ag-geldordnung-und-finanzpolitik AT lists.piratenpartei.de
Betreff: Kommunikationsmedium der bundesweiten AG Geldordnung und Finanzpolitik
Listenarchiv
- From: PiratOrangeScarf AT gmx.de
- Cc: ag-geldordnung-und-finanzpolitik AT lists.piratenpartei.de
- Subject: Re: [AG-GOuFP] Spieltheorie und Wirtschaftsentwicklung
- Date: Tue, 1 Oct 2013 10:55:47 +0200 (CEST)
- Importance: normal
- List-archive: <https://service.piratenpartei.de/pipermail/ag-geldordnung-und-finanzpolitik>
- List-id: Kommunikationsmedium der bundesweiten AG Geldordnung und Finanzpolitik <ag-geldordnung-und-finanzpolitik.lists.piratenpartei.de>
- Sensitivity: Normal
Salve,
Er beschreibt, dass es nicht Gier ist, die den Kapitalismus im Sinne von Gewinnmaximierung treibt, sondern ein durch die Wettbewerbslogik erzwungener Systemimperativ. Es geht dabei um präventive Selbsterhaltungssicherung. In diesem Kontext agieren jurisitsche Personen wie natürliche Personen. Nur meistens mit deutlich mehr Kapital. Es geht nicht um das Überleben (des Unternehmens) im Präsens sondern um das Überleben in der Zukunft.
Sind für unsere Betrachtungen nicht materielle Bedürfnisse relevant?
Ich würde nach Maslow argumentieren: Wir wollen die Bedarfs- und Bedürfnispyramide in unserer idealen Gesellschaft so ausrichten, dass durch BGE + zusätzlichen bedingten Versorgungsleistungen des Staates alle Menschen in Deutschland die im Grundgesetz geforderte Teilhabe (also Überleben + kulturelle + politische Teilhabe) an der Gesellschaft besitzen. Will sagen: Jeder muss seine Grundbedürfnisse garantiert decken können und zwar nicht eben mal so (Montag heizen, Dienstag essen) sondern bis in den sozialen bereich hinein: http://de.wikipedia.org/wiki/Maslowsche_Bed%C3%BCrfnishierarchie .
> Vor diesem Hintergrund ist die gesamte Spieltheorie ein Ethik-Buster.
Anstatt eine Ethik auf kooperativem und nicht-kooperativem Verhalten
aufzubauen, sollte die Ethik die Basis für jedes gesellschaftliche
Regelsystem sein. Die Quelle dieser Ethik ist traditionell die Religion
(und Philosophie), welche jedoch wissenschaftlichen Standards nicht mehr
genügt. Heutzutage kann als Fundament die moderne Psychologie und
Neuro-Wissenschaft dienen. Glück, und das ist bewiesen, entsteht in der
Gemeinschaft, in der Kooperation. Die Grundlage allen Wirtschaftens, die
Arbeitsteilung, ist übrigens ein kooperativer Vorgang.
Anstatt eine Ethik auf kooperativem und nicht-kooperativem Verhalten
aufzubauen, sollte die Ethik die Basis für jedes gesellschaftliche
Regelsystem sein. Die Quelle dieser Ethik ist traditionell die Religion
(und Philosophie), welche jedoch wissenschaftlichen Standards nicht mehr
genügt. Heutzutage kann als Fundament die moderne Psychologie und
Neuro-Wissenschaft dienen. Glück, und das ist bewiesen, entsteht in der
Gemeinschaft, in der Kooperation. Die Grundlage allen Wirtschaftens, die
Arbeitsteilung, ist übrigens ein kooperativer Vorgang.
hmm - mit dem wort sollte hast du das Problem bereits genau erfasst. Systemimperative (in diesem Fall Angst und Selbsterhaltungstrieb innerhalb der Konkurrenzlogik) sind (in der vorherrschenden Konkurrenzlogik) stärker als "Ethik". Die Grundlage des wirtschaftlichen Erfolgs beschreibst du richtig als kooperativen Vorgang. Genau das bezeichnet Graeber in "Debt the first 5000 years" als baseline Communism. Ohne diese Kooperation (die auch in der Wettbewerbslogik die besten Ergebnisse hat, aber unbedingt auf gegenseitigem Vertrauen basieren muss, welches unter Wettbewerbsbedingungen nicht vorhanden ist) funktioniert Wirtschaft nicht. Wir haben die Trennung der einzelnen Firmen, die gegeneinander konkurrieren (= Gefangenendilemma). Das gleiche gilt für Staaten und Staatenverbünde (die als Wirtschaftsstandorte untereinander konkurrieren). Die Denkweise der Konkurrenz, dem Grundprinzip der Marktwirtschaft, führt uns auf allen Ebenen, wo Kooperation die beste Alternative wäre, in die Logik des Gefangenendilemmas. Damit landen wir bei Quadrant 4, der Lösung, die keiner will. Wir müssen also die Konkurrenzlogik durchbrechen, die all diese Schlussfolgerungen präjudiziert und zu einer Kooperationslogik kommen. Das ist ja auch Christian Felbers Ansatz mit der Gemeinwohlökonomie. Die Frage ist: Wie kommen wir dahin? Der Rahmen / Das Paradigma muss sich ändern. Das ist auch genau die Stoßrichtung der letzten INET Konferenz in Hongkong. Hier bin ich aus einem Grund durchaus optimistisch. Was ein amerikanischer General mal über die USA gesagt hat, trifft meines Erachtens auch auf die Menschheit als Ganzes zu:
Humanity can always be expected to do the right thing - after having exhausted all alternatives.
Und genau da (bzw. kurz davor) stehen wir. Die Rationalitätenfalle (einzelwirtschaftliche Logik auf das Gesamtsystem projezieren) wird ganz klar als Problem erkannt. Das System, das wir wollen, sollte Sogwirkung entfalten indem wir durch Rahmensetzung sicherstellen, das einzelwirtschaftliche Logik (individuelles Profitstreben) auch dem Gesamtsystem (dem Gemeinwohl) dient. Ideen bitte hier rein: http://wiki.piratenpartei.de/AG_Geldordnung_und_Finanzpolitik/gesellschaftliche_Vision?
MfG
Michael (OrangeScarf im Wiki, AMT auf Mumble und @OrangePirat auf Twitter)
> Hier ein genialer Vortrag an der LMU:
> http://www.youtube.com/watch?v=2jMOrBxOKsY
>
+1
Wichtige Erkenntnisse, nach dem Motto "know your enemy"
allerdings ein paar Kritiken:
Gier ist ein über das (objektive) Grundbedürfnis hinausgehendes
(subjektives) Bedürfnis, dess Befriedigung zum Selbszweck geworden ist.
Gier ist erlernt und wird in der behavioristischen Lernpsychologie durch
die instrumentelle Konditionierung beschrieben.
Prof. Dr. Dr. Dr. Hombug geht nicht auf die verschiedenen Formen der
Bedürfnisse ein. Im Gegenteil; er unterstellt implizit den gesamten
Vortrag über lediglich materielle Bedürfnisse.
Was er sagt ist, dass der Mensch immer präventiv im materiellen Sinne
handelt, im Zweifel auch gegen die eigenen moralisch-ethischen
Prinzipien. Der Kapitalismus erzeugt also einen Zwang sich selbst
gegenüber zu korrumpieren.
Letztlich ist die Denklogik, dass alles was möglich ist, auch von meinen
Kontrahenten angewendet werden wird, um sich selbst einen Vorteil zu
verschaffen. Die Konsequenz auf Makroebene ist, dass alles was möglich
ist, auch geschehen wird. Diese Murphy'sche Gesetz schließt eben auch,
wie auch seine populäre Sprechweise besagt, ein, dass die größte
erdenkliche Katastrophe eintreten wird.
Vor diesem Hintergrund ist die gesamte Spieltheorie ein Ethik-Buster.
Anstatt eine Ethik auf kooperativem und nicht-kooperativem Verhalten
aufzubauen, sollte die Ethik die Basis für jedes gesellschaftliche
Regelsystem sein. Die Quelle dieser Ethik ist traditionell die Religion
(und Philosophie), welche jedoch wissenschaftlichen Standards nicht mehr
genügt. Heutzutage kann als Fundament die moderne Psychologie und
Neuro-Wissenschaft dienen. Glück, und das ist bewiesen, entsteht in der
Gemeinschaft, in der Kooperation. Die Grundlage allen Wirtschaftens, die
Arbeitsteilung, ist übrigens ein kooperativer Vorgang.
**********************************************************************
Was den Länderfinanzausgleich angeht erliegt er, wie Viele, dem Fehler,
anzunehmen, dass regionale Wirtschaftspolitik (business policy) einen
globalen Gewinn herbeiführen könnte. Das kann aber nur globale
Wirtschaftspolitik (political economy). Wenn Bayern also geschickter als
andere Länder Unternehmen anlockt, steigt zwar der Wohlstand in München,
nicht aber in der Republik/Europa. Gleichwertige Lebensverhältnisse ist
aber Staatsziel mit Verfassungsrang. Dass die Telefonpreise purzeln, ist
DIE Erfolgsgeschichte der Liberalisierung vormals öffentlicher
Strukturen, mehr nicht.
"70% - 80% der Bevölkerung sind bei Steuerhinterziehung dabei" (54min),
ich lach mich kaputt und schließe den Player. Finde den Fehler!
Schöne Grüße,
Thomas
On 27/09/13 09:38, Andreas Tittert wrote:
> Salvete,
>
> Ich entschuldige mich schonmal prophylaktisch, weil dieses Video
> wahrscheinlich schon wieder kurz vor mir von jemand anderem entdeckt und
> schon rumgeschickt wurde. Falls nicht hoffe ich, dass es eine Diskussion
> am Mittwoch darüber geben kann, wie man das Gefangenendilemma der
> Spieltheorie innerhalb einer wettbewerbsbasierten Marktwirtschaft zur
> Verbesserung der Lebensumstände aller (durch z.B. gleichmäßigere
> Wohlstandsverteilung) nutzen kann.
>
> Danke und bis spätestens Mittwoch, valete,
> Michael (OrangeScarf im Wiki, AMT auf Mumble und @OrangePirat auf Twitter)
>
>
>
--
AG-Geldordnung-und-Finanzpolitik mailing list
AG-Geldordnung-und-Finanzpolitik AT lists.piratenpartei.de
https://service.piratenpartei.de/listinfo/ag-geldordnung-und-finanzpolitik
> http://www.youtube.com/watch?v=2jMOrBxOKsY
>
+1
Wichtige Erkenntnisse, nach dem Motto "know your enemy"
allerdings ein paar Kritiken:
Gier ist ein über das (objektive) Grundbedürfnis hinausgehendes
(subjektives) Bedürfnis, dess Befriedigung zum Selbszweck geworden ist.
Gier ist erlernt und wird in der behavioristischen Lernpsychologie durch
die instrumentelle Konditionierung beschrieben.
Prof. Dr. Dr. Dr. Hombug geht nicht auf die verschiedenen Formen der
Bedürfnisse ein. Im Gegenteil; er unterstellt implizit den gesamten
Vortrag über lediglich materielle Bedürfnisse.
Was er sagt ist, dass der Mensch immer präventiv im materiellen Sinne
handelt, im Zweifel auch gegen die eigenen moralisch-ethischen
Prinzipien. Der Kapitalismus erzeugt also einen Zwang sich selbst
gegenüber zu korrumpieren.
Letztlich ist die Denklogik, dass alles was möglich ist, auch von meinen
Kontrahenten angewendet werden wird, um sich selbst einen Vorteil zu
verschaffen. Die Konsequenz auf Makroebene ist, dass alles was möglich
ist, auch geschehen wird. Diese Murphy'sche Gesetz schließt eben auch,
wie auch seine populäre Sprechweise besagt, ein, dass die größte
erdenkliche Katastrophe eintreten wird.
Vor diesem Hintergrund ist die gesamte Spieltheorie ein Ethik-Buster.
Anstatt eine Ethik auf kooperativem und nicht-kooperativem Verhalten
aufzubauen, sollte die Ethik die Basis für jedes gesellschaftliche
Regelsystem sein. Die Quelle dieser Ethik ist traditionell die Religion
(und Philosophie), welche jedoch wissenschaftlichen Standards nicht mehr
genügt. Heutzutage kann als Fundament die moderne Psychologie und
Neuro-Wissenschaft dienen. Glück, und das ist bewiesen, entsteht in der
Gemeinschaft, in der Kooperation. Die Grundlage allen Wirtschaftens, die
Arbeitsteilung, ist übrigens ein kooperativer Vorgang.
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Was den Länderfinanzausgleich angeht erliegt er, wie Viele, dem Fehler,
anzunehmen, dass regionale Wirtschaftspolitik (business policy) einen
globalen Gewinn herbeiführen könnte. Das kann aber nur globale
Wirtschaftspolitik (political economy). Wenn Bayern also geschickter als
andere Länder Unternehmen anlockt, steigt zwar der Wohlstand in München,
nicht aber in der Republik/Europa. Gleichwertige Lebensverhältnisse ist
aber Staatsziel mit Verfassungsrang. Dass die Telefonpreise purzeln, ist
DIE Erfolgsgeschichte der Liberalisierung vormals öffentlicher
Strukturen, mehr nicht.
"70% - 80% der Bevölkerung sind bei Steuerhinterziehung dabei" (54min),
ich lach mich kaputt und schließe den Player. Finde den Fehler!
Schöne Grüße,
Thomas
On 27/09/13 09:38, Andreas Tittert wrote:
> Salvete,
>
> Ich entschuldige mich schonmal prophylaktisch, weil dieses Video
> wahrscheinlich schon wieder kurz vor mir von jemand anderem entdeckt und
> schon rumgeschickt wurde. Falls nicht hoffe ich, dass es eine Diskussion
> am Mittwoch darüber geben kann, wie man das Gefangenendilemma der
> Spieltheorie innerhalb einer wettbewerbsbasierten Marktwirtschaft zur
> Verbesserung der Lebensumstände aller (durch z.B. gleichmäßigere
> Wohlstandsverteilung) nutzen kann.
>
> Danke und bis spätestens Mittwoch, valete,
> Michael (OrangeScarf im Wiki, AMT auf Mumble und @OrangePirat auf Twitter)
>
>
>
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AG-Geldordnung-und-Finanzpolitik AT lists.piratenpartei.de
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- Re: [AG-GOuFP] Spieltheorie und Wirtschaftsentwicklung, PiratOrangeScarf, 01.10.2013
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