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ag-geldordnung-und-finanzpolitik - [AG-GOuFP] Kredite ohne Sparer?

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Betreff: Kommunikationsmedium der bundesweiten AG Geldordnung und Finanzpolitik

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[AG-GOuFP] Kredite ohne Sparer?


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  • From: Peter Baum <p.baum AT posteo.de>
  • To: ag-geldordnung-und-finanzpolitik AT lists.piratenpartei.de, Arne Pfeilsticker <Arne.Pfeilsticker AT piratenpartei-hessen.de>
  • Subject: [AG-GOuFP] Kredite ohne Sparer?
  • Date: Sat, 18 Mar 2017 18:18:48 +0100

Hallo Arne,

ich habe mir jetzt erst Deinen Vortrag vom 2.5.2016 über "Kreditvergabe der Banken durch Geldschöpfung oder Kundeneinlagen?" angehört (https://www.youtube.com/watch?v=TM9i7kl6oIM).
Es ging dabei um Deine Stellungnahme zu der GLS Bank Studie von Julia Köhn "Kredite entstehen aus Einlagen".

Am Ende der Diskussion nach Deinem Vortrag sagtest Du mit Bezug auf die Buchungen bei der Kreditvergabe: "Ich würde gerne mal einen Realcheck machen".

Meine 1. Frage: Hat der inzwischen stattgefunden? Mit welchem Ergebnis?

Wir hatten uns auf dem Geldgipfel 2016 getroffen und waren uns einig darüber, dass Frau Köhn die Vorgänge bei der Kreditvergabe insofern nicht richtig dargestellt hat, als sehr wohl bei der Kreditvergabe im 1. Schritt eine Erhöhung der Geldmenge M1 stattfindet, die erst durch die Tilgung wieder verschwindet.

Ich kritisiere auch manche Formulierung der GLS Bank, wenn sie eine direkte Verknüpfung von Spareinlagen mit Krediten nahelegt.

Im Blog https://blog.gls.de/allgemein/wie-arbeitet-eigentlich-eine-bank/ heißt es:
...
Aufgabe der Bank ist es, diesen beiden Seiten der Bilanz in eine gute und wirtschaftlich nachhaltige Balance zu bringen. Sie stellt das Geld, das die Kundinnen und Kunden anlegen, den Menschen, die für die Umsetzung ihrer Ideen Kapital benötigen, in Form von Darlehen oder Krediten zur Verfügung. Damit nimmt sie die Funktion einer verbindenden Brücke oder eines Vermittlers wahr. Es geht um einen Ausgleich der Interessen der unterschiedlichen Kundengruppen sowie der Mitglieder der Bank. Aus der Perspektive der Bank sind dabei jedoch Kundeneinlagen nicht gleich Kundeneinlagen. Je nach Fristigkeit der Anlage sind sie für die Steuerung der Bank und für die Möglichkeit, neue Kredite zu vergeben, unterschiedlich „wertvoll“.
...
Der zweite Satz im Zitat fördert das Missverständnis, der Bankkredit würde genau so funktionieren wie ein Darlehen zwischen Nichtbanken, und das ist ja nicht der Fall.

Dennoch steckt m.E. in der Formulierung ein Körnchen Wahrheit, welches bei Deiner Darstellung unter den Tisch fällt.

Meine These ist: Die Bank ist sehr wohl zur Sicherung ihrer Liquidität auf die Kundeneinlagen, insbesondere die Spareinlagen angewiesen und kann daher nicht völlig unabhängig von den Kundeneinlagen Kredite schöpfen und vergeben.

Begründung:

Es gibt zwei täglich fließende Geldströme von Zentralbankgeld, die sich aus Überweisungen sowie Ein- und Auszahlungen von Bargeld der Bankkunden speisen: der eine geht in die Bank rein (Forderungen gegenüber anderen Banken) und der andere geht aus der Bank raus (Verbindlichkeiten gegenüber anderen Banken).

Der in die Bank rein fließende Geldstrom wird zu Kundeneinlagen (Beispiel: Gehaltszahlungen), er generiert auf der Passivseite der Bankbilanz Verbindlichkeiten gegenüber Kunden und erhöht auf der Aktivseite die Liquidität. Wenn ein Kunde bei seiner Bank einen Sparbrief erwirbt, verwandelt er täglich fällige Verbindlichkeit in langfristige Verbindlichkeit. Den dem Sparbrief entsprechenden Posten auf der Aktivseite kann die Bank nun für den Geldstrom verwenden, der aus der Bank raus fließt und in dem irgendwann auch die zuvor geschöpften Kreditbeträge enthalten sind.

Daher betreibt die Bank das aufwändige Geschäft der Fristentransformation: Sie muss sicher stellen, dass sie ihre Verbindlichkeiten auch erfüllen kann. Das könnte sie gewiss nicht, wenn sie Kredite in beliebiger Menge und Höhe schöpfen würde. Sie käme dann in eine Schieflage, die auch ihre Kreditwürdigkeit im Interbankenverkehr in Frage stellen würde.

Die Interbankenkredite dienen m.E. in erster Linie dazu, die Schwankungen dieser beiden Geldströme, die ja von den Kunden generiert werden und daher nur im statistischen Mittel ungefähr vorhersehbar sind, aufzufangen. Ein Interbankenkredit unterliegt sicherlich auch einer Kreditlinie, wird also nicht in jeder Höhe gewährt.

Würden viele Kunden ihre Spargelder kündigen, so hätte das m.E. auch Auswirkungen auf die Kreditpolitik der Bank, was nicht der Fall zu sein bräuchte, wenn die Kreditvergabe mit den Spargeldern der Kunden gar nichts zu tun hätte.

So gesehen dienen Kunden nicht nur der Verteidigung des Geldterritoriums der Bank sondern auch - mit ihren Spargeldern - der Sicherung der Kreditschöpfung.

Meine 2. Frage: Würdest Du dieser Ansicht zustimmen? Wenn nicht, was ist in meiner Betrachtung nicht stimmig?

Meine 3. Frage: Weißt Du, was inzwischen aus der Studie von Frau Köhn geworden ist? Wird sie von der GLS Bank offiziell vertreten?

Mit bestem Gruß

Peter





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