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ag-drogen - Re: [Drogenpolitik] Aufklärung zu SKOLL

ag-drogen AT lists.piratenpartei.de

Betreff: Mailingliste der AG Drogen- und Suchtpolitik

Listenarchiv

Re: [Drogenpolitik] Aufklärung zu SKOLL


Chronologisch Thread 
  • From: Guido Weyers <guidoweyers AT googlemail.com>
  • To: Mailingliste der AG Drogenpolitik <ag-drogen AT lists.piratenpartei.de>
  • Subject: Re: [Drogenpolitik] Aufklärung zu SKOLL
  • Date: Fri, 01 Jun 2012 10:42:14 +0200
  • List-archive: <https://service.piratenpartei.de/pipermail/ag-drogen>
  • List-id: Mailingliste der AG Drogenpolitik <ag-drogen.lists.piratenpartei.de>

Hallo Max, hallo Christine,

das Thema "kontrolliertes Trinken" haben wir zwischendurch, insbesondere in verschiedenen Mumblekonferenzen, immer wieder mal.

Ich gehe davon aus, das die meisten Suchttherapeuten, die stationär oder ambulant arbeiten, sowie die Mehrheit,
der dort behandelten Patienten dann abstinenzorientiert arbeiten, wenn eine nach ICD9 manifeste Alkoholabhängigkeit diagnostiert ist.
Das ist jedenfalls aus meiner Sicht das Mainstreamvorgehen.

Dies liegt sicherlich daran, das bei den meisten Patienten, die versuchen kontrolliert zu trinken, die Versuche in der Akutphase meistens scheitern. Es ist sogar die Regel im Beratungs- und Therapiealltag, das unsere Klienten zu uns kommen und sagen, das sie immer wieder versucht haben "nur ab und zu mal was zu trinken" aber dann automatisch wieder in ihr abhängiges Trinkmuster verfielen.

Mir ist nicht bekannt, dass zurzeit Alkoholtherapie überwiegend von christlichen Gruppen durchgeführt wird. Die Wohlfahrtsverbände und private Träger sind da heutzutage wohl eher zu nennen.

Man muß ganz stark zwischen Selbsthilfegruppen wie Blaukreuz (wahrscheinlich meinst du die mit christlichen Gruppen), den AA`S und Therapieeinrichtungen, die ambulante und stationäre Rehabilitation (auch Entwöhungsbehandliung genannt) unterscheiden. Die Methoden der nicht therapiegeleiteten Selbsthilfegruppen finde ich zum Teil auch höchst fraglich und kritisch zu bewerten.

Ich betrachte, wenn ich mit Alkoholikern therapeutisch arbeite und das mache ich fast täglich, die Abstinenz nicht als ein Dogma, sondern als ein anzustrebendes Ziel.

Es gibt sicherlich Einrichtungen, wo Menschen, die einmalig rückfällig werden während der Therapie rausgeschmissen werden. Meiner Beobachtung nach ist das heute aber nicht mehr üblich.
Erst wenn jemand immer wieder rückfällig wird und Drogen und/oder Alkohol in die Einrichtungeinführt, wird er in der Regel disziplinarisch entlassen, weil er zum einen seine Mitklienten gefährdet und zum anderen offensichtlich
kein ernsthaftes Interesse hat von seiner Sucht wegzukommen (Motivationsproblematik).

Die Kontroverse um Körkels "Kontrolliertes Trinken Programm" ist mittlerweile schon jahrzente alt und wird es wohl immer wieder geben.
Dazu habe ich auch einen Link, der das Thema etwas differenzierter wiedergibt und versucht aufzuzeigen, für wen kontrolliertes Trinken was bringt und für wen nicht.

http://www.bssb.uni-oldenburg.de/11742.html

Soweit ich es in den vergangenen Jahren mitbekommen habe funktioniert kontrolliertes Trinken praktisch nur in einem engmaschig kontrollierten, stationären Setting.
Soviel ich weiß, sagt Körkel das sogar selbst. In dem Moment, wo jemand in sein altes Umfeld zurückkehrt ist sehr häufig der Rückfall in alte Konsummuster vorprogrammiert.
Dies hängt insbesondere mit dem so genannten Suchtgedächdnis zusammen, das natürlich von den Vertretern des kontrollierten Trinkens auch abgelehnt wird.
Da ich immer auch um Ausgewogenheit bemüht bin, hier ein Link, der eure Position dazu untermauert.

http://www.kontrolliertes-trinken.de/kontrolliertes-trinken/de/3/3/hintergrund/determinismus.aspx

Abschließend hatte ich gerade ein kurzes Gespräch mit einer Freundin und Kollegin, die mittlerweile seit fast 30 Jahren im Suchtbereich arbeitet, insbesondere akzeptierend.
Sie selbst hatte eine manifeste Alkoholabhängigkeit uns sagt, das kontrolliertes Trinken in der Akutphase auf keinen Fall funktioniert, aber nach langen Jahren der Abstinenz möglich ist.
Das beste Beispiel ist sie selbst. Sie bezeichnet sich selbst jedoch als eine Ausnahme.

In diesem Sinne liegt die Wahrheit vermutlich wie bei allem wieder mal irgendwo dazwischen.

LG,
Guido



Am 01.06.2012 09:24, schrieb Maximilian Plenert:
Am 01.06.2012 00:35, schrieb Christine Zander:

Das ist eine Sache, die ich mich schon oft gefragt habe ... Gerade bei Alkohol
wird ja immer behauptet absolute Abstinenz wäre der einzige Weg der
Entwöhnung.
Ist das wirklich wahr – oder liegt es nur an der Dominanz solcher Gruppen, wie
den anonymen Alkoholikern, Guttemplern etc (die auf mich schon sektiererisch
wirken)?Allerdings kenne ich mich in diesem Bereich nicht gut aus. In letzter
Zeit habe ich jedoch schon öfter Berichte gelesen, dass "kontrolliertes
Trinken"
Süchtigen (kommt sicher sehr auf den Menschen an)durchaus auch helfen kann.
Das ist nicht wahr. Abstinenz als einzig möglicher Weg nach einer
Alkoholabhängigkeit hat für diese - nicht selten christlichen - Gruppen den
Stellenwerts eines Dogmas, wissenschaftlich belegbar ist es nicht. Ich hatte
dazu mal ein großartiges Artikel auf Facebook gepostet und diskutiert, aber
ich
finde ihn gerade einfach nicht...

Das Fatale an deren Abstinenzdogma war auch das Fakt dass sie nach 1945 die
einzigen waren die Drogenpolitik& Drogentherapie betrieben haben - Alkohol
war
ja auch damals das primäre Problem - und dann 1968, als die Politik auf das
Aufkommen anderer Drogen wie Cannabis und Heroin reagierte, die einzige
Expertenmeinung, die es gab, deren war und lautete: Abstinenz". Damit hat die
DHS als deren Dachverband eine nicht kleine historische Schuld an Tausenden
Toten aufgrund einer auf Abstinenz ausgerichteten Drogenpolitik - ohne Harm
Reduction, Konsumräume etc. Ich sollte dringend mal die entsprechenden
Passagen
aus http://www.socialnet.de/rezensionen/4835.php verbloggen

aus kontrollierter Gebrauch von Heroin und Kokain
Diese Befunde sind wenig verwunderlich, wenn man bedenkt,
dass sich 3⁄4hnliches auch für ehemals Alkoholabhängige ergibt.
So fanden Bischof und Kollegen [31] in einer Repräsentativstudie
im Lübecker Raum, dass mehr als 84 % ehemaliger 1Alkoholikera
imstande waren, ein moderates und sozial unauffälliges Trink-
verhalten aufzunehmen.

[31] Bischof G, Rumpf HJ, Hapke C, Meyer C, John U. Factors influencing re-
mission from alcohol dependence without formal help in a represen-
tative population sample. Addiction 2001; 96: 1327 ± 1336

In den Niederlanden gibt es auch eine Drogentherapieeinrichtung mit
kontrollierten Trinken, ich finde den Link gerade nicht

Die Gläschen in Ehren zählen
http://www.derbund.ch/bundprint/Die-Glaeschen-in-Ehren-zaehlen/story/27693108

Anonyme Alkoholiker: Ein positives Vorurteil oder 12 Schritte ins Abseits?
http://blog.esowatch.com/?p=2044

PSYCHIATRIE UND PSYCHOTHERAPIE22. September 2009
Abstinenz als Therapieerfolg?
Das zu erreichende Behandlungsziel bei Alkoholkranken wird noch immer mit
falschen Maßstäben gemessen.
Das Dogma, dass nur eine lebenslange Abstinenz als wirklicher
Behandlungserfolg
bei Alkoholkranken zählt, sollte schon lange der Vergangenheit angehören.
Zumal
die Alkoholabhängigkeit eine chronische Erkrankung darstellt und als solche
auch
bei der Definition der Therapieziele berücksichtigt werden sollte.
http://www.springermedizin.at/artikel/12755-abstinenz-als-therapieerfolg

Überholtes Dogma Abstinenz? Neue Strategien bei Alkoholabhängigkeit.
Gestaltung:
Ronny Tekal-Teutscher
http://oe1.orf.at/programm/285891

KISS of life – selbstkontrollierter Drogenkonsum für mehr Gesundheit
http://blog.aidshilfe.de/2012/03/02/kiss-of-life-selbstkontrollierter-drogenkonsum-fur-mehr-gesundheit/

KISS beim Trinken
http://www.kontrolliertes-trinken.de/kontrolliertes-trinken/de/12/4/fachkraefte/arztpraxen.aspx

Henning Schmidt-Semisch, Heino Stöver (Hrsg.)
Saufen mit Sinn?
Harm Reduction beim Alkoholkonsum
http://fhverlag.de/index_haupt2.php?c=b&p&UID=z81UH63h5f

Anders als für KonsumentInnen illegaler Drogen sind lebensweltorientierte
Angebote für AlkoholkonsumentInnen bisher unterentwickelt. Um nachhaltige,
lebenswelt- und zielgruppenspezifische Unterstützungsangebote zu schaffen,
müssen wir verstehen, über welche Ressourcen und Risikostrategien
AlkoholkonsumentInnen selbst verfügen. Die Beiträge des Buches stellen
einerseits Strategien des Verbraucherschutzes und andererseits der
Schadensbegrenzung (»harm reduction«) vor. Die »gelassenen« Ansätze können
dazu
beitragen, folgenschwere Schäden des Alkoholkonsums zu vermeiden, ohne den
Alkoholkonsum insgesamt zu verteufeln. Es geht also um glaubwürdige
Botschaften
eines angemessenen Umgangs mit Alkohol.

Mit hanfgrünen Grüßen, Max

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"Abstinenz als subjektive Entscheidung eines Menschen ist zu respektieren,
auch
als Gruppenentscheidung etwa einer Religionsgemeinschaft. Als
gesellschaftliche
Zielvorstellung aber ist Abstinenz Ausdruck einer totalitären Phantasie." -
Günther Amendt

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Maximilian Plenert, wissenschaftlicher Mitarbeiter
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