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Betreff: Kommunikationsmedium der bundesweiten AG Geldordnung und Finanzpolitik
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- From: Karl Pitz <karl.pitz AT gmail.com>
- To: ML AG-Geld <AG-Geldordnung-und-Finanzpolitik AT lists.piratenpartei.de>
- Subject: [AG-GOuFP] Strategie-Seminar - Revion -
- Date: Fri, 28 Sep 2012 08:32:23 +0200
- List-archive: <https://service.piratenpartei.de/pipermail/ag-geldordnung-und-finanzpolitik>
- List-id: Kommunikationsmedium der bundesweiten AG Geldordnung und Finanzpolitik <ag-geldordnung-und-finanzpolitik.lists.piratenpartei.de>
@ alle
Ich ziehe den Vorschlag eines Strategie-Seminars in dieser Form
zurück. Während der Produktion des Vorschlags hatte ich kurz die mails
nicht verfolgt. Erst nach Fertigstellung sah ich dann Thomas Gerwerts
Beitrag zum „Europa der Regionen“. Das ändert die Sachlage. Ich muss
mich korrigieren.
Ich hatte vor kurzem die Vermutung geäußert, die Koordinatoren-Troika
verfolge eine ‚hidden agenda‘: Eine Pro-EU-Linie, ohne Wenn und Aber.
Die unübersehbare Steuerung der AG hin zum Favoriten „Europa der
Regionen“ schien mir das immer deutlicher zu belegen. Das wichtigste
Nahziel eines Strategie-Seminars wäre deshalb gewesen,
herauszuarbeiten, worum es bei dieser Variante eigentlich geht. Das
erspart uns Thomas Gerwert nun vorab und authentisch. Das finde ich
verdienstvoll!
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Thomas Gerwert‘s „EU der Regionen“:
„Ich wuensche mir eine europaeische Buergergesellschaft, die eben
naeher am Buerger ist“. Die Neuformierung Europas soll den Menschen in
den Regionen selbst überlassen werden. „Und ich denke genau das sollte
als Piratenpartei unsere zentrale politische Forderung fuer Europa
sein!“ ..
„Genau, warum sollte sich Schottland nicht von GB ausloesen und
Teilregion von Europa werden koennen“?
„Im Ergebnis koennte dann auch .. Niedersachsen eine eigene Region
sein, es waere aber auch denkbar, dass sich hier Grenzen veraendern
(Gesamter Nordstaat mit HH, HB, SH? Oder ein Teil Nds geht mit
Westfalen zusammen? Und der westlich vielleicht eher Richtung
Niederlande?). Du siehst alles ist moeglich“. (23.9.)
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Endlich liegen die Karten auf dem Tisch. Das „Europa der Regionen“
ist nun nicht mehr das heimelige Knuddel-Modell. Selten hat jemand so
klar aufgedeckt, was es tatsächlich bedeutet:
1. Es bedeutet die Abschaffung der europäischen Nationen. Schaffen wir
die Nation Deutschland ab, schaffen wir aber untrennbar davon auch
unser Grundgesetz ab, eine der besten Verfassungen der Welt. Ohne jede
Gegenleistung.
2. Selbst die Länderverfassungen werden beseitigt. Scharnagel könnte
sein neues Buch über ein autonomes Bayern einstampfen. Das ist dann
nämlich Niederbayern, Oberbayern, Franken, und das bayerische Allgäu
schließt sich vielleicht mit dem in BaWü zusammen.
3. Das Allgäu, der Rheingau, das Alte Land haben aber keine
Verfassung. Zwischen der Region und der EU ist dann nichts mehr.
Keinerlei demokratische Rechte.
4. Selbst diese Regionen werden weiter aufgelöst. Kaum zu toppen, Ralf
Pichler: Beim "Liquid Federation of Europeans" „bleibt es der
Bevölkerungsmehrheit einer jeden Region selbst überlassen, wieviele
Zwischenstufen zwischen der Stadt / dem Landkreis / der Region und
Gesamt-Europa sie für sinnvoll hält. Solche Entscheidungen können auch
jederzeit neu getroffen werden“. Das ist die totale Zerlegung Europas.
5. Von wegen Bürgergesellschaft und näher am Bürger dran. Ganz im
Gegenteil. Das geht noch „über einen zentralistischen Superstaat“
hinaus (Frank Giebel). Über den nicht verfassten Einzelbestandteilen
thront nur noch die völkerrechtlich organisierte EU. Ganz oben. Weit
weg vom Bürger. Bürgerinnen und Bürger sitzen unten ohne ihre Rechte.
Um sie zu erkämpfen, nehmen andere Völker heute in aller Welt Gewehre
in die Hand. Und wir verschenken sie eben mal.
6. Schlimmer noch.
Genauer thront ganz oben noch nicht einmal mehr die heutige EU. Der
letzte Rest von Demokratie, der Rat, fällt dann ja auch noch weg. Es
gibt keine Kanzlerin, keinen Ministerpräsidenten mehr. Die EU
Kommission, schon heute sorgfältig vom Parlament abgeschottet,
verliert endgültig jede Bodenhaftung. Das ist ein Imperium.
7. Und ganz schwerwiegend:
Das Grundgesetz legt fest: „Die Bundesrepublik Deutschland ist ein
demokratischer und sozialer Bundesstaat“ [Artikel 20/1]. Fällt das GG,
dann fällt auch die Basis des Sozialstaates. Wo sollen denn die Bürger
noch dann ihr BGE herbekommen? Etwa aus BRUX?
8. Das ist der Durchmarsch zu Governance. Das ist „Markt statt Staat“.
Schlussfolgerung:
Mir ist schleierhaft, wie sich ein Koordinator so offen gegen die
existierende Parteilinie stellen kann. Das steht im krassen Gegensatz
zum Q065. Den dort geforderten demokratischen Rechtsstaat bezeichnet
er als „Elitenmodell“. Repräsentative Demokratie mit direkter
Volksbeteiligung – ein Modell der Eliten? Und European Governance
bringt dagegen die Bürger „näher dran“? Ja, sicher: Näher an Prekäres,
näher an die Herrschaft von Banken und Hedgefonds, näher an den
Verlust ihrer Einkommen und Vermögen.
Und das wäre dann das 8-Punkte-Programm der PIRATEN für den Wahlkampf?
Frank Giebel zum „Europa der Regionen“: „die Wähler werden uns bei der
nächsten Europawahl deshalb in die Bedeutungslosigkeit schicken“.
Ich ziehe also den Vorschlag eines Strategie-Seminar in dieser Form zurück.
Ein solches Seminar soll eben nicht überstülpen, diktieren und
indoktrinieren. Es soll einen Quervergleich ziehen, Modelle rational
überprüfen, Weichenstellungen zeigen. Jeder muss im Seminar
transparent nachvollziehen können, wie das „Big Picture aussieht,
wohin alternative Europamodelle führen sollen“ (Jürgen Gann). Also
auch durch die Irreführung des „EU der Regionen“.
Ich würde aber an einem solchen Strategie-Seminar nicht teilnehmen
können, wenn es von Europa-Koordinator Thomas Gerwert organisiert
würde. Ich diskutiere doch nicht über die Abschaffung unseres
Grundgesetzes! Ich bin kein Jurist und weiß nicht, was exakt
„verfassungsfeindlich“ ist. Aus dem Bauch heraus: Dies ist noch
schlimmer. Hier will einer die Verfassung gleich ganz abschaffen. Und
will eine ganze junge Partei vor diesen Karren spannen. Für meine
Begriffe ein Fall von Parteischädigung. Was passiert, wenn das die
Presse aufgreifen würde?
Und dann auch dies noch: Man muss sich fast schämen, sich mit Leuten
sehen zu lassen, die den Polen, den Franzosen, den Engländern zurufen
wollen, löst Eure Strukturen auf! Schafft Euer Land ab! Nur 67 Jahre
nach dem Krieg.
Ich modifiziere:
Die Organisation eines solchen Seminars wäre also von anderen zu
übernehmen. Und das wäre auch folgerichtig. Im Mittelpunkt des
künftigen Europas stehen Rechte und Finanzen gleichermaßen. Jeder
Lebensentwurf wird von der künftigen Form Europas abhängen. Deshalb
ist ja keineswegs nur die AG Europa gefragt.
Mit freundlichen Grüßen - Karl Pitz
- [AG-GOuFP] Strategie-Seminar - Revion -, Karl Pitz, 28.09.2012
- Re: [AG-GOuFP] Strategie-Seminar - Revion -, Pieter Hogeveen, 28.09.2012
- Re: [AG-GOuFP] Strategie-Seminar - Revion -, Keox, 28.09.2012
- Re: [AG-GOuFP] Strategie-Seminar - Revion -, Piratos, 28.09.2012
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