ag-drogen AT lists.piratenpartei.de
Betreff: Mailingliste der AG Drogen- und Suchtpolitik
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- From: Christine Zander <christine.zander AT gmx.net>
- To: ag-drogen AT lists.piratenpartei.de
- Subject: [AG-Drogen] Antwort an Guido
- Date: Tue, 1 Nov 2011 22:19:59 +0100
- List-archive: <https://service.piratenpartei.de/pipermail/ag-drogen>
- List-id: Mailingliste der AG Drogen <ag-drogen.lists.piratenpartei.de>
Hi Guido,
Mir geht es einfach um eine freie Entscheidung!
Zuerst einmal hat man die Verantwortung für sein eigenes Leben und Tun. Natürlich liegen die Gründe für Sucht oft in der Vergangenheit, Dinge, die in der Kindheit passiert sind etc ... hier gibt es viele Auslöser. Es hilft auch jedem die Gründe zu erkennen. Trotzdem spricht es nicht von der Verantwortung für das eigene Leben frei. Jeder muss sich doch trotzdem fragen: Wie möchte ich leben? Was will ich?
Momentan werden die Menschen hier gut therapiert, die sich für die Abstinenz entscheiden. Die anderen werden niedrigschwellig, so gut es eben bei der momentanen Gesetzeslage machbar ist, betreut. Diese Angebote werden meistens von Leuten wahrgenommen, die schon sehr "kaputt" sind. Süchtige, die sich irgendwie mit ihrer Sucht eingerichtet haben, sie irgendwie geschafft haben zu finanzieren, findest du in beiden Kategorien eher selten.
Bei Menschen, die täglich Drogen konsumieren sollte irgendwann der Punkt kommen, an dem sie sich bewusst entscheiden. "Will ich abhängig sein – oder will ich nicht abhängig sein? – Und welche Konsequenzen hat so eine Entscheidung auf mein Leben? Wie schaffe ich es mit meiner Abhängigkeit so zu leben, wie ich es mir vorstelle? Was ist mir wichtig? Wie möchte ich mit der Droge leben?"
Deshalb bin ich für eine konsequente Legalisierung. Ich will, dass Menschen sich frei entscheiden können. Letztendlich schadet jeder seinem Körper – mehr aber nicht.
Wenn sich ein Konsument momentan für seine Abhängigkeit entscheidet, entscheidet er sich zwangsweise für die Kriminalität, denn schon allein der Erwerb harter Drogen ist strafbar. Wenn derjenige das Glück hat und viel verdient, wird er wahrscheinlich nicht im Knast landen, da solche Leute meistens keine hohen Strafen bekommen (Erwerb plus fester Job= Bewährung oder Geldstrafe).
Viele Süchtige, die nicht das Geld zur Finanzierung ihrer Sucht haben entscheiden sich für den Handel, da das nur heisst die Droge weiterzugeben, an andere Menschen, die sie ebenfalls brauchen. Das bedeutet, dass sie letztenendes irgendwann im Knast landen. Es gibt leider auch die Menschen, die richtig üble (Gewalt)Taten begehen (und das sind oft diejenigen, die sich eben nicht mit ihrer Sucht auseinandergesetzt haben). Entschuldigung ist meistens: ich musste es ja tun ich bin ja süchtig... aber auch als Süchtiger kann man sein Tun steuern!
Die Drogenaufklärung ist momentan nicht darauf angelegt, dass die Menschen sich hinterfragen. Konsumenten harter Drogen werden abgestempelt – es wird allgemein (auch durch die Presse) suggeriert: Wenn du abhängig von einer harten Droge bist, stehst du mit einem Bein im Grab – landest in der Gosse und tust auf einmal nur die schlimmsten Dinge. Das ist ja dann auch die Entschuldigung, auf die sich viele zurückziehen. Ist ja auch einfacher als sich mit sich selbst auseinanderzusetzen ...
Im Fall einer Abhängigkeit, ist es zwar nicht machbar, einfach so damit aufzuhören – trotzdem ist es Abhängigen möglich ihr Verhalten zu steuern und im Griff zu haben. Hier sehe ich die Aufgabe der Suchtherapeuten und Streetworker. Nur wieweit dürfen sie momentan gehen? Bei der derzeitigen Gesetzeslage können sie ja schlecht sagen:"wenn du es nicht schaffst aufzuhören – dann entscheide dich bewusst für deine Abhängigkeit" – und sie in diesem Prozess zu begleiten. Ich weiss, dass die niedrigschwelligen Angebote teilweise auf so einem Ansatz aufbauen – jedoch ist der Rahmen durch die herrschenden Gesetze zu eng gesteckt. SKOLL kannte ich bisher nicht, ist sicher ein guter Ansatz, sofern er die Leute zu mehr Selbstverantwortlichkeit und Nachdenken bewegen will und das Ziel nicht doch wieder langfristig die Abstinenz ist.
Wenn die Leute sich bewusst für eine Abhängigkeit entscheiden, dann kommt irgendwann auch der Punkt, an dem sie keine Lust mehr haben und aufhören. Es gibt ja auch die Theorie, dass Menschen irgendwann aus ihrer Sucht herauswachsen – ich weiss nicht ob es stimmt – aber ich kenne schon Leute, die ihre Sucht auf einmal angekotzt hat und die dann damit aufgehört haben. Und das, obwohl sie einen Weg gefunden hatten jahrelang mit ihrer Sucht zu leben, ohne dass es auffiel. Niemand hätte es ihnen zugetraut. Aber an solche Punkte kommen Menschen aber immer nur freiwillig.
Das sind die Hauptkritikpunkte, die ich an der momentanen Drogenpolitik habe
1. Den Menschen wird ihre Eigenverantwortlichkeit genommen. Jeder geht seine eigenen Wege – und wenn es der Weg in die Abhängigkeit ist. Momentan ist es für viele Menschen leider das einfachste die Verantwortung auf die Drogen zu schieben. Wir geben den Drogen zuviel Macht. Dabei sind es einfache Pflanzen. Drogen sind das, was wir daraus machen.
2. Menschen, die sich für ihre Abhängigkeit entscheiden werden kriminalisiert.
Zu den Methadonprogrammen: Da Methadon wirklich nur eine Ersatzdroge ist, also den körperlichen Entzug nimmt, jedoch nicht wirklich befriedigt, ist es klar, dass es viele Rückfälle gibt. Zumal viele Leute aus finanziellen Gründen in diese Programme gehen. Da sie sich eine durchgehende Versorgung mit Heroin nicht leisten können. Das macht klar, warum es so viele Rückfälle gibt. Beikonsum sollte auch legitim sein, solange sich der Patient einigermaßen im Griff hat und klarkommt. Der Grund warum diese Programme so begrenzt angeboten werden sind die hohen Auflagen der gesetzlichen Krankenkassen. Die Ärzte werden auf Lehrgänge geschickt – in der Zeit verlieren den Umsatz in ihren Praxen. Dazu wird bei jedem Patienten genau hingesehen wie lange bekommt er Methadon – es werden teure Kontrollen (Urintests etc) vorgeschrieben etc. Ein Arzt überlegt sich das gut, bevor er Methadonprogramme für Patienten gesetzllicher Kassen anbietet. Dazu kommt natürlich auch, dass die Patienten teilweise auch nicht einfach sind. Aber Hauptgrund ist wirklich die Reglementierung.
Zu Synanon: Das schlimme ist: die Leute wissen oft gar nicht genau, worauf sie sich einlassen. Meistens wird die Therapieform gewählt, die sie am schnellsten und einfachsten aufnimmt. Im Fall von Synanon kenne ich niemanden, der es länger als 3 tage ausgehalten hat. Zum Glück, muss ich leider sagen.
Liebe Grüße,
Christine
- [AG-Drogen] Antwort an Guido, Christine Zander, 01.11.2011
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