ag-bauen-verkehr AT lists.piratenpartei.de
Betreff: Bundes-AG Bauen und Verkehr Diskussionsliste
Listenarchiv
- From: Gunnar Kaestle <gunnar.kaestle AT gmx.net>
- To: Mailingliste der AG Energiepolitk <energie_und_infrastruktur AT lists.piratenpartei.de>
- Cc: AG Bauen & Verkehr <AG-Bauen-Verkehr AT lists.piratenpartei.de>
- Subject: Re: [Ag-bauen-verkehr] [Energiepolitik] Wahlprüfsteine Bundestagswahl
- Date: Mon, 08 Apr 2013 01:27:32 +0200
- List-archive: <https://service.piratenpartei.de/pipermail/ag-bauen-verkehr>
- List-id: Bundes-AG-Bauen-und-Verkehr <ag-bauen-verkehr.lists.piratenpartei.de>
La Caleta GmbH schrieb:
Da das elektrische Netz im Winter höher belastet ist, als im
Sommer, finde ich KWK-Anlagen in möglichst vielen Gebäuden als
DIE Lösung schlechthin! [..] KWK-Anlagen erzeugen genau zu dieser
Zeit die größte Wärmemenge und damit den wichtigen Strom. Das
passt 100 Prozent zusammen.
FULL ACK. Mit mehr KWK-Anlagen hat man auch das Kapazitätsproblem
entschärft und kann vielleicht auf Experimente mit
Kapazitätsmärkten verzichten.
Stop. Bitte Stop. Möglichst viele KWK in möglichst vielen Gebäuden
mag zwar eine technisch konkludente Lösung sein, um den
Kapazitätsausfall durch die Abschaltung der KKW auszugleichen. Doch
zu 100 % passt da gar nichts zusammen. Die Lastganglinie eines KKW
ist linear und verläuft idealerweise genau horizontal übers Jahr.
Will heißen: Ich produziere z.B. mit einer 5 KWel Maschine 5
KWelektrisch und 8 KWthermisch permanent.
Grundlastkraftwerke mit über 8000 Bh pro Jahr sind nicht mehr gefragt, aber man braucht disponible Erzeugungsleistung, die zuverlässig auf Abruf aber nicht dauernd zur Verfügung stehen muss. KWK-Anlagen sind übrigens nicht nur Mini-BHKWs der Dachs-Klasse, von denen es rund 30.000 Stück d.h. 150 MW gibt. Das sind vor allem Heizkraftwerke zur Versorgung von Fernwärmenetzen und HKWs in der Industrie (um die 15 GW installierte Leistung). Mittelgroße BHKWs mit einigen 100 kW Leistung (Krankenhäuser, produzierendes Gewerbe, Bürogebäude, etc) werden jedes Jahr mit einigen hundert MW zugebaut.
Bei der Gebäudebeheizung, beispielsweise EFH, Neubau, 150 m² WFL
EnEV2009 Standard komme ich in der Spitze mit 6 KWth locker aus.
Der Neubau betrifft ca 150.000 Wohneinheiten pro Jahr. KWK-Anlagen für Nahwärmenetze und Mini-KWK-Anlagen für objektintegrierte Wärme- und Stromerzeugung ist etwas für die energetische Sanierung im Bestand. Von den 40 Mio WE sind ca 15 Mio Ein- und Zweifamilienhäuser, der Rest sind MFH unterschiedlicher Größenordnung.
Und brauchen deshalb von den berechneten 12.000 kWh Wasserwärme
gerade mal 7.000 bis 8.000 kWh. Die KWK liefert aber sinnvoller Weise
8 mal 8760 kWh. Also rund 70.080 kWh im Jahr.
Nein, man lässt ein Mini-BHKW nur dann laufen, wenn Wärme und Strom gebraucht wird. Wenn man also von 1000 kWh Warmwasserbedarf pro Person ausgeht, dann hat ein 4 Personenhaushalt auf 125 m² zu 40 kWh/m² einen Wärmebedarf von 9000 kWh. Wenn man es will kann man ein ecopower 1.0 einbauen, das hat ein Verhältnis von Strom zu Wärme von 1:2,5 und würde >3000 h laufen. Aber im Neubau als Niedrigenergiehaus oder Passivhaus liegt meist kein Gas, daher stellt sich die Frage oft gar nicht. Selbst wenn man nur Warmwasser bereitstellen möchte, ist eine Brennstoffzelle mit 60% eta_el und 25% eta_el technisch brauchbar - noch ist sie aber viel zu teuer. http://www.bluegen.info/Assets/Files/BlueGen%20Brochure_Architects-web.pdf
Wohin also bitte mit dem Überschuss an Wärme? Wie soll sich eine KWK
mit so wenig Ertrag denn jemals rechnen? Klar: Wenn der Strompreis
vor Steuern, Netzentgelten und Abgaben an der Börse mal bei 24 Cent
kWh liegt und der Gaspreis sich nicht verändert hat...
Wärme ist wertvoll (ca. Gaspreis * 1,1) und daher läuft die Kiste wie jede Heizung nur dann, wenn Wärme gebraucht wird.
Wenn man die KWK dann moduliert oder eben ganz ausschaltet, ergibt
sich keine Laufzeit mehr, die das Ding wirtschaftlich werden lässt.
Volllast wird ja gerade mal 400 Stunden oder weniger gebraucht.
Das kommt ganz darauf an, wie die Stromkennzahl aussieht, und wie groß die Wärmesenke ist. BHKWs ab etwa 15 kW Größe können bei passendem Strombedarf innerhalb von 3-4 Jahren ins Break Even kommen. Das ist also im Vergleich zur Photovoltaik höchst profitabel, bei kleineren Anlagen fürs EFH sieht die Geschichte natürlich anders aus. Hier muss die Massenfertigung erst noch für purzelnde Preise sorgen.
Aber bei den Piraten gibt es ja bekanntlich Leute, die fest davon
überzeugt sind, dass ein Dachs mit 5,5 KWel für 30.000 Euro Kaufpreis
bei einem Gaspreis von 5 Cent/kWh sich mit 3.000 Stunden Laufzeit
rechnet...
Bei einem Gaspreis von 5 ct hat man knapp 10 ct/kWh variable Stromgestehungskosten. Somit erwirtschaftet man einen Deckungsbeitrag von ~15 ct/kWh (bei 25 ct/kWh Strombezug) plus 5,5 ct/kWh KWK-Zuschlag sind das 20 ct/kWh mal 3000 h = 600 €/kW. Über 10 Jahre sind das somit 6000 €/kW. Wenn es gelingt, das BHKW nur zu Stromspitzen einzuschalten und alles im Haus selbst zu verbrauchen, dann kann das durchaus klappen. Allerdings wird es wahrscheinlich daran scheitern, dass der Strombedarf zu niedrig ist und ein Großteil eingespeist wird. Nimm für ein EFH lieber den 1-kW-Honda statt den Dachs.
In vielen Fällen lohnt es sich sowieso eher, das Gebäude abzureißen
und neu zu bauen, als daran herumzubasteln und dabei eher Brandlasten
zu erzeugen, die später aufwändig entsorgt werden müssen.
Steinwolle und Glaswolle brennen nicht.
Der
Transmissionswärmewert ist zwar ein technisch nützliches Kriterium
zur Beurteilung der Qualität der Gebäudehülle, aber für die
energiepolitisch sinnvolle Bewertung taugt er nicht. Da ist in der
Gesamtschau einzig der Primärenergiebedarfskennwert interessant.
Ja, so ist es. Allerdings ist die Primärenergiefaktor für Stromheizungen nicht der des Durchschnittmixes, sondern der des marginalen Kraftwerks gemäß Merit Order und liegt damit bei 2,7-2,8.
Gruß,
Gunnar
--
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- Re: [Ag-bauen-verkehr] [Energiepolitik] Wahlprüfsteine Bundestagswahl, Gunnar Kaestle, 07.04.2013
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- Re: [Ag-bauen-verkehr] [Energiepolitik] Wahlprüfsteine Bundestagswahl, Gunnar Kaestle, 08.04.2013
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- Re: [Ag-bauen-verkehr] [Energiepolitik] Wahlprüfsteine Bundestagswahl, Gunnar Kaestle, 08.04.2013
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