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ag-geldordnung-und-finanzpolitik - [AG-GOuFP] Diskussions-Runde: Varoufakis Vorschlag zur Lösung der 3 Krisen im Eurosystem

ag-geldordnung-und-finanzpolitik AT lists.piratenpartei.de

Betreff: Kommunikationsmedium der bundesweiten AG Geldordnung und Finanzpolitik

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[AG-GOuFP] Diskussions-Runde: Varoufakis Vorschlag zur Lösung der 3 Krisen im Eurosystem


Chronologisch Thread 
  • From: <hyazinthe AT emailn.de>
  • To: ag-geldordnung-und-finanzpolitik AT lists.piratenpartei.de
  • Subject: [AG-GOuFP] Diskussions-Runde: Varoufakis Vorschlag zur Lösung der 3 Krisen im Eurosystem
  • Date: Tue, 12 May 2015 21:27:28 +0200
  • List-archive: <https://service.piratenpartei.de/pipermail/ag-geldordnung-und-finanzpolitik>
  • List-id: Kommunikationsmedium der bundesweiten AG Geldordnung und Finanzpolitik <ag-geldordnung-und-finanzpolitik.lists.piratenpartei.de>

Grüßt euch,

die AG Geldordnung und Finanzpolitik und die AG MFT - entwickelt
Web-Infrastrukturen,
mit denen man besser diskutieren kann - haben sich vor 2 Wochen auf eine
experimentelle
Zusammenarbeit verständigt.

Diese Zusammenarbeit sieht so aus, dass die AG MFT Web-Infrastrukturen zum
besseren
Diskutieren bietet, und die AG Geldordnung und Finanzpolitik innerhalb dieser
Infrastrukturen
einen gewissen Inhalt diskutiert; nämlich den Varoufakis-Vorschlag zu den 3
Krisen im
Euroraum - der Klarheit halber hab' ich diesen Vorschlag an's Ende dieses
Diskussionsbeitrags gehängt.

Die AG MFT hat davon, dass Diskussionssystem-Entwürfe in ihrem Umfeld
praktisch
erprobt werden. Und die AG Geldordnung und Finanzpolitik hat davon, dass zu
diesem
aktuellen, kontroversen Thema "Krise im Euroraum" hoffentlich ein noch
besseres
Ergebnis zustande kommt, als sonst.

Was bislang geschehen ist, ist dass der Varoufakis-Vorschlag in 3
unterschiedliche
Diskussionssysteme von der AG MFT so gut wie's ihr möglich war eingearbeitet
wurde.

X-Tree-M: http://main.x-tree-m.bplaced.net/
X-Tree-M ist ein Diskussionssystem für offene Fragen; also Fragen, auf die
nicht mit
"ja" oder "nein" zu antworten ist, sondern mit Vorschlägen. An die Vorschläge
kann
man wiederum Pro- & Contra-Argumente oder anderes anbringen.
X-Tree-M ist sehr intuitiv und gliedert komplexe Diskussionen wort-sparsam in
Stichpunkte auf, die in einer Baum-Struktur zu einander angeordnet sind.
Man muss sich nicht registrieren, kann also sofort loslegen, und ist anonym.
Jede Person kann komplett alles in diesem Diskussionssystem bearbeiten;
dadurch
können Meinungsumschwünge im Verlaufe von Erkenntnisgewinnen sehr schnell und
flexibel im Diskussionssystem abgebildet werden. Bewertungen sind nicht
möglich.
Eingaben und Änderungen kann man über die Menü-Leiste oben links tätigen.


Q-Konsens: http://qk.demokratisch-praktisch-gut.de/#{%22kokiId%22:524}
Q-Konsens schlüsselt einen Text in Kernaussagen auf, die daraufhin dann
einzelnd
durchdiskutiert werden können. Man kann bewerten, Argumente und sonstige
Kommentare anbringen. Q-Konsens hilft beim Erarbeiten von Dokumenten und
ausarbeiten, welche Teile eines Diskussionsstands strittig sind und welche
nicht.

Discuto: https://www.discuto.io/en/consultation/9158?page=1
Discuto schlüsselt einen Text in Abschnitte auf und funktioniert ansonsten
ähnlich wie
der Q-Konsens. Es ist grafisch mehr ausgearbeitet und es verwendet ein
simpleres
Bewertungssystem.


Alle Personen im Umfeld der AG Geldordnung und Finanzpolitik sind gebeten,
von heute an - 12.05.2015 -
die kommenden 2 Wochen den Varoufakis-Vorschlag in den 3 Infrastrukturen
weiterzudiskutieren - nicht hier auf der Sync-ML/Forum/Newsgroup.

Nach diesen 2 Wochen wird die AG MFT alle Diskussionsbeiträge
diskussionssystem-übergreifend
synchronisieren, so dass also in allen 3 Diskussionssystemen der gleiche
Diskussionsstand enthalten ist.

Jede einzelne Person hat freie Wahl dabei, auf welches Diskussionssystem sie
setzt;
sie kann wählen, was ihr am besten gefällt. Man kann zwecks Austesten
das, was man zu sagen hat, über mehrere der 3 Diskussionssysteme aufteilen
bzw.
streuen - aber nicht ein und das selbe Argument in mehrere Diskussionssysteme;
also keine Doppler.


Viel Spaß,
/ aka Oliver, Koordinator AG MFT

====

Varoufakis Vorschlag zur Lösung der 3 Krisen im Eurosystem:
Staatsschuldenkrise, Bankenkrise und Unterinvestitionskrise

Warum die aktuelle EU-Politik gescheitert ist: Die EU fokussiert sich auf die
Staatsschuldenkrise und ignoriert die anderen beiden Krisen und wie diese
Krisen zusammenhängen. Diese Vorgehensweise wird getragen von der Ignoranz,
dass das „Retten“ der Griechen die beiden anderen Krisen verschärft. Die
Darlehen an tatsächlich insolvente Staaten, neue Mechanismen, die toxische
Finanzinstrumente beinhalten, und extreme Autorität sind Teil dieser
fehlgeleiteten Politik.

Um der Krise tatsächlich zu begegnen müssen 3 Prinzipien eingehalten werden:
Prinzip 1: Alle drei Krisen müssen zeitgleich angegangen werden.
Prinzip 2: Zuerst muss man sich um die Schuldenkrise in der Peripherie und
die potenziellen (wenn auch gut versteckten) Verluste der Banken kümmern.
Diese Banken sind in ihrem Überleben immer stärker von der EZB abhängig. Der
Bankrott einiger Banken und die Abschreibung von Teilen der
Staatsverschuldung müssen in einem rationalen und fairen Prozess ablaufen.
Prinzip 3: Steuerzahler in Deutschland, den Niederlanden, Finnland und
Österreich sollten nicht die Zeche für die insolventen Länder tragen müssen.
Die Schuldenkrise erfordert einen prinzipiellen Wandel und nicht mehr
Schulden auf die bereits existierenden Schuldenberge, die von bereits
schwachen Schultern getragen werden während auch die stärkeren Schultern
schwächer werden.
Die Idee ist also eine umfassende Lösung anzubieten um einen Ausgleich
zwischen a) tiefen strukturellem Wandel in der Architektur des Euros (der
wirklich der Situation angemessen ist) und b) Vorschlägen die direkt
innerhalb des existierenden institutionellen Rahmens der EU Verträge
umgesetzt werden können (so dass nicht politisch unerreichbare
Vertragsänderungen notwendig sind).

The Modest Proposal
Policy 1 – Staatsschuldenrestrukturierung ohne Kosten für den Steuerzahler
Die EZB soll ohne selbst Kosten zu tragen Mitgliedstaaten helfen, ihre
Maastricht-konformen Schulden zu reduzieren. Jeder Mitgliedstaat darf gemäß
den Maastricht-Kriterien Schulden in Höhe von 60% des BIPs haben.
Mitgliedstaaten sollen also die EZB anrufen dürfen diese Maastricht-konformen
Schulden zu garantieren (siehe 1.1). Diese Bonds können (von den Haltern) bei
einer Abteilung der EZB registrieren, die die Zinsen dieser Bonds bedient.
Die EZB gibt dann ihrerseits langfristige e-Bonds aus (die ausschließlich auf
die EZB lauten, also ohne dass ein Mitgliedstaat dafür bürgt oder zahlen
muss) siehe 1.2. Wenn man bedenkt, dass die problematischen e-Bonds des EFSF
im Dezember besonders niedrig verzinst wurden, dann werden die e-Bonds der
EZB zu ähnlich niedrigen Zinsen wie die deutschen Staatsanleihen rentieren.
Mitgliedstaaten werden also gegenüber der EZB verschuldet sein, aber die
Staatsschulden werden amortisiert und jährlich bezahlt werden und langfristig
auf das niedrige Zinsniveau der e-Bonds der EZB sinken – siehe 1.3.
Dass die Staatsanleihen aller teilnehmenden Mitgliedstaaten bei einer
Abteilung der EZB registriert sind, bedeutet, dass die EZB mittelfristig eine
große Liquiditätsversorgung für die Privatbanken sicherstellen können – im
Gegenzug zu Haircuts (Staatsschuldenstreichungen) der existierenden
Staatsschulden in ihrem Portfolio – siehe 1.4. Diese Maßnahme zusammen mit
der Weitergabe an Mitgliedsstaten von früheren Haircuts durch die EZB, die im
Rahmen des Kaufprogramms der EZB seit letztem Mai stattgefunden haben – siehe
1.5 – werden die gesamte Schuldenlast auf die europäischen Mitgliedstaaten
reduzieren ohne die Kosten den Steuerzahlern aufzubürden.
Die Komponenten dieser Policy:
1.1 Tranchentransfer an die EZB: Die EXB übernimmt mit sofortiger Wirkung
eine Tranche der Staatsschulden ALLER Mitgliedstaaten in Höhe der
Maastricht-konformen 60% des BIPs der jeweiligen Staaten.
1.2 EZB-Bonds: Dieser Transfer wird durch eigene EZB-Bonds finanziert
(e-Bonds), die auf die EZB selbst lauten
1.3 Fiskalneutralität (keine Übernahme fremder Staatsschulden):
Mitgliedstaaten werden weiterhin ihre Schulden an die EZB bedienen. Jeder
teilnehmende Mitgliedstaat eröffnet also ein Schuldenkonto bei der EZB, das
langfristig bedient wird: Es überträgt den Maastricht-konformen Schuldenteil
an die EZB und erhält durch die Versicherung der EZB einen niedrigen Zins
(über den daraus emittierten e-Bond der EZB). So werden erprobte
Amortisationsprinzipien verwendet, um die Restrukturierung der
Maastricht-konformen Schulden so umzusetzen, dass die Schuldenlast auf
(zumindest einige) Mitgliedstaaten reduziert werden ohne dass die
Schuldenlast auf andere Mitgliedstaaten dadurch zunimmt.
1.4 „no-haircut“ Beispiel als Regelfall für existierende Staatschulden mit
EZB-verordneten Haircuts bei Banken mit dem Ziel langfristiger Liquidität:
Die Nutzung der Spitzenrefinanzierungsfazilität und langfristigere
Refinanzierung der Banken der Eurozone über die EZB wird unter eine neue
Bedingung gestellt: Die Banken müssen dem Umtausch von Staatsschulden
zustimmen, die sie bereits mit von der EZB emittierten e-Bonds halten mit
einer niedrigeren Verzinsung und längerer Laufzeit. Diese e-Bonds werden auf
das Schuldenkonto des jeweiligen Mitgliedstaates gebucht.
1.5 Weitergabe von Haircuts auf bereits gekaufte Staatsanleihen an
Mitgliedstaaten: Seit Mai 2010 hat die EZB periodisch gefährdete
Staatsanleihen mit einem Abschlag aufgekauft (insbesondere griechische,
irische, portugiesische und spanische). Der Abschlag sollte an die
Mitgliedstaaten in Form von Krediten auf ihre e-Bond Schuldenkonten
weitergegeben werden.

Policy 2 – Krisenbewältigung im Bankensektor: Die Bereinigung der
Bankbilanzen von fraglichen Vermögenswerten und die Rekapitalisierung (wo
nötig)
Zuständige Institution: EFSF/ESM
Zusammenfassung: Policy 2 soll die Bankbilanzen von fraglichen öffentlichen
und privaten Vermögenswerten bereinigen, damit die Banken in Zukunft wieder
Liquidität in Kredite an die Realwirtschaft und Haushalte umwandeln können.
Das aktuelle Problem besteht darin, dass eine solche Bereinigung zum Bankrott
der betroffenen Banken führen würde. Also muss diese Bereinigung mit der
Unterstützung dieser Banken einhergehen. Effektive Stresstests zusammen mit
der Rekapitalisierungsverpflichtung für Banken, die diese Tests nicht
bestehen, helfen beim Erreichen dieses Ziels. Kapital des EFSF/ESM wird dabei
helfen. Sollte eine Bank durch Steuergelder gerettet wird, dann erhält der
europäische Steuerzahler dadurch Anteile an der betroffenen Bank. Sobald die
Bereinigung vollständig abgeschlossen ist, kann der EFSF/ESM den
Wiederverkauf der Bankanteile organisierten und dadurch die Anteile
(möglicherweise
sogar mit Zinsen) auszahlen.
Die Komponenten dieser Policy:
2.1 Echte Stresstests: Echte Stresstests werden zentral durchgeführt (im
Gegensatz zu den nationale zuständigen Behörden) und gehen von einem
durchschnittlichen Haircut von 30% für Staatsanleihen von Mitgliedstaaten
ausgehen, deren Schulden/BIP-Verhältnis über 70% liegt und einen 90%-igen
Haircut für alle toxischen Schuldtitel in den Bankbilanzen aus. Auf der Basis
dieser rigorosen Tests wird der Rekapitalisierungsbedarf für jede Bank der
Eurozone ermittelt.
2.2 Erzwungene Rekapitalisierung entweder durch den Privaten Sektor oder
durch den EFSF/ESM im Austausch für Eigenkapital: Sollte eine Bank das
notwendige Kapital für ein nach obigem Verfahren ermitteltes
Rekapitalisierungsziel nicht auftreiben können, erzwingt der EFSF/ESM einen
Kapitaltausch (durch Kapital des ESFS/ESM im Bereits etablierten Verfahren)
für (öffentliches) Eigenkapital in der Bank.

Policy 3 – Ein Konjunkturprogramm gegen die Unterinvestitionskrise:
Existierende EU Mechanismen nutzen um wirkliche Entwicklung zu fördern
Zuständige Institution: die EIB (Europäische Investmentbank)
Zusammenfassung: Policy 1 und 2 werden die Schuldenlast durch Staatsschulden
und Bankschulden in Europa reduzieren aber nicht eliminieren. Nur Entwicklung
und eine echte Erholung wird das schaffen. Daher braucht die Eurozone
(besonders die schon lange leidende Peripherie) produktive Investitionen.
Diese Aufgabe kann eine existierende Institution gut durchführen: die EIB.
Zusammenhalt und Konvergenz sollen von der EIB unterstützt werden. Dabei
zählen zu Zusammenhalt Bereiche wie Gesundheit, Bildung, Stadtplanung und
Umwelt. Momentan werden EIB Investitionen 50/50 kofinanziert zwischen der EIB
und dem jeweiligen Mitgliedstaat. Die 50% der EIB zählt nicht zur
Staatsschuld aber die 50% der Beteiligung des Mitgliedstaates, wenn
schuldenfinanziert, schon.
In Zeiten eines Ausgabestopps in vielen Mitgliedstaaten, reduzieren diese
Kofinanzierungs-vorschriften die Nutzung der EIB Investitionen erheblich.
Sobald aber die Mitgliedstaaten Schuldenkonten bei der EZB haben (siehe 1.3)
gibt es keinen Grund, warum diese 50% Kofinanzierung (aus Bankensicht) nicht
von diesem Schuldenkonto aus erfolgen sollte (das heißt gegen die e-Bonds der
EZB).
So kann die EIB eine groß angelegte Investitionskampagne in der ganzen
Eurozone starten, die in ihre Expertise fallen: Infrastruktur, Sozialer
Zusammenhalt, Gesundheit, Bildung, Stadterneuerung, Umwelt, grüne
Technologieren und Unterstützung für KMUs – alles EIB-EIF-Kriterien seit
Lissabon 2000 (der EIF ist inzwischen Teil der EIB). Der EIF kann auch
riskantere Vorhaben finanzieren.
Die Komponenten dieser Policy:
3.1 Kofinanzierung der nationalen 50% für EIB-Projekte durch die e-Bonds der
EZB: Mitgliedstaaten können unabhängig von ihrer Teilnahme am
Tranchentransfer der Maastricht-konformen Schulden (siehe Policy 1)
Investitionsprojekte finanzieren, die von der EIB genehmigt sind durch das
e-Bond Schuldenkonto bei der EZB. Die EZB emittiert zu diesem Zweck auf
Veranlassung eines Mitgliedstaates e-Bonds. Dieser Schuldenteil zählt nicht
zu den Staatsschulden, aber wird von dem Mitgliedstaat bedient. Dies
geschieht durch die Langzeitamortisierung des Schuldenkontos bei der EZB.
3.2 Schaffung eines neuen europäischen Investitionsfonds: Im Gegensatz zur
EIB, die nach üblichen Bankprinzipien arbeitet, kann der EIF venture Kapital
(nicht nur Garantien auf venture Kapital) anbieten, um die Entwicklung von
innovativen Hochrisikoinvestitionen mit Fokus auf KMUs und sozial
orientierten Unternehmen, die neue gemeinsam betriebene Netzwerke von
Konsumenten und Produzenten nutzen, voranzutreiben.

Fazit:
Der Vorschlag von Varoufakis und Holland zeigt eine dreigliedrige Lösung zu
den Krisen der Eurozone, die auf 3 Prinzipien aufbauen: Der Ansatz ist
umfassend (behandelt alle 3 Krisen), Bankverluste und Teile der
Staatsverschuldung von Mitgliedsaaten werden reduziert ohne einen
grundlegenden Haircut und ohne die Belastung der (deutschen) Steuerzahler.
Keine weiteren Abtretungen von souveränen Rechten auf die EU und keine
Fiskalunion oder Transferunion wird dazu benötigt. Daher verdient der
Vorschlag das Adjektiv „modest“ – bescheiden/maßvoll. 3 existierende
europäische Institutionen sind hierbei beteiligt:
die EZB, die/der ESFS/ESM und die EIB.






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