ag-drogen AT lists.piratenpartei.de
Betreff: Mailingliste der AG Drogen- und Suchtpolitik
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- From: Maximilian Plenert <kontakt AT max-plenert.de>
- To: BND Diskussionsliste <bnd-debatte AT bndrogenpolitik.de>, Fachforum Drogen der GRÜNEN JUGEND <liste-ff-drogen AT gruene-jugend.de>, vfdintern AT yahoogroups.de, linke-drogenpolitik AT yahoogroups.de, Liste: AG_Drogen <ag-drogen AT lists.piratenpartei.de>
- Subject: [AG-Drogen] Ausführliches Interview mit Georg Wurth auf Zakoo.de
- Date: Tue, 01 Mar 2011 21:04:05 +0100
- List-archive: <https://service.piratenpartei.de/pipermail/ag-drogen>
- List-id: Mailingliste der AG Drogen <ag-drogen.lists.piratenpartei.de>
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Ausführliches Interview mit Georg Wurth auf Zakoo.de
http://hanfverband.de/index.php/nachrichten/blog/1437-ausfuehrliches-interview-mit-georg-wurth-auf-zakoode
Dienstag, den 01. März 2011 um 12:43 Uhr
Logo von Zakoo.deZakoo.de, die Jugendplattform des Zollern-Alb-Kuriers, hat
sich
zur Zeit das Wochenthema Alkohol und Drogen vorgenommen. Als Teil dieser Reihe
ist ein sehr ausführliches Interview mit DHV-Sprecher Georg Wurth entstanden,
das ich allen empfehlen möchte, die mal ein paar Hintergründe zur
Cannabispolitik, dem DHV und Georg Wurth erfahren möchten.
Es kommt selten vor, dass man in der Presse so ausführlich zu Wort kommt.
Vielen
Dank deshalb an Zakoo und den Redakteur Andreas Widmann, der viel Zeit
investiert hat, das Interview in schriftliche Form zu bringen.
Unten dokumentiere ich das Interview in voller Länge. Doch zunächst die
Zusammenfassung, weil auch das ein so "unzensierter" Artikel ist, wie er in
der
deutschen Presse selten vorkommt:
Die schlimmste Nebenwirkung ist die Strafverfolgung
Wochenthema - Alkohol und Drogen
Geschrieben von: Andreas Widmann
So lautet einer der Werbesprüche des Deutschen Hanf Verbandes, der seit
März
2002 besteht und umfassende Informationen über das Genussmittel Cannabis
bietet.
Der Verband warnt vor den gängigen Streckmitteln und kämpft im politischen wie
im privaten Bereich für eine Legalisierung von Cannabis und einem liberaleren
Umgang mit Hanfprodukten. Kurz vor der Gründung des Deutschen Hanf Verbandes
fand bei den Grünen eine innerparteilich Diskussion über den Umgang mit Drogen
und eine neue, eventuell zweckdienlichere Drogenpolitik statt. Aus dieser
Diskussion heraus entstand der Gedanke eines überparteilichen Vereins und
letztendlich auch der Deutsche Hanf Verband.
?Ich habe mich, damals noch als Parteisprecher der Grünen in Remscheid,
selbst angezeigt, wegen Besitz von 4 Gramm Marihuana. Um eben den Unsinn der
Cannabisverfolgung deutlich zu machen. Das hat auch pressetechnisch sehr gut
funktioniert?, berichtet Georg Wurth, Vorsitzender des Deutschen Hanf
Verbandes
über eine seiner Legalisierungsaktionen. Bis zu einer bestimmten ?geringen
Menge? muss der Besitz von Cannabis nicht strafrechtlich verfolgt werden und
das
Verfahren wird eingestellt. Zwar waren die besagten 4 Gramm eine ?geringe
Menge?, diese Regelung gilt allerdings nur bei Eigenverbrauch. ?Ich hab mir
das
Cannabis damals zum Zweck dieser Selbstanzeige besorgt. Das habe ich dann auch
bei der Polizei angegeben und das war dann wohl auch der erste Grund wieso der
Staatsanwalt mich unbedingt verurteilen wollte.? Diese Erfahrungen haben Georg
Wurth schließlich dazu bewogen sich beim Deutschen Hanf Verband zu engagieren
und den Vorsitz zu übernehmen.
Die Legalisierung oder Entkriminalisierung ist bei weitem keine
Randgruppenidee. ? Cannabis geht vom Arbeitslosen bis zum Großbanker oder
Politiker. Das ist überall zu finden.? In Deutschland leben derzeit etwa 13
Millionen Menschen mit entsprechender Konsumerfahrung und nach einer vom
Hanfverband in Auftrag gegebenen EMNID-Umfrage, waren 54% der Befragten
zumindest für eine Lockerung der derzeitigen Situation. Ist die
Drogenprohibition, die dazu gedacht ist, Menschen zu schützen, überhaupt
sinnvoll? ?Wenn Leute nicht konsumieren, dann haben sie ganz andere Gründe
dafür. Insbesondere wenn ihnen die Wirkung nicht gefällt oder weil sie einfach
kein Interesse daran haben. Nur 3% der Nicht-Konsumenten sagten in einer
Umfrage
der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung, dass sie nicht konsumieren,
weil es verboten ist. Die Repression bringt in dem Bereich nichts, aber sie
hat
ganz viele negative Begleiterscheinungen.?
Zum ersten wird natürlich die Strafverfolgung genannt, der die Konsumenten
illegaler Rauschmittel ausgesetzt sind. ?Das ist für die Konsumenten natürlich
ein riesiger Eingriff ins Leben, wenn sie verfolgt werden, teilweise ihre
Wohnung, ihre Jobs oder ihren Führerschein verlieren, riesige Strafen zahlen
müssen oder überhaupt zum ersten Mal durch so ein Strafverfahren vom Staat als
Kriminelle abgestempelt werden. Ansonsten führen sie meist ein ganz normales
Leben, sind keine Verbrecher und plötzlich haben sie eine Hausdurchsuchung.
Oder
wenn es auch nur ein einfaches Strafverfahren ist, das dann eingestellt wird,
trotzdem wird der Staat plötzlich als Feind betrachtet. Das ist ja an sich
schon
eine sehr negative Begleiterscheinung.? Nicht nur der Hanfverband sondern auch
viele Fachleute aus unterschiedlichsten Bereichen, die sich zum Beispiel im
Schildower Kreis (http://www.schildower-kreis.de/) zusammengetan haben, sehen
allerdings noch andere negative Auswirkungen. Dem Ziel, den Drogenkonsum
einzuschränken, beziehungsweise ihn zumindest kontrollieren zu können, wirkt
die
derzeitige Drogenpolitik entgegen.
Durch das Verbot gibt der Staat die Zügel vollständig aus der Hand und
überlässt das Feld den Kriminellen und mafiaähnlichen Organisationen. ?Durch
den
Markt an sich fördert man kriminelle Strukturen, die man nicht hätte, wenn das
in einem legalen Rahmen organisiert wäre. Sie sagen immer, sie wollen gar
nicht
die Konsumenten verfolgen, sondern nur die Großhändler oder die Dealer, aber
genau denen überlassen sie ja diesen Markt exklusiv. Das ist ein
Milliardengeschäft. Und das führt z.B. auch zu jeder Menge Schwarzgeld, das im
Umlauf ist. Es sind Milliarden, die irgendwie schwarz erwirtschaftet werden
und
dann zurück in die legale Wirtschaft fließen. Streckmittel sind natürlich auch
ein ganz großes Thema. Nach unserer Erkenntnis ist mittlerweile ein sehr
großer
Teil des Marihuana-Marktes verseucht mit diversen schädlichen Streckmitteln.
Ich
geh davon aus, dass wir in absehbarer Zeit wesentlich mehr Lungenpatienten in
Kliniken und bei den Ärzten haben werden. Das ist natürlich auch eine
Auswirkung
des Verbots, weil geprüfte Qualität im Fachgeschäft eben sauber wäre. Alleine
durch diese Streckmittel werden mehr Cannabiskonsumenten die Gesundheit
ruinieren als durch den Cannabiskonsum an sich.?, so Georg Wurth zu den
Auswirkungen der derzeitigen Drogenpolitik. Das Verbot soll den Konsum
schädlicher Substanzen verhindern und die Menschen schützen, de facto tut es
dies allerdings nicht. ?Es mag sein, dass das einen ganz kleinen Teil der
Konsumenten abschreckt, dafür gibt es aber auch einen kleinen Teil der
Konsumenten, die es deswegen erst recht konsumieren?. Organisationen wie der
Hanfverband oder der Schildower Kreis machen keine Werbung für illegale
Rauschmittel, sondern versuchen konstruktiv an einer neuen Drogenpolitik zu
arbeiten, die allen Menschen nützt. ?Ich gebe häufig auch Schulveranstaltungen
in Kooperation mit der Polizei, bei denen ich die Leute auch warne, dass sie
Probleme bekommen können. Dass es z.B. Risikogruppen gibt, bei denen es
besonders wahrscheinlich ist, dass Cannabis ihnen eben nicht gut bekommt. Wenn
man psychische Krankheiten in der Familie hatte, Psychosen, Schizophrenien
oder
so etwas, dann sollte man mit Cannabis natürlich sehr vorsichtig sein. Also es
geht mir nicht darum, Werbung für das Genussmittel Cannabis zu machen, sondern
lediglich darum, zu sagen, wie im Moment mit Millionen Konsumenten umgegangen
wird. Das ist einfach nicht sinnvoll, weder für die Konsumenten, noch für die
Gesellschaft!?, berichtet Georg Wurth ?es sollte jedoch schon klar sein, dass
Cannabis eben wesentlich weniger Schäden verursacht als Alkohol. Sowohl
gesundheitlich, als auch gesellschaftlich. Und Tabak macht sehr viel schneller
abhängig als Cannabis?. Die Statistiken geben solchen Aussagen Recht! Jährlich
gibt es in Deutschland ungefähr 2000 Drogentote. Diesen stehen allerdings rund
40.000 Alkoholtote gegenüber. Es geht letztendlich nicht darum, den Konsum
berauschender Substanzen zu fördern, sondern darum, eine Gleichbehandlung mit
Alkohol und Tabak herzustellen, die sich nach sinnvollen Maßstäben bezüglich
Nebenwirkungen, Abhängigkeitsgefahr und Gesundheitsschädlichkeit richtet. Es
gibt kaum eine Politik, die so dogmatisch geführt wird wie die Drogenpolitik.
Obwohl in Fachkreisen schon lang bekannt ist, dass Verbote die Situation eher
verschlechtern und ihrem eigentlichen Ziel entgegen gerichtet wirken,
verschließt sich die Politik davor. Im Gegenteil, die Regelungen werden sogar
noch restriktiver und immer neue Substanzen, vor allem auch pflanzliche,
werden
verboten. ? Wir sehen immer wieder die gleichen Mechanismen. Es entsteht ein
Schwarzmarkt, der letztendlich viel schädlicher ist für die Leute als die
vorherige Situation?, so Georg Wurth.
Im Prinzip wollen Legalisierer und Prohibitionsbefürworter dasselbe Ziel
erreichen, nämlich das Verbrechen zu schwächen und die Konsumenten und die
Bevölkerung im allgemeinen vor gesundheitsschädlichen Substanzen schützen.
Bisher ist man allerdings noch nicht bereit sich von alten Vorstellungen zu
trennen um neue, erfolgreichere Wege einzuschlagen. Für das Drogenproblem
selber
gibt es eigentlich keine Lösung, aber die Probleme, die durch die derzeitigen
restriktiven Regelungen entstehen können bekämpft werden.
Und hier das vollständige Interview:
Ausführliches Interview mit Georg Wurth
Wochenthema - Alkohol und Drogen
Geschrieben von: Andreas Widmann
Hier nun, wie angekündigt, das ausführliche Interview mit dem Vorsitzenden
des Deutschen Hanf Verbandes, Georg Wurth. Er äußert sich über die Arbeit des
Deutschen Hanfverbandes, die Problematik der Drogenprohibition und die derzeit
laufende Petition zur Entkriminalisierung von Cannabis. Auf Basis dieses
Interviews ist der Artikel "Die schlimmste Nebenwirkung ist die
Strafverfolgung"
entstanden.
Herr Wurth, den Deutschen Hanf Verband gibt es seit März 2002. Wie sind
Sie
auf die Idee gekommen, dass man einen Hanfverband braucht?
(lacht) Ja, also ich hab da schon länger darüber nachgedacht, welche
Initiativen es geben könnte, oder welche sinnvoll wären. Um die
Jahrtausendwende
hatten wir gerade bei den Grünen innerparteilich eine drogenpolitische
Arbeitsgruppe gegründet und waren im Netzwerk von mehreren Leuten auch der
Meinung, dass da auch überparteilich Vereine notwendig wären. Ich war da
allerdings erst mal 11 Monate unterwegs auf einer Weltreise und hab in der
Zeit
sehr viel drüber nachgedacht wie das gehen könnte. Als ich dann aber wieder
kam,
war im Prinzip schon der Verein für Drogenpolitik gegründet, der also auch in
dieser Zeit entstanden ist. Den Hanfverband hab ich gar nicht selbst
gegründet,
sondern das waren Kollegen vom Hanfjournal, die sich auch das Konzept überlegt
haben, das Ganze als Firmenstruktur zu machen und die mich dann als Mitinhaber
und Geschäftsführer reingeholt haben. Allerdings erst kurz nach der Gründung.
Das passte aber an sich sehr gut zu meinem Thema, dass ich gesagt habe wir
brauchen eine außerparteiliche drogenpolitische Initiative. Beim Thema ?Hanf?
ist da auch am meisten Musik drin, weil da die Zustimmungsraten in der
Bevölkerung für eine liberalere Politik einfach am größten sind. Da haben wir
die meisten Konsumenten und von daher hab ich mich dann eben auf diese
Cannabisfrage spezialisiert.
Wie kommt es, dass es diese Firmenstruktur gibt, der Hanfverband also ein
Einzelunternehmen und kein eingetragener Verein ist?
Ja, das habe ich so geerbt! Meine Kollegen haben das so aufgebaut und ich
bin dann ja einfach so dazu gestoßen. Ich muss aber sagen, dass ich das
mittlerweile sehr zu schätzen weiß und damit auch sehr positive Erfahrungen
gemacht habe. Ich habe vorher zehn Jahre lang in Parteien und Vereinen
gearbeitet und da eben auch die Schattenseiten solcher ehrenamtlich
strukturierter Arbeit erlebt. Ewige Debatten über Kleinkram, Blödsinn,
Satzungen
usw. So wie wir es jetzt haben, können wir wesentlich effizienter und
effektiver
arbeiten. Das ist meine Erfahrung und der Hanfverband zeigt ja auch, dass sich
das bewährt.
Cannabis ist ja ein Thema bei dem es sicherlich Gegner gibt. Gab es bei
der
Gründung irgendwelche Probleme? Wurden Ihnen in irgendeiner Form Steine in den
Weg gelegt?
Nein, überhaupt nicht! Also bis heute könnte ich jetzt nicht sagen, dass
ich
großartig irgendwelche Probleme mit meiner politischen Arbeit gehabt hätte.
Nein, das läuft eigentlich ganz gut, ich sehe das auch als Ausdruck meines
demokratischen Rechts auf freie Meinungsäußerung und ich hab auch vorher schon
Politik betrieben in allen möglichen anderen Richtungen. Von daher war das
jetzt
für mich auch nichts Neues, dieses Thema anzugehen. Wegen der Arbeit an sich
gab
es eigentlich nie wirklich Probleme, weder staatlicherseits, noch von anderen
Seiten. Außer wenn das sozusagen kalkuliert war. Also angefangen hat das bei
mir
persönlich alles damit, dass ich mich selbst angezeigt habe, wegen Besitz von
4
Gramm Marihuana. Damals noch als Parteisprecher der Grünen in Remscheid. Um
eben
diesen Unsinn der Cannabisverfolgung deutlich zu machen. Das hat auch
pressetechnisch sehr gut funktioniert, aber dann sollte ich trotzdem
verurteilt
werden, obwohl es eine geringe Menge war. Und dadurch bin ich dann am Thema
hängen geblieben.
Heißt Sie haben früher selbst Cannabis konsumiert bzw. konsumieren immer
noch?
Ich hab mir im Prinzip dieses Cannabis damals zum Zweck dieser
Selbstanzeige
besorgt. Das habe ich dann auch bei der Polizei angegeben und das war dann
wohl
auch der erste Grund wieso der Staatsanwalt mich unbedingt verurteilen wollte.
Diese Einstellung des Verfahrens bei geringer Menge gilt eben nur bei
Eigenverbrauch. Heißt, wenn ich in NRW erwischt werde mit 4 Gramm, dann wird
das
Verfahren eingestellt. Wenn ich aber zur Polizei gehe und sage ich möchte mich
selbst anzeigen, ich will das überhaupt nicht konsumieren, dann wird das
Verfahren eben nicht eingestellt. Ja, das war schon eine merkwürdige
Geschichte
(lacht). Ja, aber damit haben sie mich ans Thema gebunden und jetzt haben sie
mich am Hals.
Wie sieht dann die Arbeit des Hanfverbandes genau aus? Und in wie weit hat
sie sich auch verändert? Gab es irgendeine Entwicklung seit der Gründung?
Ja klar, dass kann man schon sagen. Aber im Prinzip ist die
Grundzielsetzung
gleich geblieben. Es geht letztendlich als Hauptziel darum, Cannabis als
Genussmittel zu legalisieren bzw. den Markt zu regulieren. Ich meine der Markt
besteht ja, es geht nicht darum einen neuen Markt einzuführen sondern um die
Frage, ob der gerade sinnvoll organisiert ist mit Verboten usw. und ob es
nicht
auch sinnvoller geht. Und daran hat sich nichts geändert. Mittlerweile haben
wir
auch noch ein paar andere Themen, die jetzt z.B. die Diskriminierung von
Konsumenten betreffen. Z.B. das Führerscheinthema. Dass einfach ganz viele
Cannabiskonsumenten den Führerschein verlieren, obwohl sie gar nicht berauscht
gefahren sind. Das sind Sachen, die können nicht sein und darum kümmern wir
uns
auch. Ebenso wie um Cannabis als Medizin und Cannabis als Biorohstoff, also
Nutzhanf. Wir haben eben die Zielrichtung einerseits politische Lobbyarbeit zu
machen, also direkt im Kontakt mit Politikern. Dann aber auch Medien- und
Öffentlichkeitsarbeit, also mit Flyern und eben auch versuchen in die Medien
zu
kommen mit unseren Filmen z.B. über die Repressionsopfer. Das sind so die
Hauptrichtungen. Die Arbeit an sich hat sich eher organisatorisch verändert,
weil der Hanfverband eben auch gewachsen ist. Wir haben damals als reiner
Branchenverband angefangen und mittlerweile haben wir viel mehr private
Unterstützer als gewerbliche. Da ist auch das größte Wachstum drin und das
bedeutet aber auch, dass wir ganz andere Strukturen brauchen. Ich hab damals
angefangen mit einer halben Stelle mit 20 Stunden die Woche und mittlerweile
haben wir hier mit Praktikanten ein Team von 5 Leuten. Die arbeiten zwar außer
mir alle nicht voll, aber das verändert die Arbeit natürlich schon massiv!
Wie viele private und Firmenunterstützer hat der Hanfverband derzeit?
Also Firmenunterstützer sind es gut 100 und Privatunterstützer etwa 270.
Sie haben gesagt der Hanfverband betreibt Lobbyarbeit. Wie sieht das aus?
Mit welchen Parteien arbeitet der Hanfverband da zusammen? Sie selbst waren ja
bei den Grünen, von dieser Seite ist also Kooperation zu erwarten, aber wie
sieht es bei den anderen Parteien aus?
Ja gut, man kann schon sagen, die Grünen und die Linken sind quasi unsere
Freunde, die haben beide die Cannabislegalisierung in ihren Programmen stehen,
von daher sind sie natürliche Verbündete. Wobei jetzt auch beide Parteien
nicht
so viel Herzblut da reinstecken. Bei den Linken sind soziale Themen sicherlich
wichtiger und bei den Grünen der Atomausstieg, das ist noch ein bisschen das
Problem, dass die da nicht mit Feuereifer rangehen. Obwohl die Unterstützung
in
der Bevölkerung für eine liberalere Cannabispolitik eigentlich riesig ist.
Aber
immerhin, die sind schon auf unserer Seite und die sind nicht unser Problem,
sondern das Problem sind eher die anderen Parteien, insbesondere CDU und SPD.
Die bewegten sich halt überhaupt nicht in dieser Frage und haben in der
Vergangenheit eher die Regeln verschärft. Also gerade die ?Geringe
Menge?-Regelungen sind immer mehr verschärft worden. Da müssen wir noch ganz
dicke Bretter bohren und da ergibt sich noch nicht arg viel an Zusammenarbeit,
höchstens mal mit ganz vereinzelten Personen oder auch den
Jugendorganisationen.
Die FDP ist halt ziemlich ?wischi-waschi? bei dem Thema. Die haben da
überhaupt
keine Meinung. Ein Länderverband fordert dann mal Liberalisierung und ein
anderer Landesverband trägt die nächste Verschärfung mit. Das ist im Prinzip
eine Nullnummer.
Jetzt einmal eine eigentlich ganz banale Frage, aber warum sollte Cannabis
denn überhaupt entkriminalisiert oder sogar legalisiert werden?
Ja, da muss ich jetzt natürlich sehr weit ausholen, es gibt ganz viele
Argumente dafür. Das ist auch einer der Gründe wieso ich mich so in dieses
Thema
rein gestürzt habe, denn eigentlich sprechen alle Argumente für eine
Legalisierung. Ich kenne überhaupt kein vernünftiges Argument dafür, es so zu
belassen wie es jetzt ist, denn der einzige sinnvolle Grund das Cannabisverbot
aufrechtzuerhalten wäre ja, wenn man damit den Konsum der Bevölkerung senkt
und
damit auch die Zahl der problematischen Konsumenten verringert. Keine Frage,
es
gibt Menschen, die mit Cannabiskonsum nicht umgehen können, die Probleme damit
kriegen. Wissenschaftler sagen, je nachdem wen man fragt, mal zwei Prozent der
Konsumenten, mal zehn Prozent. Aber relativ wenige Konsumenten haben Probleme.
Wenn man jetzt den Konsum aber insgesamt verringern könnte, dann könnte man
eben
auch von den zehn Prozent einige retten. Allerdings gibt es gar keine Hinweise
darauf, dass das Cannabisverbot den Konsum verringert. Da gibt es etliche
Studien dazu, man kann Länder vergleichen mit mehr oder weniger liberaler
Cannabispolitik und es wirkt einfach überhaupt nicht in dem Sinne. Wenn Leute
nicht konsumieren, dann haben sie ganze andere Gründe dafür. Insbesondere wenn
ihnen die Wirkung nicht gefällt oder weil sie einfach kein Interesse daran
haben. Die Repression bringt in dem Bereich nichts, aber sie hat ganz viele
negative Begleiterscheinungen. Also einmal für die Konsumenten selbst ist das
natürlich ein riesen Eingriff ins Leben, wenn die verfolgt werden, teilweise
ihre Wohnung verlieren, ihre Jobs verlieren, ihren Führerschein verlieren,
riesige Strafen zahlen müssen oder überhaupt zum ersten Mal durch so ein
Strafverfahren vom Staat als Kriminelle abgestempelt werden. Ansonsten führen
sie meist ein ganz normales Leben, sind keine Kriminellen und plötzlich haben
sie eine Hausdurchsuchung oder wenn es auch nur ein einfaches Strafverfahren
ist, das dann eingestellt wird, trotzdem wird der Staat plötzlich als Feind
betrachtet. Das ist ja an sich schon eine sehr negative Begleiterscheinung.
Und
dann kommen aber noch für die Gesellschaft selbst ganz viele negative Aspekte
hinzu. Durch den Markt an sich fördert man kriminelle Strukturen, die man
nicht
hätte, wenn das in einem legalen Rahmen organisiert wäre. Aber so ist es quasi
so, dass man diese illegalen Strukturen stärkt. Ich will das jetzt nicht Mafia
nennen, es gibt auch anständige Hanfhändler, aber tendenziell unterstützt man
damit Leute, die man eigentlich loswerden möchte. Sie sagen immer sie wollen
gar
nicht die Konsumenten verfolgen, sondern nur die Großhändler oder die Dealer,
aber genau denen überlassen sie ja diesen Markt exklusiv. Das ist ein
Milliardengeschäft. Und das führt z.B. auch zu jeder Menge Schwarzgeld, das im
Umlauf ist. Es sind Milliarden, die irgendwie schwarz erwirtschaftet werden
und
dann zurück in die legale Wirtschaft fließen. Das Verbot verursacht auch
enorme
Kosten. Das kostet ja jede Menge Geld den Leuten hinterherzurennen, 100.000
Verfahren nur gegen Konsumenten einzuleiten, Insgesamt 130.000 Strafverfahren
ungefähr jedes Jahr wegen Cannabis. In der Zeit kann die Polizei eben keinen
Einbrecher jagen und sich nicht um Gewaltverbrechen kümmern und das kostet
halt
Geld ohne Ende. Dazu kommt aber auch noch, dass wir uns Steuereinnahmen
entgehen
lassen. Bei Tabak und Alkohol ist es ganz selbstverständlich, dass der Staat
da
mitverdient. Bei Cannabis verzichtet man darauf weil das halt irgendwie böse
ist
und man es unbedingt verfolgen möchte. Das macht doch keinen Sinn! Medizinisch
gibt es eigentlich auch keinen Grund für diese Ungleichbehandlung. Kaum ein
Experte wird dem widersprechen, dass man sagt, Alkohol hat schädlichere
Auswirkungen als Cannabis, das ist eigentlich relativ eindeutig. Ich möchte
jetzt nicht sagen Cannabis ist harmlos, aber für diese rechtliche
Ungleichbehandlung die wir derzeit haben, gibt es keine medizinischen Gründe.
Naja, und so kommt dann eben eins zum anderen. Streckmittel sind auch ein ganz
großes Thema. Nach unserer Erkenntnis ist mittlerweile ein sehr großer Teil
des
Marihuana-Marktes verseucht mit diversen schädlichen Streckmitteln. Ich geh
davon aus, dass wir in absehbarer Zeit wesentlich mehr Lungenpatienten in
Kliniken und bei den Ärzten haben werden. Das ist natürlich auch eine
Auswirkung
des Verbots, weil geprüfte Qualität im Fachgeschäft eben sauber wäre. Alleine
nur diese Streckmittel werden mehr Cannabiskonsumenten die Gesundheit
ruinieren
als der Cannabiskonsum an sich.
Also würden Sie auch sagen, dass man sein Cannabis lieber pur raucht, als
es
mit Tabak zu mischen?
Ja auf jeden Fall! Logisch, Tabak macht sehr viel schneller abhängig als
Cannabis und Rauch ist immer schädlich, egal ob von Tabak oder von Cannabis,
aber wenn man es pur raucht, dann ist ja die Rauchmenge die man inhaliert
schon
weit geringer. Aber im Grunde kann man eigentlich auch den Konsumenten, die
sowieso konsumieren nur dazu raten, vielleicht auch mal etwas anderes
auszuprobieren. Z.B. Verdampfungsgeräte, Vaporisatoren, wo dann gar kein Rauch
mehr entsteht, sondern nur ein Dampf eingeatmet wird. Oder auch, wer sich
damit
auskennt und dosieren kann, der wird vielleicht auch mit oraler Aufnahme
glücklich und schädigt sich damit eben die Atemwege nicht.
Aber durch das Verbot können die Leute nicht einfach in den Laden laufen
und
sich Cannabis kaufen wie Schnaps, sondern sie müssen zu einem Dealer, sie
begeben sich in ein illegales Milieu, schreckt das nicht manche Leute ab?
Es mag sein, dass das einen ganz kleinen Teil der Konsumenten abschreckt,
dafür gibt es aber auch einen kleinen Teil der Konsumenten die es deswegen
erst
recht konsumieren. Gerade unter Jugendlichen, die sich vielleicht auch von den
Erwachsenen ein wenig abgrenzen wollen, da ist dieser Reiz des Verbotenen doch
recht groß. Ich geh davon aus, dass sich das ungefähr ausgleicht. Viele lassen
sich allerdings nicht abschrecken, insbesondere die die man schützen will.
Junge
Menschen, bei denen vielleicht auch die Gefahr, dass jemand zu viel konsumiert
oder eine psychische Abhängigkeit entwickelt am größten ist, da geht diese
Abschreckung gegen Null. Wenn man sich anschaut, dass 30-40% der Schüler, die
mit der Schule fertig werden schon einmal Cannabis probiert haben, dann kann
man
sich vorstellen, was für eine Abschreckungswirkung da noch da ist. Oder es
gibt
z.B. auch Umfragen von der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung, bei
der auch Leute mal gefragt worden sind die nicht konsumieren, warum sie nicht
konsumieren. Wie eben schon gesagt sind da ganz viele dabei die sagen, es
interessiert sie nicht, oder es passt nicht in ihren Freundeskreis, sie haben
Angst vor der Wirkung und alles Mögliche. Nur 3% von denen haben eben auch
gesagt, dass sie nicht konsumieren weil es verboten ist. Es spielt also
letztendlich keine Rolle.
Gibt es überhaupt einen Durchschnittskonsumenten. Also kann man sagen, der
normale Cannabiskonsument ist beispielsweise zwischen 16 und 20 Jahren alt,
hat
einen bestimmten Job und eine bestimmte Schulbildung. Oder geht das durch die
ganze Gesellschaft?
Nein, das geht quer durch. Kann man so nicht eingrenzen. Auch die
Konsummuster sind extrem unterschiedlich. Es gibt halt Leute, die ganz
gelegentlich nur konsumieren, einmal im Jahr oder fünfmal im Jahr, einmal die
Woche. Und selbst bei denen die täglich konsumieren, sind die Unterschiede
riesig. Da gibt es Leute, die rauchen vielleicht 0,1 oder 0,2 Gramm am Tag und
es gibt auch Leute, die rauchen halt einige Gramm am Tag. Und die arbeiten
auch
in extrem unterschiedlichen Berufen. Das geht dann schon vom Arbeitslosen bis
zum Großbanker oder Politiker. Das ist überall zu finden.
Dann ist Cannabis keine Randgruppenerscheinung, sondern in der Mitte der
Gesellschaft angekommen?
Auf jeden Fall! Wir haben in Deutschland fast 13 Mio. Menschen mit
Cannabiskonsumerfahrung, das ist ein sehr großer Anteil der Bevölkerung und
das
sind ganz normale Leute. Weder Verbrecher noch Sozialhilfebetrüger. Was weiß
ich, was sich die Leute da zusammen fantasieren, aber das sind ganz normale
Leute. 13 Mio. die das probiert haben und die nicht das Gefühl hatten,
deswegen
Verbrecher zu sein.
Man sieht das ja auch daran, dass die Petition zur Entkriminalisierung von
Cannabiskonsumenten, die sich derzeit in der parlamentarischen Prüfung
befindet,
allein online mehr als 21.000 Unterzeichner hatte.
Das ist für mich eher auch ein Zeichen dafür, dass die Leute sich langsam
mehr trauen ihre Meinung dazu zu sagen. Also in Deutschland herrscht ein Klima
der Angst, was dieses Thema anbelangt. Ich glaube wir hätten ohne das noch
viel
mehr Unterstützer bekommen. Wir haben im Sommer eine Umfrage gemacht, die
ergeben hat, dass eine Mehrheit der Deutschen für ein liberaleres
Cannabisrecht
ist. Zwar nicht unbedingt für eine komplette Legalisierung, aber eben dass die
Konsumenten nicht so verfolgt werden. Und das ist ja auch genau das, was meine
Petition gefordert hat. Und bei der Umfrage hatten wir eine Zustimmungsrate
von
54%, wenn man jetzt mal Legalisierung und Entkriminalisierung zusammenlegt.
Und
da steckt einfach ein großes Potential drin und ich merke aber immer wieder,
dass man das sehr schlecht mobilisiert bekommt. Also auch Leute, die sonst
jede
Sache unterschreiben würden, von Atomkraft bis Genfood, die schreiben ihren
Namen nicht unter eine Cannabispetition. Zum Teil, weil sie denken, dass die
Behörden dann irgendwie eine Hausdurchsuchung machen, oder das der Arbeitgeber
Ärger macht, wenn er das mitbekommt. Das ist auf jeden Fall ein Klima, das wir
noch weiter überwinden müssen, aber die Cannabispetition war ein Riesenschritt
in diese Richtung. Wir hatten vorher auch schon Email-Protestaktionen, die
vielleicht mal die Tausendermarke überschritten haben, aber über 20.000 ist
natürlich schon eine ganz andere Dimension.
Viele hat es ja abgeschreckt, dass sie bei der Petition ihren Namen und
ihre
Adresse angeben mussten. Wäre es nicht vielleicht sinnvoll eine Cannabispartei
zu gründen, die jeder anonym wählen kann?
Na gut, man kann natürlich auch den Hanfverband anonym unterstützen. Die
meisten unserer privaten Mitglieder machen das ja anonym, in dem Sinne, als
dass
sie nicht auf unserer Homepage erwähnt werden. Oder dass sie einfach nicht
selbst aktiv werden und auf die Straße gehen, sondern unsere Arbeit
unterstützen. Dafür braucht man nicht unbedingt eine Partei. Die Frage kommt
allerdings häufiger. Ich bin nicht der Meinung, dass das besonders sinnvoll
ist,
auch weil ich eine grobe Vorstellung davon habe, was für einen riesigen
Aufwand
es bereitet eine Partei auf die Beine zu stellen, die irgendwann einmal auch
Einfluss haben soll und eine entsprechende Größe erreicht. Parteiarbeit ist
halt
extrem aufwändig, schon in einer bestehenden Partei. Für die Gründung braucht
man aber wirklich hunderte von Leuten, die daran arbeiten.
Ich hatte jetzt vor allem auch an die Unterstützungsgelder gedacht die man
als Partei bekommen kann.
Ja gut, aber auch erst ab einem bestimmten Grad. Dafür muss man auch schon
eine Menge Stimmen zusammen kriegen und bis man da ankommt, dass man das
erreicht hat, hat man schon einiges Geld versenkt. Dafür bräuchte man zig
tausend Euro, die überhaupt nicht zur Verfügung stehen und so viele
freiwillige
Helfer die man bräuchte stehen auch nicht zur Verfügung. Ich halte das im
Moment
einfach kaum für durchführbar, auch weil wir sowieso irgendwann eine Mehrheit
im
Bundestag haben müssen, um dieses Ziel zu erreichen. Dafür müssen wir die
anderen Parteien überzeugen, für eine Mehrheit zumindest eine der großen
Volksparteien. Ich setze eher darauf zu überlegen, wie man die überzeugen kann
oder vielleicht auch, wie man Leute davon überzeugen kann in eine Partei ihrer
Wahl einzutreten und dort Drogenpolitik zu betreiben. Das halte ich für
sinnvoller, als jetzt nochmal eine eigene Spielwiese ?Cannabispartei?
aufzumachen. Kann natürlich sein, dass ich mich da täusche, wenn es irgendwann
eine Partei gibt, werde ich die sicherlich auch unterstützen, aber ich glaube
nicht, dass uns das zum Ziel führt
Die ganze Art wie Sie über Cannabis sprechen, das kann man ja schon
irgendwie als verdrehte Drogenberatung bezeichnen. Gibt es da manchmal
Probleme
mit Drogenberatungsstellen oder Präventionsabteilungen der Polizei? Oder
arbeiten Sie mit denen sogar zusammen?
Nein, ich hab da auch schon Zusammenarbeit gehabt. Also gemeinsame
Schulveranstaltungen oder so. Ich mach ja keine Werbung für Cannabis. Ich
warne
durchaus auch Leute, dass sie damit Probleme bekommen können. Dass es z.B.
auch
Risikogruppen gibt, bei denen es besonders wahrscheinlich ist, dass Cannabis
ihnen eben nicht gut bekommt. Z.B. wenn man psychische Krankheiten in der
Familie hatte. Psychosen, Schizophrenien oder sowas, dann sollte man mit
Cannabis natürlich sehr vorsichtig sein. Also es geht mir nicht darum Werbung
für das Genussmittel Cannabis zu machen, sondern lediglich darum, zu sagen wie
da im Moment mit Millionen Konsumenten umgegangen wird. Das ist einfach nicht
sinnvoll, weder für die Konsumenten, noch für die Gesellschaft!
Ganz plakativ, wenn Sie jetzt die Entscheidung fällen müssten, kiffen oder
saufen? Was würden Sie jemandem ?raten??
Naja, das läuft ja jetzt schon wieder darauf raus, dass ich irgendwie
Werbung dafür machen würde. Ich denke das kommt auch sehr auf die Person
selber
an. Ich kenne auch sehr viele Leute die sagen, sie vertragen Cannabis nicht,
das
macht sie nur müde, das bringt ihnen nichts, sie fühlen sich nicht wohl und
mit
Alkohol kommen sie wunderbar klar. Dann sollen die halt Alkohol trinken, wenn
sie nicht zu viel trinken. Und die anderen sagen ihnen bekommt kein Alkohol,
Cannabis sei besser, da werden sie nicht aggressiv und haben einfach ihren
Spaß.
Die sollten natürlich auch aufpassen, dass sie nicht zu viel nehmen, aber es
sollte schon klar sein, dass Cannabis eben wesentlich weniger Schäden
verursacht. Sowohl gesundheitlich, als auch gesellschaftlich.
Sie haben ja auch ein Buch geschrieben, ?Rauschzeichen?, in dem eben
solche
Dinge diskutiert werden, Da wird Ihnen doch sicherlich immer wieder
vorgehalten,
Sie würden damit Jugendliche zum Konsum animieren.
Da kann ich mich jetzt gar nicht mehr daran erinnern (lacht). Nein, damit
habe ich eigentlich überhaupt keine Probleme, das gibt das Buch aber auch gar
nicht her. Ich will auch niemanden zum Konsum anregen, ganz im Gegenteil. Das
Buch geht ja auch eher in die Richtung, dass es sagt bei ganz besonders jungen
Leuten ist das Risiko eben höher. Das steht auch ganz konkret drin. Und dass
auch eine Altersgrenze sinnvoll wäre, wenn man dann mal die lizenzierten
Fachgeschäfte hat. Das Buch ist hoch gelobt worden, aus allen möglichen
Richtungen. Von Hanfzeitungen bis zum Verein ?Keine Macht den Drogen? und
überhaupt in der drogenpolitischen Fachwelt. Wir haben von überall her ein
sehr
gutes Feedback bekommen. Auch die ?normale? Presse vom Deutschlandfunk bis zur
?Welt? und wo das Buch überall angerissen wurde, hat durchweg gute Kritiken
gegeben. Und es war auch nirgendwo zu lesen, dass wir irgendwen verführen.
Wenn Eltern herausfinden, dass ihr Kind Cannabis konsumiert, wie sollen
sie
darauf reagieren? Bietet da der Hanfverband in irgendeiner Form Hilfe an?
Wir können nicht konkret helfen. Wir können uns nicht um Einzelfälle
kümmern, weil einfach mittlerweile zu viel kommt. Wir sind so bekannt, dass
wir
die Anfragen kaum bewältigt bekommen. Aber wenn jetzt Eltern da sind, deren
Kinder kiffen und fragen, was sie jetzt machen sollen, dann ist das Buch
?Rauschzeichen? eigentlich genau das Richtige. Gerade weil es sich auch an
solche Leute, Verwandte, Bekannte, Angehörige, Freunde richtet, die nicht so
viel Ahnung von Cannabis haben. Einfach, um ihnen einen gewissen Einblick in
die
ganze Geschichte zu geben. Ich kann nur dazu raten ruhig zu bleiben und das
ähnlich zu betrachten, als würde das Kind Alkohol ausprobieren. Wenn jemand
mal
einen Joint raucht, dann ist das noch lange kein Indiz dafür, dass da
irgendein
großartiges Problem besteht. Genauso wenig, wie wenn ein Jugendlicher zum
ersten
Mal übers Wochenende betrunken nach Hause kommt. In gewissem Rahmen ist das
durchaus verträglich und ok und sind dann halt Gespräche angesagt zwischen
Eltern und Kindern, in denen man mal versucht herauszufinden, wie der Konsum
jetzt ist. Ob da jetzt jeden Tag konsumiert wird, oder einmal im Monat, oder
ob
eben irgendwelche anderen Probleme bestehen. Letztendlich kann es sogar ein
Türöffner dafür sein, dass man sich über Probleme unterhält von denen die
Eltern
vielleicht noch gar nichts wussten. Aber bei den allermeisten Jugendlichen ist
es wirklich nur Probier- und Spaßkonsum und hört dann auch irgendwann wieder
auf.
Andersherum gefragt, wie soll ein Jugendlicher damit umgehen, wenn es
jetzt
entweder seine Eltern herausfinden und Probleme machen, oder wenn er mit dem
Gesetz in Konflikt gerät?
Bei Jugendlichen die von den Eltern erwischt werden, da würde ich
vorschlagen, die sollten denen zuerst ein ??Rauschzeichen? schenken, damit die
Eltern einigermaßen auf dem gleichen Stand sind, wie der Jugendliche selbst
wahrscheinlich ist. Dann sollte ein Jugendlicher selbst vielleicht auch
gucken,
warum konsumiert wird und in welchem Maße und ob das verträglicher Konsum ist
oder ob er sich damit doch schon irgendwelche Steine in den Weg legt, weil die
Schule nicht mehr richtig funktioniert, oder weil er seine Freunde verliert.
Das
kann natürlich alles passieren und darauf sollte auch jeder Jugendliche selbst
achten. Und zum Stress mit dem Staat kann ich nicht viel sagen. Wenn man da
einmal in die Mühle gerät, dann hat man natürlich erst einmal ein Problem, je
nach dem wo man auch ist. In Bayern ist es z.B. schlimmer als in Berlin. Da
kann
man schon ziemlich empfindliche Probleme bekommen. Aber gut, da kann ich nur
dazu aufrufen, einen Verein wie den Deutschen Hanf Verband zu unterstützen
oder
irgendetwas anderes zu tun, um an den Verhältnissen etwas zu ändern. Oder eben
aufzuhören zu konsumieren, wenn man keinen Ärger haben will.
Der Hanfverband beschäftigt sich ja nicht nur mit Cannabis sondern nimmt
ja
auch an anderen Diskussionen teil, z.B. im Bezug auf Magic Mushrooms. Welche
Position haben Sie da?
Naja, andere Drogen als Cannabis konkret behandeln wir relativ selten,
aber
hin und wieder äußern wir uns mal dazu. Im Grunde bin ich der Meinung, dass
das
Prinzip der Drogenprohibition insgesamt mehr Schaden als Nutzen bringt und das
politisch auch zusammenhängt. Man kann jetzt nicht Cannabispolitik alleine
betreiben, ohne zu sehen wie sich Politik insgesamt zum Thema Rausch in der
Gesellschaft stellt. Ohne die Entwicklung z.B. auch bei Tabak und Alkohol zu
beobachten, die auch immer restriktiver wird. Und gerade bei pflanzlichen
Drogen
sag ich halt auch, es macht keinen Sinn eine Pflanze zu verbieten. Wer hat
überhaupt das Recht eine Pflanze zu verbieten? Und wenn wir uns zu anderen
Drogen äußern, dann eben bevorzugt auch zu anderen pflanzlichen Drogen, die
auch
in den letzten Jahren zum großen Teil erst verboten worden sind. Wir sehen
immer
wieder die gleichen Mechanismen. Es entsteht ein Schwarzmarkt, der
letztendlich
viel schädlicher ist für die Leute als die vorherige Situation. Aber an sich
konzentrieren wir uns im Wesentlichen auf die Cannabisfrage.
Vielen Dank, Herr Wurth, für das ausführliche Interview!
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- [AG-Drogen] Ausführliches Interview mit Georg Wurth auf Zakoo.de, Maximilian Plenert, 01.03.2011
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