absolut logisch erscheint. Der Vergleich zwischen dem Kauf des PC durch eine Bank und dem Kauf durch eine Nichtbank vernachlässigt jedoch das besondere Privileg einer Bank, das Einlagengeschäft. Ja, stimmt. Worin besteht der Unterschied? 

  1. Kauft eine Nichtbank eine Ware auf Ziel, bucht sie aktiv + Ware, passiv + Verbindlichkeit (definierter zukünftiger Fälligkeitstermin, z.B. Zahlungsziel 30 Tage nach Rechnungserhalt).
  2. Kauft eine Bank eine Ware von einem ihrer Kunden, der ein Konto bei ihr führt, und schreibt diesem den Kaufpreis auf seinem Konto gut, bucht sie aktiv + Ware, passiv + Sichtverbindlichkeit (Fälligkeitstermin: JEDERZEIT, d.h. vom Kontoinhaber in einem Extremfall sofort und im anderen Extremfall niemals zur Auszahlung abgefordert). 

Dies heißt lediglich, daß der konkrete Fälligkeitstermin vom Kontoinhaber bestimmt und entschieden werden kann, nicht aber wie von Dir unterstellt, daß bereits eine endgültige Zahlung stattgefunden hätte.  Dieser Schein entsteht nur, solange der Kontoinhaber sein Guthaben weder auszahlen läßt oder auf ein Konto eines Dritten (oder auch ein eigenes) bei einer anderen Bank überträgt. 


Beides in der von Dir vorgenommenen Art zu vermischen führt zu einem Fehlschluss.

Ich kaufe Dir einen PC ab und erhalte von Dir eine Rechnung mit Angabe Deiner Girokontonummer. Ich bezahle den PC, indem ich Dir den Kaufpreis auf Dein Girokonto überweise. Du besitzt jetzt eine zusätzliche Forderung an Deine Bank in Höhe des Verkaufspreises des PCs. Der Kaufvertrag wurde vollständig erfüllt.
Meine Forderung an Dich aus deinem PC-Kauf hast Du damit endgültig erfüllt.   Meine Bank ist aber mir gegenüber weiterhin verpflichtet, mir dieses Guthaben jederzeit auszuzahlen oder auf andere Konten bei anderen Banken zu übertragen. Dieses Verpflichtungsverhältnis zwischen der Bank und mir ist von dem Kaufvertrag zwischen Dir und mir unabhängig. Es entsteht per Kontoführungsvertrag. 

Jetzt kauft die Bank Dir einen PC ab. Auch dieser schreibst Du eine Rechnung mit Angabe Deiner Girokontonummer. Die Bank bezahlt, indem sie Dir den Rechnungsbetrag auf deinem Girokontonummer gutschreibt. Du besitzt jetzt eine zusätzliche Forderung an die Bank, genauso wie bei dem vorgenannten Verkauf des PCs an mich.

Mit der Angabe der Girokontonummer auf Deiner Rechnung hast Du Dich gegenüber mir wie auch gegenüber der Bank einverstanden erklärt, dass die Zahlung des Kaufpreises unbar erfolgt. Die Erhöhung Deines Girokontos erfüllt in beiden Fällen den Kaufvertrag. 
Richtig, aber die Gutschrift der Bank bedeutet, daß ich diese Sichtforderung ihr gegenüber jederzeit abfordern kann.  Wie gesagt, diese Verpflichtung der Bank ergibt sich nicht aus dem Kaufvertrag, sondern aus meinem Kontoführungsvertrag mit dieser. 

An die Bank hast Du in beiden Fällen eine täglich fällige Forderung. Es handelt sich dabei um eine Geldschuld. Grundsätzlich kann eine Geldschuld durch "Bargeld", das einzige gesetzliche Zahlungsmittel, getilgt werden. Du kannst von Deiner Bank verlangen, dass diese Dir Dein Bankguthaben bar auszahlt.
Genau.

Auch wenn Du mit der Bank einen Kreditvertrag abschließt, erfüllt die Bank ihren Teil des Vertrages, wenn sie Dir Dein Bankguthaben entsprechend erhöht. Dir wird ein Geldbetrag zur Verfügung gestellt.
§ 488 BGB "Durch den Darlehensvertrag wird der Darlehensgeber verpflichtet, dem Darlehensnehmer einen Geldbetrag in der vereinbarten Höhe zur Verfügung zu stellen."
Deiner Sichtweise nach müsste beim gesamten Giralgeld von noch nicht erfüllten Leistungen des Bankensystems gesprochen werden? Natürlich, was sind Sichtverbindlichkeiten denn sonst? Es sind jederzeit fällige Forderungen der Bankgläubiger, die in den Extremfällen sofort oder auch niemals vom Gläubiger fällig gestellt werden können.  Wieso würden diese sonst Sichtverbindlichkeiten heißen? 

Genau diese schaffen doch für die Bank ein Liquiditätsrisiko, das weitaus unkalkulierbarer ist als das Liquiditätsrisiko von Rechtssubjekten, die eben keine jederzeit fälligen Sichtverbindlichkeiten  (mit nicht vorhersehbarem Fälligkeitstermin), sondern nur genau Verbindlichkeiten mit genau definierten Fälligkeitsterminen haben. Im letzteren Fall ist Liquiditätsplanung natürlich einfacher, und die goldene Finanzierungsregel der Fristenkongruenz kann angewandt werden.  Bei Rechtssubjekten, die jederzeit fällige Sichtverbindlichkeiten haben, eben nicht, weil hier bestenfalls Erfahrungswerte gebildet werden können, aber natürlich die Fristen von den Kunden je nach Situation variiert werden (Extremfall: Bank Run, Bankenkrise - dann fordern eben alle Kunden SOFORT ab, weil sie die erwarten, daß die Zahlungsfähigkeit und Solvenz der Banken sich in Kürze enorm verschlechtern wird).

Dies nur auf die Bezahlung des Kaufes eines Aktivums zu beschränken vernachlässigt den weitaus größeren Anteil des Giralgeldes, welches durch Kredite der Banken entstanden ist.
Das war natürlich nur ein Beispiel.  Auch wenn Banken Darlehen vergeben, buchen sie aktiv + Forderung (definierter zukünftiger Fälligkeitstermin), passiv + Sichtverbindlichkeit.  Ganz ähnlich wie wenn eine Nichtbank z.B. einer Bank eine Staatsanleihe auf Kredit abkauft.  Die Nichtbank bucht dann aktiv + Staatsanleihe, passiv + Verbindlichkeit ggü. Bank (definierter Fälligkeitstermin).  In other words, beidesmal - sofern man vom Zins absieht - buchhalterisch gesehen erfolgs- und geldvermögensneutrale reine Finanztransaktionen.

ME hat die einzelne Bank ihre Zahlungsverpflichtungen aus dem Kauf von Aktiva und aus den Kreditverträgen mit der Zurverfügungstellung von Bankguthaben erfüllt.
Nicht erfüllt sind damit jedoch die Verpflichtungen der Bank aus dem Kontoführungsvertrag mit dem Bankkunden. Der Bankkunde kann sich sein Bankguthaben bar auszahlen lassen oder es für Überweisungen benutzen. Eben.
Es macht an dieser Stelle Sinn, den Bankensektor und den Nichtbankensektor gesamt zu betrachten, da die Untersuchung einzelner Vorgänge leicht zu Fehlschlüssen führt.

Die Giralgeldbestände von Nichtbanken, Größenordnung 1,1 Billionen € in Deutschland, stellen in Summe einen ewigen Kredit der Nichtbanken an die Banken dar.
Wieso ewig? Wann diese abgefordert werden, bestimmen die Kunden, und das kann im Extremfall Bank Run auch "sofort" sein.  Du unterstellst den anderen Extremfall als generellen Fall, das ist ein Denkfehler.   Welcher Extremfall eintritt, hängt von näher anzugebenden Bedingungen ab, nämlich den Erwartungen der Sichtguthabenhalter in Bezug auf Liquidität und Solvenz ihrer Bank bzw. des Bankensystems.  Die wiederum hängt ab von der Geldpolitik der ZB. Genau die blendest Du permanent aus.  Die aber ist v.a. deswegen ultra-expansiv, weil die Fiskalpolitik ultra-restriktiv ist - das monetaristische Regime.  Doch auch das Verhältnis Geld- und Fiskalpolitik blendest Du aus. 

Für das Giralgeld zahlen die Banken keine Zinsen. Nach Basel III sind die Banken lediglich verpflichtet, 5 % dieser Summe an liquiden Mitteln vorzuhalten. Ein ewiger zinsloser Kredit bedeutet hier, dass die Banken damit kalkulieren können, 95 % des Kredites "nie" zurückzahlen zu müssen. Darauf SPEKULIEREN sie, und werden vom derzeitigen Geld- und fiskalpolit. Regime darin bestärkt.  Das stärkt ihre Macht.  War in den 50er und 60er Jahren anders, auch das blendest du mit Deiner unhistor. Sichtweise aus. 
Das "nie" muss aber gleich wieder eingeschränkt werden. Zurückgezahlt muss werden wenn die Bank abgewickelt wird, falls dann noch Vermögenswerte für die Rückzahlung vorhanden sind. Dieser Vorgang gehört jedoch nicht zu den normalen Geschäftsabläufen in einer Bank sondern ist eine Sondererscheinung und wird entsprechend nicht berücksichtigt.
Rein juristisch bleibt bei einem ewigen Kredit die Kreditschuld bestehen. Faktisch wirkt sich der ewige Kredit für die Bank wie eine Dauerleihgabe der Nichtbanken an die Banken aus. Dass aus dieser Dauerleihgabe die Banken aber entsprechende Gewinne realisieren können, bezweifle ich. Weitere Gedanken zum "ewigen Kredit" folgen noch in einer separaten Mail.
Wie gesagt, Du verallgemeinerst einen Sonderfall - den Extremfall, daß Bankkunden nie über ihre Guthaben verfügen - zum allgemeinen Fall.  Das ist nicht nur eine falsche Verallgemeinerung, sondern du blendest damit auch die Bedingungen aus, die diesen (empirisch ja derzeit annähernd beobachtbaren) Extremfall ermöglichen. 
 
Der Anteil von 95 % Giralgeld wird auch als Bodensatz bezeichnet. Bänker sprechen dabei auch von Fristentransformation, ein Maß für die Geldschöpfung.
Nö. Fristentransformation heißt, die Bank erwirbt eine später fällige Forderung gegen Gutschrift einer jederzeit fälligen und geht dafür ein Liquiditätsrisiko ein, das sie sich mit einem Zins vergüten läßt.
Ein sofort fälliges Guthaben wird in ein "ewiges Guthaben" verwandelt???
S.o.

Grüße
Wolfgang

Schon wieder ist der Beitrag zu lang geworden
. Deshalb jetzt ein Schnitt.

Beste Grüße
Rudi Müller





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