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Betreff: Kommunikationsmedium der bundesweiten AG Geldordnung und Finanzpolitik
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- Subject: [AG-GOuFP] Gerechtes Geld? Teil 5
- Date: Sun, 1 Nov 2015 10:50:39 +0100
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Gerechtes Geld?
7.3.) Geld ohne Mehrwert
Werden die Durchhaltekosten auf Liquidität so dosiert, dass sie die
durchschnittlichen Liquiditätsvorteile aufzehren, dann hat das Geld
für diejenigen, die es übrighaben, keinen “Mehrwert” mehr. Kredite
müssen dann zwar nach wie vor zurückgezahlt werden, aber sie
verursachen nicht mehr wie bisher erdrückende Kreditkosten. Statt
der Kreditkosten trägt der Kreditnehmer freilich, sobald er das
geliehene Geld in der Kasse hat, Durchhaltekosten, so dass er sich
hüten wird, mehr zu leihen, als er wirklich braucht. Trotz der
Tatsache, das Kredit dann ungefähr zum Nulltarif zu haben ist, wird
die Nachfrage nach Kredit nicht ins unendliche wachsen: Man
nimmt bzw. erhält normalerweise nicht mehr Kredit, als man
zurückzahlen kann. Steigt die Kreditsumme, steigen die Risiken des
Verleihers, und die Risikoprämie verschwindet durchaus nicht. Kauft
man sich auf Kredit einen Palast und eine Segelyacht, so
verursachen diese Luxusgegenstände Durchhaltekosten, die der Lust
Grenzen setzen, sich auf Kredit mit kostspieligem Luxus zu umgeben.
Das gerechte Geld ist ein Geld ohne Mehrwert. Was aber tut der
Anleger, wenn er den Mehrwert nicht mehr einstreichen kann? Nun:
Er kann sein Geld verleihen wie bisher und erhält es nach Ablauf der
Darlehensfrist ohne Verlust, aber auch ohne Zins zurück. Möchte er
Gewinn, so mag er sich einen jungen Unternehmer suchen, der
Risikokapital braucht und bei dem er “auf Gewinn” setzt, weil er ihm
etwas zutraut. Dann freilich trägt er ein Risiko, das ihm auch
Verluste
einbringen kann, das aber zugleich die volkswirtschaftliche
Legitimation für seinen etwaigen Gewinn liefert. Oder er mag sich
auf den anderen Märkten umsehen und Nachfrage halten nach
Produkten, die wegen der verwendeten Materialien und der auf sie
verausgabten Arbeit nicht nur wertvoll und wertbeständig sind,
sondern sogar eine Wertsteigerung erwarten lassen.
Jeder mag sich selber ausmalen, welche Nachfrageverschiebungen
ein Geld ohne Mehrwert mit sich bringt und welche Veränderungen
im Gemeinwesen das sonst noch zur Folge haben mag, wenn die
Wohlhabenden Nachfrage nach wertvollen Produkten halten, die
ihnen durch Werterhaltung und Wertzuwachs einen Ersatz für das
bieten, was Geldanlagen nicht mehr erbringen: als Ersatz für den
Mehrwert. Sie müssen dann in Dinge investieren, von denen sie
erwarten können, dass ihre sozio-ökonomische und kulturelle
Wertschätzung, gemessen in Geld, möglichst beständig und
unabhängig von Moden und Trends zunimmt oder wenigstens
gleichbleibt.
8.) Zusammenfassung
Unstabile Währung wirkt ungerecht. Aber auch stabiles Geld zeitigt
ungerechte Wirkungen: Es ist um seine Rendite mehr wert für die
Wohlhabenden, die es übrig haben, als für die Ärmeren, die es zum
Leben brauchen. Infolgedessen sorgt die Geldordnung für eine
ständige, automatische Subventionierung und Alimentierung der
Wohlhabenden durch die ärmeren Konsumenten und Produzenten.
Außerdem ist das Geld ein parteilicher und unfairer Tauschmittler,
weil es auf dem Markt seinem Besitzer im Verhältnis zu den
Anbietern von Waren oder Arbeit ähnliche Vorteile bietet wie im
Kartenspiel der Joker, der alle anderen Karten vertreten kann. Die
Spuren dieser monetären Ungerechtigkeiten lassen sich in der
rechtlichen Ausformung wirtschaftspolitischer Institutionen
nachweisen, und zwar einerseits in Gestalt der Vorrechte des
Kapitals und andererseits in dem Bemühen der Gesetzgeber, die
wirtschaftlich Schwächeren vor eben diesen Vorteilen des Kapitals
zu schützen. Außerdem lassen sich die monetären Ungerechtigkeiten
ökonomisch deuten: Geld ist nicht, wie die Volkswirte regelmäßig
glauben, ein neutrales Tauschmittel; auch programmiert die
Geldordnung eine strukturelle Arbeitslosigkeit vor, und sie hat einen
pathologischen Wachstumszwang um der Vollbeschäftigung willen
zur Folge. Demgegenüber lassen sich Kriterien eine gerechten Geldes
formulieren, die sich weitgehend mit den Anforderungen decken, die
bei den Ökonomen für ein optimales Geld aufgestellt worden sind.
Dieses gerechte Geld ist auch realisierbar: Es gilt, den
Liquiditätsvorteil von Zahlungsmitteln mittels Durchhaltekosten auf
Kassenhaltung abzuschöpfen.
file:///C:/Users/User/Downloads/Dieter%20Suhr%20%E2%80%A0-%20Gerechtes%20Geld%20(4).pdf
Zum Autor: Prof. Dr. Dieter Suhr
https://de.wikipedia.org/wiki/Dieter_Suhr
Dieter Suhr war Jurist und Professor für öffentliches Recht. Er
promovierte 1966 an der Universität Hamburg mit einer Arbeit über
Eigentumsinstitut und Aktieneigentum. Er habilitierte sich 1973 mit:
“Bewusstseinsverfassung und Gesellschaftsverfassung – Über
Hegel und Karl Marx zu einer dialektischen Verfassungstheorie” an
der Freien Universität Berlin. Seit 1975 Professor für öffentliches
Recht, Rechtsphilosophie und Rechtsinformatik an der Universität
Augsburg. Forschungsschwerpunkte: Grundrechte, insbesondere
Eigentumsrecht sowie Umweltrecht. Ausgehend von
verfassungsrechtlichen Überlegungen zur Geld- und
Währungsordnung befasste er sich zuletzt auch mit der Geldtheorie
und legte hier vom wissenschaftlichen Mainstream abweichende
Vorschläge vor, die an den Geld- und Wirtschaftstheorien von
Pierre-Joseph Proudhon, Silvio Gesell und John Maynard Keynes
anknüpften.
LG Winnie
- [AG-GOuFP] Gerechtes Geld? Teil 5, Winrich Prenk, 01.11.2015
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