ag-drogen AT lists.piratenpartei.de
Betreff: Mailingliste der AG Drogen- und Suchtpolitik
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- From: Chris Lüders <chlueders AT googlemail.com>
- To: Mailingliste der AG Drogen <ag-drogen AT lists.piratenpartei.de>
- Subject: Re: [AG-Drogen] Cannabis und die Folgen bei Mißbrauch und Abhängigkeit
- Date: Thu, 27 Oct 2011 19:52:01 +0200
- List-archive: <https://service.piratenpartei.de/pipermail/ag-drogen>
- List-id: Mailingliste der AG Drogen <ag-drogen.lists.piratenpartei.de>
Hi Guido,
"Wenn das THC in wesentlich höherer Konzentration
apliziert wird, bindet es im Hirn natürlich auch wesentlich mehr an den entsprechenden
Rezeptoren. Dementsprechend wirkt es wesentlich stärker, was vor allem für suchtaffine Erstkonsumenten einen
echten Unterschied ausmacht."
Ich will dir nicht unterstellen dass du es dir ausgedacht hast, aber genauso wie du, hätte ich auch gerne eine Quelle dafür.
Aber anstatt mir Inkompetenz zu unterstellen solltest du zumindest einmal damit anfangen deine Ansichten zu belegen, was du offensichtlich im Gegensatz zu mir (sieh dir einfach mal die Links an die ich regelmäßig meinen threads beifüge) nicht tust. [...] Woher weißt du das? Gibt es dazu eine Studie oder Quelle?
Ich bin ein Mensch, der eigentlich niemals etwas behauptet, wenn er es nicht irgendwie belegen kann. Also, wie ich schon gesagt habe, werde ich in Zukunft Aussagen solcher Art belegen. Und auf die 2% bin ich durch die "Kleiber-Kovar-Studie" für das Bundesministerium für Gesundheit von 1996 gekommen. 1996 ist lang her, aber ich weiß von keiner vergleichbaren Studie.
Deine Einschätzung, das Alkohol die "schlimmere" Droge ist, kann ich absolut unterstützen und auch dass wir bewussten Konsum, Missbrauch und Abhängigkeit unterscheiden sollten.
Und du hast recht, ich habe mich und meine Hintergründe noch nicht vorgestellt, das werde ich nachholen. Schade ist, dass das hier natürlich nur bis zu einem bestimmten Punkt möglich ist, da dies ja immerhin eine halb-öffentliche Mailingliste ist und man bei diesem Thema ja leider sehr schnell in nicht legale Bereiche gleitet (hoffentlich kriegen wir das irgendwann mal mit dieser AG geändert).
Viele Grüße,
Chris
Am 27. Oktober 2011 17:12 schrieb Guido Weyers <guidoweyers AT googlemail.com>:
@Chris
Cannabis und Psychosen
Wir können und gerne darauf einigen das Cannabis Psychosen auslöst.
Ich finde allein diese Gefahr ist ausreichend genug vorsichtig mit Cannabis umzugehen.
Eine Quelle die deine Behauptung untermauert ist folgende:
http://web4health.info/de/answers/add-hash-psychosis.htm
Sie mal, so bin ich zu dir. Ich suche jetzt schon Quellen für deine Gegenargumente :)
Das gehört für mich im übrigen auch zu einem neuen Politik- und Argumentationsstil, der durch Piraten etabliert werden sollte.
THC Gehalt und Konsumform
Ich war bereits auf einigen Kongressen zu dem Thema und bin auch
durch Kollegen diesbezüglich gut informiert. Wenn das THC in wesentlich höherer Konzentration
apliziert wird, bindet es im Hirn natürlich auch wesentlich mehr an den entsprechenden
Rezeptoren. Dementsprechend wirkt es wesentlich stärker, was vor allem für suchtaffine Erstkonsumenten einen
echten Unterschied ausmacht. Inhaliert man es dann auch noch mit einer Wasserpfeife erfolgt die Rezeption
zudem noch wesentlich schneller und intensiver. Dadurch erhält das Belohnungssystem* im Gehirn die Information: "Ah super, ich fühle mich sehr schnell
total geil/high ohne das ich was dafür tun muß." Außerdem haben mir meine jugendlichen Klienten in der Rehaeinrichtung die Wirkungs-
weise ausführlich erklärt. Hinzu kommt, dass ich in meiner Jugendzeit selbst alle drei Konsumformen ausprobiert habe
(Bong, Joint, Plätzchen). Ich kenne den Unterschied also auch aufgrund persönlicher Erfahrungen, (war meine ganze Jugend über in der Punk
und Gothik Szene) auch wenn diese über 25 Jahre zurück liegen. Es wäre im Übrigen schön, Chris, wenn du auch ein wenig über deinen Hintergrund
und deine Erfahrungen berichten würdest, aber vielleicht hast du das ja auch bereits getan. (personelle Transparenz)
"Klingt für mich alles ein wenig danach, als hättest du dich noch nicht eingehend und fachlich mit der Droge Cannabis beschäftigt."
Das habe ich auf den unterschiedlichsten Ebenen getan. Als Konsument, Suchttherapeut sowie literarisch und wissenschaftlich.
Aber anstatt mir Inkompetenz zu unterstellen solltest du zumindest einmal damit anfangen deine Ansichten zu belegen, was du offensichtlich im
Gegensatz zu mir (sieh dir einfach mal die Links an die ich regelmäßig meinen threads beifüge) nicht tust.
Folgendes Beispiel:
"Aber es gehen ja nur diejenigen zur Suchtberatung, die ein Suchtproblem haben und dass sind bei Cannabis meines Wissens
nach nur ca. 2% der Konsumenten und selbst da Frage ich mich, ob die Zahl repräsenativ ist."
Woher weißt du das? Gibt es dazu eine Studie oder Quelle? Ich bin mir ziemlich sicher, nachdem wir auch viel Angehörigenarbeit machen, das ganze viele
Cannabiskonsumenten überhaupt erst gar nicht den Weg in die Suchtberatung finden. Noch wesentlich schlimmer ist es im Übrigen beim Alkoholmißbrauch und Konsum. Dort ist
die Zahl derjenigen die Hilfe bräuchten, sie aber nicht in Ansprich nehmen noch viel größer. In meinem Freundeskreis kenne ich einige Fälle die erhebliche
Probleme mit ihrem Cannabiskonsum hatten und keine Hilfe aufgesucht haben. Einige haben immer noch Probleme andere haben, oft nachdem sie Arbeit gefunden haben automatisch mit dem Konsum aufgehört
was offensichtlich damit zutun hat, dass Cannabismißbrauch einen eher negaiven Effekt auf die Leistungsfähigkeit hat. Natürlich ist das alles nicht repräsentativ, aber kennst du denn neutrale wissenschaftlich fundierte Zahlen dazu?
Genuß, Mißbrauch und Abhängigkeit
Ich muß nochmal eine Sache betonen, die mir in der Diskussion wichtig ist. Wir sollten wirklich zwischen gelegendlichem Konsum (kann man auch Genußkonsum nennen), Mißbrauch und Abhängigkeit unterscheiden und das bei jeder Droge. Es ist einfach verwirrend und führt zu ständigen Mißverständnissen, wenn wir das immer gleichsetzen. Folgendes ist demnach meine Position:
Ich habe nichts gegen gelegendlichem Konsum aber bevor es zu Mißbrauch und letzlich Abhängigkeit kommt ist es einfach wichtig und notwendig viel aufzuklären und klar die Gefahren zu bennen und sie nicht zu bagatellisieren.
Was ich selbst in meiner Praxis häufig erlebe, insbesondere bei Alkoholmißbräuchlern und abhängigen ist eine Verleugnung und Bagatellisierung ihres Suchtverhaltens. Erst während oder nach der Therapie begreifen sie oft, dass sie sich im Grunde genommen selbst und ihre Umwelt belogen haben. Sehr viele kommen aber auch über diesen Punkt nicht hinweg. Sie trinken dann immer weiter und sterben im schlimmsten Fall schließlich vorzeitig. Cannabis hat natürlich nicht dieselben harten Konsequenzen wie Alkohol aber auch dort laufen die Übergänge von Genuß zu Mißbrauch hin zu Abhängigkeit mit den entsprechenden Symptomen ähnlich ab. Also Chris, in bestimmten Fragen gibt es unterschiedliche Ansichten und unterschiedliche Studien und Belege. Vielleicht wäre es besser, wenn wir uns darauf einigen, dass wir uns in bestimmten Fragen einfach eine unterschiedliche Meinung gebildet haben und arbeiten deshalb zukünftig nicht mehr mit Unterstellungen.
@Andi
Ich hoffe du zählst mich nicht zu den konservativen Kreisen :), da gehöre ich nun absolut nicht hin. Ich lasse mich sehr gerne von den so genannten "Fakten" von denen du sprichst überzeugen. Ich habe zu diesem Thema bereits in meinem ersten beiden Beiträgen sehr lange etwas geschrieben, vielleicht kannst du dir das nochmal durchlesen. Im Wesentlich ging es darum, dass vor allem die Fakten interessant sind, die ideologiefrei sind und von einer neutralen Quelle stammen. Die ideologisch orientierten Befürworter oder Gegener von Legalisierung suchen sich in der Regel die Fakten raus, die ihre Position unterstützen. Das macht die Diskussion ja gerade so schwer, nämlich der Mangel an neutralen, ideologiefreien Quellen. Ich begeife mich da mehr als Suchender und bin idealistisch genug zu denken, dass es in der Frage auch Möglichkeiten zu einem Kompromiß zwischen beiden Seiten gibt, wie immer der auch aussehen mag.
@Stefan
"Ich plädiere für die Betrachtung, dass Cannabis psychische Probleme aufdecken kann."
Da stimme ich dir voll und ganz zu. Im Psychologiestudium haben wir uns lange mit der so genannten Anlage Umwelt Interaktion auseinandergesetzt.
(Konzept mit der zentralen Aussage, daß Umweltfaktoren je nach Genotyp unterschiedliche Wirkungen entfalten. Quelle Psychologie Lexikon)
Wenn jemand tatsächlich aufgrund seiner genetischen Dispositionen eine erhöhte Vulnerabilität (Anfälligkeit) bezüglich psychischen Erkrankungen oder auch Suchtanfälligkeit
aufweist hat der Konsum von Drogen ganz andere Auswirkungen als bei Personen, die dies nicht aufweisen.
Gruß,
Guido
*Belohungssystem: Wenn ihr Interesse habt erkläre ich euch gerne mal was zu den Themen Suchtgedächtnis und Belohungssystem.
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AG-Drogen mailing list
AG-Drogen AT lists.piratenpartei.de
https://service.piratenpartei.de/listinfo/ag-drogen
- [AG-Drogen] Cannabis und die Folgen bei Mißbrauch und Abhängigkeit, Guido Weyers, 27.10.2011
- Re: [AG-Drogen] Cannabis und die Folgen bei Mißbrauch und Abhängigkeit, Chris Lüders, 27.10.2011
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